Neben der Preisgestaltung unterliegen PPA noch Nebenbedingungen. In der Jetztzeit, in der der Klimawandel immer deutlicher spürbar wird, ist CO2-Neutralität zum wichtigsten Merkmal neben dem Preis geworden. Gesetzliche Vorgaben einerseits und gesellschaftlicher Druck, sowie ein immer größeres Bewusstsein bei den Entscheidern für den Ernst der Lage andererseits zwingen Unternehmen dazu, ihren CO2-Fußabdruck zu optimieren. Elektrische Energie ist eine große Stellschraube und verhältnismäßig einfach zu beeinflussen, wenn die Möglichekeiten dazu gegeben sind.
Und damit schlagen wir den Bogen zu den PPA, die Amazon, Google und Microsoft mit den jeweiligen Versorgen geschlossen haben. Wie alle Verträge sind PPA juristische Fachtexte. Juristerei hat viel mit Logik zu tun und Logik nichts mit dem sogenannten gesunden Menschenverstand. Logik heißt Wenn-Dann-Beziehung. Der Wortlaut eines Vertrages folgt dieser Interpretation. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Zur Verdeutlichung betrachten wir wieder ein Beispiel.
Greifen wir uns willkürlich Google und Kairos Power raus, weil ich dazu schon was geschrieben habe und diskutieren, was das heißt. Die Meldung besagt, Google investiert in Small Modular Reactors zur Versorgung ihrer Rechenzentren, aber ist das auch wirklich so? Google und Kairos haben ein Power Purchase Agreement. Google als Kunde wird nicht das Risiko des Bauherrn Kairos übernehmen, on-time und on-budget sein Kraftwerk zu bauen. Zumahl Kairos noch nicht bewiesen hat, dass ihr Kraftwerk den Anforderungen entspricht. Und umsomehr als Kairos anscheinend schon jetzt mindestens 1 Jahr hinter dem selbstgesteckten Zeitplan liegt.
Google kauft per PPA (CO2-neutrale) elektrische Leistung in einer gewissen Höhe zu einem gewissen Preis über einen gewissen Zeitraum. Und das war’s. Wie Kairos die Leistung bereitstellt, wo sie herkommt, ob und wie viel sie daran verdienen kann Google ziemlich egal sein.
Dass Kairos die Leistung mit ihrem SMR bereitstellen möchte und das so plant ist klar. Im Vertrag steht dazu auch mit Sicherheit ein Passus. Nur hat der, wenn es hart auf hart kommt, nicht viel Wert. So lange alles passt und die Anlage rechtzeitig fertig wird, stabil läuft und 20 Jahre kostendeckend arbeitet, ist auch alles gut, aber Verträge schließt man nicht zuletzt, damit alle Beteiligten wissen was passiert, wenn es nicht mehr passt und dann zählen nicht Intentionen, sondern harte Vereinbarungen. PPA sind entstanden, damit Kunde und Versorger sich das Risiko aufteilen können. Der Kunde trägt das kaufmännische Risiko, sich langfristig an den Versorger zu binden und einen gewissen Preis zu bezahlen, auch wenn die Erwartungen an den Markt sich als falsch herausstellen und er die Leistung ohne PPA hätte günstiger bekommen können. Der Versorger trägt das unternehmerische Risiko, die Leistung unter den gleichen Rahmenbedingungen mit Gewinn zu beschaffen und an den Kunden zu verkaufen. Unabhängig davon, ob er die Rolle des Händlers einnimmt und Leistung an- und verkauft oder die des Erzeugers und sie mit eigenen Anlagen selbst generiert. Entscheidet er sich für letzteres, übernimmt er zusätzlich das unternehmerische Risiko des Bauherrn und Betreibers einer Anlage. Das ist der Knackpunkt und aus der Sicht von Google ein ganz wesentlicher Punkt, warum PPA attraktiv sind. Risikomanagement. Ein PPA schließt man nicht, wenn man eine physikalische Anlage kauft. Dafür gibt es andere Verträge.
Das ist eine Sache, die man im Hinterkopf behalten sollte, wenn man die Meldungen über Tech-Konzerne, die in Unternehmen aus der Kernenergie-Branche investieren ließt. Eine andere sind die Töpfe, aus denen Kairos Power und alle anderen die Mittel schöpfen. Alle SMR-Entwickler finanzieren sich durch Risiko-Kapital und staatliche Förderung. Keiner finanziert sich durch ein fertiges Produkt. Zurzeit herrscht Aufbruchstimmung und Kapitalgeber aus der Industrie lassen sich finden, aber die Branche muss erst noch beweisen, dass sie die Erwartungen erfüllen kann. Kairos Power wird mit mindestens 303 Millionen USD staatlich gefördert. TerraPower, Bill Gates’ Unternehmen, für das Project in Wyoming mit 2 Milliarden. Das muss nicht falsch sein – Anschubfinanzierung ist schon in Ordnung, aber irgendwann muss die Branche liefern und an dieser Stelle bin ich nach wie vor skeptisch. Gleiches wie für SMR-Entwickler gilt für die Betreiber großer Anlagen. Um die Verträge mit Microsoft zu erfüllen will Constellation Energy das Kernkraftwerk TMI-1 (Block 2 desselben Kraftwerks ist für den Unfall von 1979 bekannt) reaktivieren. Eine Anlage von 1974, die 2019 stillgelegt wurde, weil sie nicht mehr kostendeckend gegenüber dem durch Erdgaskraftwerke dominierten Marktpreis war. Auch jetzt scheint ein Neustart nur möglich, wenn die Investition durch Geld aus dem Inflation Reduction Act gefördert wird. So ist im März 2024 das stillgelegte Kernkraftwerk Palisades Nuclear Power Plant in Michigan mit 1,5 Milliarden USD gefördert worden, um den Neustart möglich zu machen.
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