Die europäischen Energiemärkte sind alle weitestgehend liberalisiert, das heißt der Staat setzt größtenteils Leitplanken und tritt nur in seltenen Fällen als Unternehmer auf. Es gibt keine garantierten Monopole mehr, keine garantierten Versorgungsgebiete, keine vertikal integrierten EVU, die alles von der Erzeugung über den Transport bis zur Nutzung elektrischer Energie übernehmen, sondern getrennte Entitäten für Netzbetrieb, Vertrieb, Erzeugung, die sich gegenseitig ihre Leistungen verkaufen, gegenseitig gegen Risiken absichern und allesamt Gewinne erwirtschaften müssen. Das klingt vielleicht negativ, ist aber erst mal ganz normales Wirtschaften und führt unterm Strich in der Regel zu effizienteren Systemen. Es bedeutet aber auch, dass die handelnden Menschen stärker in persönlicher Verantwortung stehen, dass der Zeithorizont für die Amortisierung einer Anlage kürzer sein muss, weil plötzlich Shareholder auf dem Plan stehen, die Gewinn sehen wollen, dass Banken sich gegen den Ausfall von Krediten besser absichern müssen, dass die politischen Hebel kürzer, dafür die Versicherungsprämien höher sind, usw. Die Privatwirtschaft in einem freien Markt kann super Waren und Dienstleistungen zu günstigen Preisen in hoher Qualität bereitstellen. Besser als alle anderen Wirtschaftsformen in der menschlichen Geschichte es je konnten. Für Infrastruktur gilt das nicht nicht, aber eben nur bedingt.
Weil dem so ist, gibt es auch keine rein privatwirtschaftlich finanzierten Projekte für Kernkraftwerke. Auf keiner Skala, in keinem Sektor, in keinem Land. Nirgendwo. Nicht nur in Deutschland, sondern überall, ob die Energiemärkte liberalisiert wurden oder nicht. Ob groß, ob klein, Kerntechnik geht nur mit dem Staat.
Das Marktumfeld
Kostentechnisch ist die Kernenergie in einer ähnlichen Situation, wie vor 20 Jahren Wind und Sonne, aber während sich deren Kosten – und insbesondere die von Photovoltaik – dramatisch nach unten entwickelt haben, steigen die Kosten der Kernenergie mit den Jahren.
Das spiegelt zum Beispiel die Entwicklung des EEG-Kontos wider. In einfachen Worten ist es der Saldo der Differenzkosten zwischen der insgesamt gezahlten Einspeisevergütung auf der Einnahmen- und der vermiedenen Netzentgelte und erzielten Börsenpreise auf der anderen Seite. Die Kosten werden praktisch nur durch die auf 20 Jahre festgeschriebenen Einspeisevergütung von PV-Anlagen dominiert. Anlagen, die in 2005 in Betrieb gegangen sind, erhielten rund 500 €/MWh und bis 2009 rund 400 €/MWh; viel mehr als der damalige Börsenpreis von etwa 50 €/MWh. Schon 2012 lag die Vergütung aber bei höchstens 240 €/MWh und 2015 bei 120 €/MWh. Seit 2020 liegt sie bei etwa 82 €/MWh und damit dort, wo der mittlere Börsenpreis liegt. Das EEG-Konto hatte 2019 noch 24 Milliarden € Differenzbetrag, 2020 im Coronajahr sogar 31 Milliarden (aber das ist nicht ganz fair, weil in der Wirtschaftskrise die Erzeugung europaweit ungewöhnlich niedrig war); 2021 waren es 21 Milliarden, 2024 18 Milliarden (2022 waren es 13 Milliarden, aber das ist auch nicht ganz fair, weil fossile Energie in diesem Jahr ungewöhnlich teuer war). Tendenz weiter fallend. Vor allem, da die Förderung der teuren Anlagen aus den 2000ern in den nächsten Jahren ausläuft. Sind die erst aus dem Spiel, ist das Thema im Grunde durch. Auch wenn die Preise für PV-Module durch Abbau von Überkapazitäten und Marktkonsolidierung in China in den nächsten Jahren wieder leicht anziehen dürften, werden sie vermutlich nie wieder ähnliche Niveaus erreichen, wie noch vor fünf Jahren und damit die Stromgestehungskosten von Photovoltaik selbst in Deutschland auf Marktniveau liegen.
Windenergie auf der anderen Seite wurde schon seit vielen Jahren vor allem im Marktprämienmodell gefördert und schon seit einigen Jahren werden die großen Projekte ganz ohne Förderung realisiert. Allein die gegenwärtig im Bau befindlichen Offshore-Windparks Deutschlands werden bis 2027 etwa 2,6 GW Leistung ans Netz bringen, wenn die bisher genehmigten Projekte realisiert werden, diese bis 2030 noch mal rund 5 GW. In fünf Jahren kann noch viel beantragt und genehmigt werden. On-Shore sieht es ähnlich aus. 2019 waren etwa 54 GW installiert, 2024 fast 64 GW. Diese Zahlen sind nicht ganz vergleichbar, weil off-Shore-Windparks 2 bis 3 Mal so viele Volllaststunden leisten können, aber man sieht, wohin die Reise grundsätzlich geht. Insbesondere, nachdem Deutschland die Erneuerbare-Energien-Richtlinie (EU) 2023/2413 (RED III) in nationales Recht überführt und damit die Genehmigungsverfahren massiv beschleunigt hat.
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