In 2011 bebte im Pazifischen Ozean nahe der Küste Japans die Erde und löste einen gewaltigen Tsunami aus, der weitere Landstriche verwüstete und vermutlich über 20.000 Menschen das Leben kostete. Durch ungenügende Auslegung der Hochwasserschutzmauer und eine Ungünstige Anordnung der Notstromaggregate wurde durch den Tsunami die Nuklearkatastrophe von Fukushima ausgelöst, die der Naturkatastrophe mit ihrer gewaltigen Zerstörungskraft auch noch die menschliche Katastrophe der Evakuierung und weitgehenden wirtschaftlichen Stillegung einer ganzen Region hinzufügte (Von den weiteren Aspekten gar nicht zu reden. Dieses Fass ist für jetzt und hier aber zu groß und soll ein andermal aufgemacht werden).
Das sind alles Beispiele für Auslegungsüberschreitende Fälle. Sie gründeten in Naturkatastrophen, menschlichem Handeln oder technischem Versagen oder einer Kombination aus beidem. Menschliches Handeln teilte sich noch auf in Kontruktionsmängel bzw. schlecht umgesetzte Betriebsanweisungen und Fehlbedienungen bzw. Umgehen von Sicherheitsbestimmungen. In den meisten Fällen spielte alles irgdwie zusammen. Zufällige Ausfälle von Geräten, z.B. durch ungenügende Wartung, spielen zwar manchmal auch mit hinein, sind aber nie die entscheidende Ursache. Es sind krasse Beispiele die zeigen sollen, warum es so wichtig ist, Anlagensicherheit und Risikomanagement ernst zu nehmen.
Neben den körperlichen und dinglichen Schäden schlagen Unfälle im industriellen Umfeld aber auch seelische Wunden. Der Unfall vom 17. Oktober 2016 ging mir damals sehr nahe, weil 14 Tage später ein früherer Kollege von mir im Krankenhaus seinen Verletzungen erlegen war. Das hat mich damals ganz schön mitgenommen. Und dabei war ich ja eigentlich gar nicht involviert – ich bin kein Feuerwehrmann, war damals noch nicht beim Roten Kreuz, hatte die Unfallstelle nur von weitem gesehen und mit Christoph seit mehr als zehn Jahren keinen Kontakt mehr. Wie muss es da seiner Frau ergangen sein, seinem Vater oder den Angehörigen der anderen Opfer und den Überlebenden. Jeder, der sich im weitesten Sinne im Katastrophenschutz oder Rettungsdienst engagiert wird im Laufe seiner Karriere mindestens zu einem Einsatz gerufen werden, den er oder sie danach ein Leben lang nicht vergisst. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand, der am 17. Oktober 2016 im Landeshafen Nord vor Ort war, diesen Tag jemals vergessen kann.
Deswegen nehme ich das Thema Risiko sehr ernst. Das vermeidet Unfälle. Es lohnt sich, Unfälle zu vermeiden.
Der Super-Gau
Zum Abschluss noch ein Wort vom Rande: Speziell in der Kerntechnik nannte man den Auslegungsstörfall früher auch den GAU oder Größten Anzunehmenden Unfall. Das Schlüsselwort hier ist anzunehmenden, denn in der Tat ist der GAU nicht das Schlimmste, was der Anlage passieren, sondern “nur” das Schlimmste, was die Anlage beherrschen kann. Ja, Super-Gau ist in diesem Sinne ein richtiger Begiff und genau der richtige Ausdruck für die Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima, denn gegenüber dem Störfall/Unfall von Three Mile Island konnten diese Unfälle weder von den Anlagenfahrern noch von den Schutzsystemen (gilt nur für Fukushima – Außer Kraft setzen des Schutzsystems in Tschernobyl war gerade ein Grund, warum ein Standardtest zu einer nie dagewesenen Katastrophe werden konnte) beherrscht werden und sind nicht auf dem Werksgelände geblieben. Sie haben das Leben von jeweils über Hunderttausend Menschen völlig auf den Kopf gestellt und große Landstriche zwar nicht akut gefährlich, aber unbrauchbar für andauernde menschliche Besiedelung gemacht. Sie sind eben über die Auslegung der Anlagen hinaus gegangen und haben damit das Ausmaß des Störfalls den man früher GAU nannte, bei weitem überschritten. Die Vorsilbe super in ihrer ursprünglichen lateinischen Bedeutung sagt auch genau das, nämlich das etwas über den Gegenstand hinaus geht. Aber das nur nebenbei.
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