Im Fall unseres Wohnbauforschungsprojektes ging es um ein Ausloten des Feldes mit dem Ziel festzulegen welche Case Studies, d.h. welche Wohnbauten in Wien, wir auswählen. Die jeweiligen Fälle stehen stellvertretend für gewisse Perspektiven und Konstellationen. Wie die Auswahl getroffen wurde, wird dokumentiert und ist ein wichtiger Teil der Forschungsergebnisse.
Validierung durch Transkripte: Immer wieder ist es spannend zu sehen welche verschobene Erinnerung man selbst an Gespräche oder Situationen hat. Statements über den Umgang mit Augenzeugenberichten sind dafür eine gute Illustration. Von ein und demselben Vorgang haben unterschiedliche Menschen meist komplett unterschiedliche Wahrnehmungen. Wir merken uns die Dinge, die uns wichtig sind, was uns eingängig erscheint, was in unser Wissen passt – daher auch die Abhandlungen mit den Schiffen zu Beginn des Blogs: Teil 1 und Teil 2. Ähnlich ist es mit Daten aus Interviews und ähnlichem. Halte ich ein Transkript eines Interviews in der Hand das einige Wochen zurückliegt, wundere ich mich regelmäßig woran ich mich erinnere und woran nicht. Besonders greifbar wird das im Gespräch mit meinem Kollegen. Bedingt durch unsere stark unterschiedliche berufliche Sozialisierung, schauen wir auf komplett unterschiedliche Dinge, unsere Erinnerungen divergieren dementsprechend stark. Transkription ist deshalb das Um und Auf einer jeden derartigen Forschung mit wissenschaftlichem Anspruch. Diese sind die objektivierbare Verschriftlichung der jeweiligen Gespräche und als Auswertungsbasis unumgänglich. (Und natürlich ist schon diese Form der Verschriftlichung auch eine Determinierung des Gegenstandes, dazu gibt es unzählige Abhandlungen und Auseinandersetzungen siehe z.B. ‘Ethnografisches Schreiben‘ von Stefan Hirschauer)
Validierung während der Auswertung: Derzeit arbeite ich hauptsächlich mit Grounded Theory, habe aber auch stark von der dokumentarischen Methode profitiert. Gemeinsam ist allen interpretativen Verfahren das – nona 😉 – Interpretieren. Der tatsächliche Vorgang wie dies geschieht, wird meist in Workshops und Seminaren vermittelt. Eine Form von ‚learning‘ die am besten im ‚doing‘ und durch mitmachen und abschauen passiert. Ich werde versuchen hier das, was ich in den vergangenen Monaten unzählige Male in kleinen Workshops gemacht habe, zu verschriftlichen. In den meisten Büchern findet sich dieses Wissen eher implizit, was das Erlernen aus der Literatur eher erschwert.
Eine meiner StudentInnen hat das vor einigen Wochen nach so einem kurzen Workshop gut auf den Punkt gebracht und sinngemäß gesagt: Es geht also darum das zu erfassen was zwischen den Zeilen steht. Das herauszuarbeiten was den Leuten während des Redens gar nicht bewusst ist.
Genau darum geht es. Es ist ein sich in die Position der jeweiligen GesprächspartnerInnen hineinzuversetzen, deren Sinnzusammenhänge zu verstehen und die Welt ein stückweit durch deren Augen zu betrachten und zu rekonstruieren. Und dieses Rekonstruieren geschieht aus vielen unterschiedlichen Perspektiven, um das Gesamte zu erfassen – deshalb am Anfang des Textes der starke Fokus auf Feldzugang und Sampling.
Ausgegangen wird von einem ausgewählten Text. Insbesondere anfangs wird sehr genau und akribisch analysiert. Einige Leitfragen sind dabei hilfreich und leiten durch die Analyse. Einerseits natürlich die Forschungsfragen des eigentlichen Forschungsinteresses, andererseits geht es darum herauszufinden was in dem Satz/Abschnitt drin steckt. Worum geht es darin? Was hängt damit zusammen (Bedingungen)? Wie gehen AkteurInnen damit um? Was genau für Konzeptualisierungen stecken in diesem Abschnitt? Das Interpretieren wirft Thesen und generative Fragen auf. Das alles wird verschriftlicht und in Memos festgehalten. So entstehen aus einem relativen kurzen Abschnitt viele verschiedene Memos mit beinhalteten Fragestellungen und Thesen, die es an weiterem Material zu validieren gilt. Früher wurde das mit Papier und Stift gemacht, herumgeschnipselt und sortiert, heute ist das zum Glück in der Form nicht mehr nötig. Das Programm Atlas.ti hilft dabei die Datensätze zu verwalten und bietet vielfältige Möglichkeiten an zu strukturieren. Was aber wichtig ist, und leider oft missverstanden wird: Das Programm gibt keine Art zu arbeiten vor. Es ist vielmehr eine Datenbank in der selbstgewählt Relationen gesetzt werden können, kurze Texte abgespeichert werden können (=Memos), Sortierungen vorgenommen werden können und vor allem aber auch Textstellen wiedergefunden werden können, da Codes für gewisse Textstellen oder auch Memos vergeben werden. Und es kann noch wesentlich mehr, nämlich auch mit Hypothesen umgehen, d.h. Thesen die während des Interpretierens aufkommen anhand des Materials zu überprüfen.
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