Das Wichtigste aber ist sich nicht den vielfältigen Möglichkeiten des Strukturierens und Codierens hinzugeben, sondern am Interpretieren zu bleiben. Das war einer meiner wichtigsten Lernschritte. Ursprünglich komme ich nämlich ganz und gar nicht aus einem interpretativen Paradigma, sondern habe viele Jahre quantitative Auswertungen und reduktive Inhaltsanalysen gemacht. Also das üblicherweise gelehrte Paradigma meiner Herkunftsdisziplin ausgeübt, auch wenn mich das andere immer schon gereizt hat.

Validierung in Gruppen: Interpretationen in Gruppen bringen eine zusätzliche Validität in das Auswerten von Daten. Durch die unterschiedlichen Perspektiven der handelnden Personen wird die Interpretation zusätzlich validiert, deshalb setzen interpretative Forschungsprojekte meistens auf Gruppen die gemeinsam Textstellen auseinandernehmen und analysieren. Von Oevermann (objektive Hermeutik) gibts die Anekdote, dass er regelmäßig Leute von der Straße ins Institut für Sozialwissenschaften holte und zu Interpretationsgruppen einlud.

Ein kleines Beispiel wie eine Interpretation aussehen kann, findet sich im Artikel ‘Interpretation revisited – ein Beispiel eines Interpretationsvorgangs‘.


[1] FWF Projekt ‘Modes of Design‘.

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Kommentare (8)

  1. #1 Olaf aus HH
    Hamburg-Altona ("all zu nah")
    September 29, 2012

    Hallo Frau Schaffar !

    Für mich als (ehemaligen) Juristen ist es sehr aufschlußreich zu lesen, wie andere interessantere und wohl bzw. hoffentlich lebensnähere Disziplinen arbeiten, sich Sachverhalte erschließen und sie werten.
    Vielen Dank dafür.
    Für alle Wissenschaftsbereiche gilt wohl generell Goethe: “Die Wirklichkeit reicht so weit, wie der Geist begreift.” oder (sinngemäß): “Was nützt denn schon der Stein des Weisen, wenn dem Stein der Weise fehlt.” Bei vielen Juristen scheint es da zu mangeln…
    Insofern dürfte Transzendenz über die Grenzen dessen, was geklärt werden soll, hinaus unerläßlich sein. Ich meine damit, daß man wohl immer wird mehr erforschen, aufklären und erkennen bzw. vor allem verstehen müssen, als man am Ende tatsächlich für ein Projekt/ eine Arbeit o. ä. braucht.
    Die Krux bzw. auch der Segen menschlicher Erkenntnis dürfte wohl die Tatsache sein, daß jede Antwort neue Fragen aufwirft.
    Ad infinitum ad emesis. 😉
    Gern werde ich jedenfalls hier auf Scienceblog weiterlesen.
    (Follte ich Blödfinn gefrieben haben, fo bitte ich um etwaf Nachficht, bin fur Feit heftig verfnupft und habe etwaf Watte im Kopf…)

  2. #2 Dr. Webbaer
    Erde
    September 29, 2012

    Das Wichtigste aber ist sich nicht den vielfältigen Möglichkeiten des Strukturierens und Codierens hinzugeben, sondern am Interpretieren zu bleiben. Das war einer meiner wichtigsten Lernschritte. Ursprünglich komme ich nämlich ganz und gar nicht aus einem interpretativen Paradigma, sondern habe viele Jahre quantitative Auswertungen und reduktive Inhaltsanalysen gemacht. Also das üblicherweise gelehrte Paradigma meiner Herkunftsdisziplin ausgeübt, auch wenn mich das andere immer schon gereizt hat.

    Wenn’s nicht so traurig wäre, könnte man…

    Ansonsten, die werte Inhaltegeberin scheint ja vglw. fit; der alte Webbaer, der auch schon die Existentialisten zK nehmen durfte, und sich schon vor 40 Jahren wunderte, will da ja gar nicht – in Anbetracht von Butler (“Gender”), Stefanowitsch (“Linke Bremer Sichten”) und den sog. Vorurteilsforschern besonders nachlegen.

