Am morgigen Dienstag, den 11. Dezember 2018 werde ich irgendwann am frühen Nachmittag auf einer Liege liegen und in die Flasche bluten. Davor und danach werden meine Kammeraden und ich den Blutspendedienst unterstützen, denn es wird mal wieder ein Blutspendetermin bei uns im Ort angeboten.
Ungefähr zur selben Zeit wird das britische Unterhaus über den Austrittsvertrag zwischen dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland und der Europäischen Union abgestimmt haben.
Zum jetzigen Zeitpunkt trennen uns noch etwas über 100 Tage vom 29. März 2019, dem Tag, an dem in Abwesenheit eines gemeinsamen Abkommens das VK aus der EU austritt. Die Abstimmung am Dienstag hat entscheidenden Einfluss auf die Modalitäten dieses Austritts. Denn die Zeit für Verhandlungen ist vorbei und so bleiben den Briten im Wesentlichen drei Möglichkeiten:
1. Der Austrittsvertrag wird angenommen. Das wäre dann der Brexit In Name Only. Unbefriedigend für Leave wie Remain, für die nächsten zwei Jahre de-facto die bedingungsarme Kapitulation des VK und möglicherweise der Start in eine weit über das 2022 (bis dahin ist die zunächst bis Ende 2020 festgeschriebene Transitionsperiode maximal verlängerbar) hinaus verlängerte Phase der Unsicherheit. Aber vernünftigerweise das beste, was man nehmen kann, will man keine richtige Krise riskieren.
2. Der Austrittsvertrag wird nicht angenommen. Das wäre dann fast sicher der ungeordnete Brexit. Der, den keiner will, außer den Radikalen, der aber immer die Standardlösung in Ermangelung eines Abkommens war. Das wird erst recht unbefriedigend für Remain und auch auf Seiten von Leave werden sich viele Menschen von der Regierung betrogen fühlen. Vor drei Jahren wurde immerhin noch vollmundig vom “einfachsten Deal der Welt” und “Sie brauchen uns dringender als wir sie!” geredet.
3. Das VK stoppt den Austrittsprozess nach Artikel 50 des Vertrages von Lissabon. Die britische Regierung beginge damit praktisch politischen Selbstmord, eine Unterhauswahl wäre wahrscheinlich und würde die Karten ganz neu Mischen, für die EU27 wäre das VK ein noch schwierigerer Partner als bisher, eine britische Dolchstoßlegende entstände fast zwangsläufig und das politische Klima im VK wäre nach innen wie außen auf Jahre hinaus vergiftet.
Mehr Möglichkeiten gibt es nicht. Die Zeit reicht nicht aus.
P.S.: Ich schreibe hier ja sowieso nicht übertrieben regelmäßig, aber im September dieses Jahres wurde ich Papa einer wundervollen kleinen Tochter und seitdem habe ich im Grunde überhaupt keine Zeit mehr für irgendwas anderes.
P.P.S.: Spende Blut. Rette Leben.
Update: Gestern Nachmittag hat Theresa May kurzfristig die Abstimmung verschoben. Ein genaues Datum wurde nicht genannt, allerdings ist der 21. Januar der spätest mögliche Termin, es kann also höchstens ein paar Wochen dauern.
Ein paar Wochen, in denen nichts passiert und sich nichts substantielles ändert. Im Guardian stand gestern, dass der Grund für die Verschiebung der Wunsch nach weiteren Zugeständnissen ist, dass der Backstop nienieniemalsnicht getriggert wird. Eingedenk der Tatsache, dass die EU-Verhandlungsführer in den letzten zwei Jahren solcherart Versuche stets haben verpuffen lassen und die klare Ansage kam, dass die Verhandlungen zu Ende seien, halte ich dieses Vorhaben für wenig erfolgversprechend.
Im Licht der Ereignisse wird sich auch zeigen, ob der EuGH seine erst gestern gefällte Entscheidung aufrecht erhält, dass das VK den Austrittsprozess ohne Zustimmung der EU27 abbrechen kann, denn eine wichtige Voraussetzung der Verhandlungen, in der Tat einer der erstgenannten Punkte in den Dokumenten, ist die Voraussetzung guten Willens auf allen Seiten. Ich bin kein Jurist, aber nach meiner Einschätzung als Laie hat die britische Regierung diese Voraussetzung gestern schwer beschädigt. Und das für so gut wie nichts.
Tja, wie sieht es nun aus: Die Britische Regierung hat an Glaubwürdigkeit verloren, hat öffentlich ihre innenpolitische Schwäche in alle Welt verkündet und wird im Endeffekt wieder einige Wochen verschwendet haben.
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