Ihrer Natur nach sind Wind und Sonne als Einspeiser volatil und damit technisch schwieriger einzubinden als große Wärmekraftwerke. Sie verursachen mehr Kosten durch Eingriffe in die Netzführung der Übertragungsnetze. Auf der anderen Seite sind sie breiter in der Fläche verteilt und entlasten damit die Betriebsmittel auf allen Netzebenen. Die Bundesnetzagentur hat diese beiden gegenläufigen Effekte seit 2005 in die Berechnung der EEG-Umlage als “vermiedene Netzentgelte” einbezogen, also scheinen die Vorteile die Nachteile zu überwiegen. Ich nenne sie volatil und nicht zufällig, weil es einen subtilen Unterschied gibt, den ich durch ein kleines Beispiel verdeutlichen will:
Angenommen, wir haben einen idealen, sechseitigen Würfel, den wir in festgelegten Zeitabständen werfen und ansonsten liegen lassen. Dann können wir nach langer Zeit sagen, dass jede Seite ziemlich genau 1/6 der Zeit oben liegt, wir können aber nicht für den Würfelwurf an sich vorhersagen, wie er ausgehen wird. Das ist die Natur des Zufalls. Hätten wir einen Mechanismus, der vorhersagt, wann der Würfel ein bestimmtes Ergebnis zeigt, könnten wir auch auf kürzeren Zeitskalen vorhersagen, welche Seite erwartungsgemäß oben liegen wird. Einen solchen Mechanismus gibt es in gewisser Weise für Wind und Sonne in Form guter Wetterdaten.
Wind und Sonne können sowohl sehr langfristig (Die Erträge über die Laufzeit lassen sich gut abschätzen und auf dieser Basis werden Investitionsentscheidungen getroffen), als auch kurzfristig (mit modernen Wetterdaten ist die Einspeisung der nächsten Stunden bis wenige Tage sehr gut vorhersagbar) gut kalkuliert werden. Schwierig sind die mittleren Zeiträume: Mehrere Tage bis Wochen. Bei steigendem Anteil volatiler Einspeiser sind das die Zeiträume, die entweder durch eine Form von Energiespeichern und/oder Kraftwerke abgedeckt werden müssen, die mit relativ wenigen Vollaststunden pro Jahr kostendeckend arbeiten können. Elektrische Energie hat die Eigenschaft, dass Erzeugung und Verbrauch stets im Gleichgewicht sein müssen, d.h. für die Zeiten, in denen kein Wind weht und keine Sonne scheint, muss die Leistung durch andere Erzeuger bereitgestellt werden. Das betrifft so planbare Ereignisse wie Tag und Nacht, kurzfristige Schlecht- und Schönwetterfronten als auch supersonnige Sommer, wahnsinnig windige Winter und 14 Tage Dunkelflaute, in denen überhaupt nichts geht. Es wird immer Einspeiser geben müssen, die flexibel genug sind, die Lücken zu füllen als auch günstig genug in Bau und Unterhalt, um mit relativ wenigen Volllaststunden übers Jahr kostendeckend arbeiten zu können.
Gaskraftwerke scheinen dafür eine geeignete Wahl und deswegen wird darüber auch immer wieder geredet. Insbesondere im Zusammenspiel mit Wasserelektrolyse und Methanisierung, denn für die Speicherung großer Mengen Methan eignet sich die vorhandene Erdgas-Infrastruktur. Eingedenk der Entwicklungen in der Batterietechnik, die gerade Anstalten macht, die Erfolgsgeschichte der Photovoltaik zu wiederholen, könnten aber auch Batteriespeicher ein Baustein sein. Zurzeit sind die noch winzig, aber das war PV vor 25 Jahren auch. An Seltenen Erden wird’s nicht scheitern und im Zuge der chinesischen Strategie zu E-Mobilität und Führerschaft bei Energiesystem würde mich nicht wundern, wenn die Technologie dort in den nächsten Jahren auch abseits des E-Autos und Heimspeichers richtig boomt. Andere Entwicklungen, wie der Natrium-Ionen-Akku stehen vielleicht gerade an der Schwelle zur großtechnischen Umsetzung (und falls sie im Großen einigermaßen so funktionieren, wie in den Versuchsanlagen, wäre der Ressourcenbedarf kein Thema mehr). Ich erwarte zwar nicht gerade die Wunderbatterie, die alle Probleme löst, aber den ganz normalen Prozess industrieller Massenfertigung. In diesem Zusammenhang ist z.B. auch die Insolvenz von Northvolt ärgerlich, aber kein Beinbruch. Firmen scheitern, das kommt vor. Dafür treten andere an die Stelle. Huzzah for free markets!
Wie auch immer am Ende das Energiesystem der Zukunft aussieht, weisst vieles darauf hin, dass es prinzipiell von volatilen Erzeugern und Speichern bzw. kurz laufenden Kraftwerken dominiert werden wird. Die Grundkalkulation dieses Umfelds verlangt nach Einspeisern, die günstig in Bau und Unterhalt sind, damit ihre hohen Betriebskosten bei Vollast ausgeglichen werden. Kernkraftwerke, bei denen ein Großteil der Stromgestehungskosten durch die Baukosten beigetragen wird, sind in einem solchen Marktumfeld schlecht aufgestellt, weil sie lange Volllast laufen müssen, damit sie sich überhaupt rechnen. Auch wenn eine gewisse Lastfolgefähigkeit schon in der Vergangenheit vorgesehen wurde und bei neueren Anlagen in weit größerem Maß berücksichtigt sein dürfte (ich kenne keine belastbaren Daten, aber die Entwicklung steht ja nicht still, deshalb setze ich das voraus), sagt die technische Machbarkeit noch nichts darüber aus, ob sich eine so betriebene Anlage rechnet.
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