    MFG
    Wb

  3. #3 Andrea Schaffar
    September 30, 2012

    @Olaf aus HH: Ihr Kommentar freut mich sehr und genau deshalb schreibe ich auch hier. Ich möchte gern die Arbeitsweisen und Ansätze in dem wissenschaftlichen Eck in dem ich tätig bin transparenter machen. Leider passiert das viel zu wenig.

    @Dr. Webbaer:

    Ansonsten, die werte Inhaltegeberin scheint ja vglw. fit;

    Ist dies aus Ihrem Mund schon fast so etwas wie ein Kompliment?

    Beste Grüße, A. Schaffar

  4. #4 JaCobi
    Oktober 22, 2012

    Interessanter Artikel, verehrte Andrea Schaffar,

    auch wenn ich zu ihrer Feststellung der Wichtigerstellung des Interpretierens und gleichzeitiger Abwertung des Strukturierens und Codierens anderer Meinung bin.

    Der Evolution gelangen die atemberaubendsten Erscheinungsformen in den fantastischsten Hierarchiekomplexen mit machtvollen Komponenten, die ihr Dasein in der jeweiligen Form ausschließlich mit einer einfachen “Mechanik” über ein genial einfaches “Programm” erreichten und damit herrliche Strukturen vorgaben und ausfüllen.

    Das gesamte Wissen der Menschheit ist ein hochinterpretatives Paradigma, ein unheimlich destruktives, das nach einem Paradigmenwechsel schreit. Es sei denn, wir akzeptieren aufgrund unserer Unfähigkeit, uns mit den Grundlagen der Schöpfung zu beschäftigen, das grausamste Jahrhundert der Menschheitsgeschichte zu übertrumpfen. Das liegt gerade mal 12 Jahre hinter uns.

    Denkfehlergesteuerte Interpretationen verhindern Gerechtigkeit und dadurch Zufriedenheit im weitesten Sinne für alle Erscheinungsformen. Es gibt viel zu viele scheinreduktive Analysen mit vielen Begünstigten, vornehmlich von Juristen Begünstigte, die “gerecht” mit “angemessen, fair” gleichsetzen, auch wenn sie das philosophisch verschwurbeln. “Weiß” mit “nicht schwarz” erklären, ist intelligenter.

  5. #5 German JaCobi
    Oktober 25, 2012

    Sehr verehrte Andrea Schaffar, mir ist bewußt, daß einige meiner Gedanken anderen etwas unwirklich erscheinen, vielleicht auch verwirren. Das liegt daran, daß ich mich seit vielen Jahren wie kaum ein anderer mit den Wissensbereichen Kommunikation und Recht auseinander gesetzt habe. So intensiv, daß ich auch mal den Kommunikationsexperten Werner Stangl nach dem Zweck der Kommunikation fragen konnte, leider aber keine befriedigende Antwort erhielt. Aus vielen solcher Erfahrungen entstand dann auch sowas: https://www.interessen-management.de/denkste.html

    Da Sie meinen Erkenntnissen sehr nahe sind, wäre nett, Sie würden wenigstens ein bißchen reagieren. Wir haben unser Hirn vor allem benutzt, um das wichtigste Wissen zum friedlichen Organisieren großer Menschenhäufen zu verdrängen. Danke!

  6. #6 Andrea Schaffar
    Oktober 25, 2012

    Sry ich hatte in den letzten Tagen so viel um die Ohren, dass ich nicht mal dazu kam meinen Rechner zu starten. Am Handy ist freigeben einfach, aber Kommentare tippen etwas mühseelig. 😉

