Jedes Risiko hat eine direkte Ursache, z.B. das Versagen eines bestimmten Ventils oder einer bestimmten Messung. Dessen Benennung gehört zur Entwicklung des Szenarios. Aber warum dieses oder jenes Teil versagt sollte nicht mehr spezifiziert werden, denn das kann Tausend Gründe habe. Wenn man an dieser Stelle zu scharf fokussiert, verliert man das große Ganze aus dem Blick. Nach der Katastrophe von Fukushima wurde hierzulande oft festgestellt, dass deutsche Kernkraftwerke wegen eines Tsunamis in Japan abgestellt wurden, den es hierzulande so gar nicht geben kann. Das ist zwar richtig, trifft aber nicht den Punkt. Das Risiko ist nämlich damals nicht der Tsunami gewesen – der war nur eben die direkte Ursache – sondern das Versagen der Kühlung infolge totalen Stromausfalls. Diese Situation hätte sich in 2006 während eines Störfalls im Kernkraftwerk Forsmark fast realisiert, als die komplette äußere und Teile der internen Stromversorgung ausfielen. Wäre in dieser Situation noch mehr schief gelaufen, hätte eine ernste Situation in eine katastrophale umschlagen können.

Jeder Unfall ist eine Verkettung unglücklicher Umstände und jedes Szenario bildet einen Teil dieser Ereigniskette ab. Szenarien werden entwickelt, um zum richtigen Zeitpunkt und an der richtigen Stelle ins Geschehen einzugreifen, bevor sich der Unfall manifestiert.

Eine Frage drängt sich hier förmlich auf: Der Schutz gegen jeden nur denkbaren Schaden sollte das Idealziel sein. Warum bewertet man dann nicht alles mit der maximalen Stufe und ist immer auf der sicheren Seite?

Ein Teil der Antwort ist ganz einfach: Sicherheitstechnik kostet Geld. Da alle Maschinen zunächst mal gebaut werden, um ihrem Hersteller Profit und dem Benutzer Vorteile zu bringen, kommt dieser Punkt unweigerlich ins Spiel. Wenn eine Maschine zu teuer ist, verkauft sie sich nicht gut.

Es gibt aber noch zwei weitere, subtilere Gründe: Zunächst birgt jedes technische System selbst Risiken in sich, die sich über die Zeit auch materialisieren. So verursacht der Sicherheitsgurt im Auto oft selbst leichte Verletzungen und in manchen Fällen wird er sogar verantwortlich für den Tod eines Menschen sein, z.B. weil er nicht schnell genug herausgeholt werden konnte. Der zweite Grund ist die menschliche Neigung, Dinge nach Wichtigkeit zu kategorisieren, um den Überblick nicht zu verlieren. Es ist enorm wichtig, sich klar zu machen, dass das Schutzsystem selbst Nebenwirkungen hat. Wir werden diese Punkte im Teil 10 dieser Serie noch ausführlicher besprechen.

 


 

[1] Das ist z.B. ein Stück Sicherheit durch gutes Anlagendesign: Kühlkreisläufe regelt man im Rücklauf, damit das Kühlsystem immer voll Kühlflüssigkeit steht und so im Notfall als Wärmesenke wirkt. Heizungen, z.B. mit Dampf, regelt man immer im Vorlauf, damit im Notfall der Heizkreislauf komplett von der Wärmequelle getrennt werden kann.

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