Unleserlichkeit als Störung von Gewohnheiten: Das Argument der Unleserlichkeit bzw. der Störung des Textflusses finde ich, zugegeben, amüsant. Deshalb weil mir im Gegenzug Texte aufstoßen, die rein männliche Benennungen enthalten. Klar stören andere Schreibweisen den gewohnten Lesefluss, ich ärgere mich ja auch wenn in einem Fach mit 70-80 % Studentinnen, wie der Kommunikationswissenschaft, zusammenfassend von Studenten geschrieben wird. Das wird der Realität nicht gerecht. Warum aber ist das okay, nicht aber das Umgekehrte? Ist die Gewohnheit bzw. das ‚Normale‘ so viel mehr wert als eine Irritation der Gewohnheiten, die nach kurzer Zeit in die Normalität übergeht?
Ein bisschen etwas zum Nachdenken aus sozialwissenschaftlicher Sicht: Genervt sein, kann als Ausdruck interpretiert werden in den eigenen – subliminalen – Machtzuordnungen gestört zu werden. Lässt also die Frage zu: Wer ist denn eigentlich genervt? Woher kommt das Genervt-sein? Was genau soll mit dem Abblocken von Veränderung bewahrt werden?
Das wahrlich Nervige an den Debatten, ganz subjektiv gesprochen, ist der missionarische Eifer den manche AkteurInnen aus beiden Lagern an den Tag legen. Letztendlich ist es, wie so vieles, eine politische bzw. ideologische Entscheidung der Einzelnen im Anschluss an einen Erkenntnisprozess: Fakt ist, etwas polemisierend gesagt, die Welt ist ungerecht und unfair. Sprache als eines ihrer Ausdrucksmittel ist dies auch. Die Praktiken unseres Alltags, und wie wir diese leben, sind die tagtägliche Antwort darauf: Wer der Meinung ist – und argumentieren kann, denn ein „weil es immer so war“ ist kein Argument – die Verhältnisse sind in Ordnung und Sprache soll sich so weiterentwickeln wie sie es immer tat, soll weiterhin das generische Maskulinum verwenden. Von mir bekommt deshalb niemand, im wortwörtlichen wie im übertragenen Sinn, eine schlechtere Note. Wer der Meinung ist, Sprache als Ausdruckform soll auch ein Mittel zur Veränderung sein, soll geschlechtergerechte Sprache nutzen. Das ewige Aufregen aber, sehe ich als reine Symptombekämpfung, die der Ursache nur gerecht wird.
So möge das Bashen nun beginnen. Es ist bei diesem Thema absehbar…
Links ohne jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit:
Doleschal, Ursula: Das generische Maskulinum im Deutschen. Ein historischer Spaziergang durch die deutsche Grammatikschreibung von der Renaissance bis zur Postmoderne. In: Linguistik Online 11, 2/02. Url: https://www.linguistik-online.de/11_02/doleschal.html (abgerufen 6.12.2012)
Ebenfeld, Melanie; Köhnen, Manfred: Gleichstellungspolitik kontrovers. Eine Argumentationshilfe. Expertise im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung. Url: https://library.fes.de/pdf-files/wiso/07877.pdf (abgerufen 6.12.2012)
Und zwei Links zu Blogbeiträgen, einer davon hier auf Scienceblogs.de:
Gibt es ein generisches Maskulinum? und Frauen natürlich ausgenommen
Kommentare (225)