    Ich spreche mich in meinen Artikeln nicht gegen Codier- und Strukturierungsprozesse aus. Die sind Teil des Ganzen, worums mir ging ist Interpretationsvorgänge transparent zu machen, weil diese in der Literatur und oft auch im tatsächlichen Doing zu kurz kommen. Qualitative und dabei insbesondere interpretative Arbeit wird dadurch meines erachtens greifbar(er) und es wird auch ihr Wert damit nachvollziehbarer. Hatten auf der TU in einer Besprechung mit KollegInnen von der Architektur heute Vormittag eine Diskussion darüber, wo die Unterschiede zwischen persönlicher Wahrnehmung und darauf folgender Reflexion (so wie vieles im Bereich der Architektur “erforscht” wird) und einem sozialwissenschaftlichen Prozess bei dem transkribiert wird und unterschiedliche Perspektivierung im Rahmen des Interpretationsprozesses angelegt wird. Ich finds mehr als schwierig, dass es unzählige Projekte gibt die sich mit dem Label “interpretativ” schmücken und in Wahrheit aber reduktiv vorgehen.

    Natürlich ist alles und jedes ein “hochinterpretatives Paradigma”, wie Sie schreiben. Worum es geht ist, dass die Prozesse validiert werden, im Idealfall intersubjektiv, dass sie nachvollziehbar sind, d.h. reliabel (auch wenn das im sozialwissenschaftlichen etwas ganz anderes bedeutet, da soziale Situationen nie eindeutig wiederholbar sind) und dass auf Perspektiven und Relationen geachtet wird (Ansprüche an Objektivität, die im Fall des interpretativen Forschens eben meint die eigene subjektive Perspektive zu verlassen bzw. zu reflektieren und in die Forschung einzubeziehen, also transparent zu machen.)

    Hoffe das ist Antwort genug, wenn Sie eine konkrete Frage haben: Bitte gerne. lg A. Schaffar

  7. #7 German JaCobi
    Oktober 25, 2012

    Danke für ihre Ausführlichkeit mit danach erfolgter Revision meiner “übermäßigen” Interpretation.

    Ist es nicht etwas mühsam, auf Perspektiven und Relationen zu achten, wenn das gemeinsame Ziel nur ungefähr bekannt ist und jede r einen anderen Weg für den richtigen hält? Das ist für mich etwa wie ein Bemühen darum, einen David aus einem Marmorblock zu hauen und sich dabei nur auf die herumfliegenden Teile zu konzentrieren, weil man keine Ahnung hat, wie David in seiner Vollendung aussehen muß. Hier eine etwas ausführlichere Erklärung zu all den wundervollen Dingen, die wir damit mißlingen lassen und wie das durch mächtige Interessen unterstützt wird: https://www.interessen-management.de/rolf-dobelli.html

    Unser mehr oder weniger perspektivloses Herumtorkeln mit wenig Sinn für Relationen findet überall statt, weil wir verdrängen, daß es ausschließlich um Wohlgefühle im weitesten Sinne geht, die ausschließlich über Unwohlgefühle i. w. S. wahrnehmbar werden. Das Höhere, an das so viele glauben, ergibt sich aus unseren gemeinsamen Bemühungen dazu, weil wir uns mit unserem bißchen mehr Hirn vieles einbilden können, was nicht den Tatsachen entspricht, und weil wir Gedächtnis entwickeln konnten. Beides zwingt uns zu Mehr.

    Das Zuviel dabei zugunsten des einen und zum Nachteil des anderen läßt sich in den Griff bekommen, zufriedenstellend für alle, wenn man das weiß und in seine Alltäglichkeiten integriert. – Können Sie was damit anfangen? Ich hoffe. Auch liebe Grüße!

  8. #8 German JaCobi
    November 8, 2012

    Hätten die vielen gestressten Menschen genug Zeit, ihre stumpfen Sägen auszuwechseln, mit denen sie sich ihre Äste absägen, auf denen sie sitzen, ginge alles noch schneller. Was ein Glück, daß die Zeitspanne des Wartens mit Hoffnungen gefüllt werden kann … Zumal in 10 Jahren schon Nanoroboter in uns herumflitzen könnten und unsere Lebenszeit nochmal um ein ansehnliches Stück verlängern … Das werden die dann aber sicherlich nur in jenen tun, die nur ein bißchen pfeifen müssen, damit viel Ritscheratsche von den Bäumen fällt …