Zugegeben: Das Thema finde ich müßig. Sicherlich aber aus anderen Gründen als jene, die geschlechtergerechte Schreibe vielerorts kritisieren. In den Kommentaren eines meiner letzten Blogpostings wurde dies höflich, aber doch, kritisiert: „Aber auf die Gefahr, als Macho wahrgenommen zu werden: es stört (bestimmt nicht nur) mich, dass ständig von …Innen die Rede ist. Die deutsche Sprache ist nun mal historisch so gewachsen, da wirkt die Innen-Keule idiotisch. Hoffentlich ist diese alberne Phase der Sprachnutzung bald überwunden…“ Gegenstand von Schreibereien war das Thema an unzähligen Stellen – einige Links dazu finden sich am Ende des Artikels.
Für mich ist das Thema müßig, auch weil ich in einem Bereich arbeite in dem die Verwendung geschlechtergerechter Sprache – inzwischen – schon lange common sense unter den meisten Beteiligten ist. An den Universitäten, insbesondere in Disziplinen deren Gegenstand das Soziale ist, ist es gängiger Usus Sprache als Ausdruck gesellschaftlicher Verhältnisse aufzufassen und dem folgend das Medium Sprache als ein Mittel der Veränderung zu begreifen. Selbst Professoren – absichtlich kein ‚Innen‘ – kurz vor oder nach der Pensionierung lernten dies im Laufe der 90er Jahre. Teilweise waren diese Prozesse sicherlich schmerzhaft. 😉 Aus dieser Zeit kenne ich viele der Diskussionen und war heilfroh als der Prozess soweit abgeschlossen und das Thema geschlechtergerechte Sprache halbwegs vom Tisch war. (Nur der Vollständigkeit halber: Nie vom Tisch waren die ungerechten, existierenden Machtverhältnisse, die blieben bis heute äußerst ähnlich. Und kritische Stimmen unken zurecht, dass das Zugeständnis der Sprachänderung vielleicht auch daher rührt, dass damit von bedeutenderen Änderungen abgelenkt werden konnte.)
Mein Fazit in den 90ern war: Ich halte mich von den Gendertöpfen fern. Nicht weil ich bestehende Geschlechterverhältnisse gut finde, nein ganz und gar nicht, sondern weil diese sozialen Ghettos eine institutionelle Strategie waren/sind um unbequeme Menschen außen vor zu halten. Einmal den Genderstempel auf der Stirn wurde es fast unmöglich (gemacht) andere Themen zu bearbeiten. Gesplittet, gegendered, geschlechtsneutral geschrieben habe ich seitdem mir ein männlicher Informatikstudent – netter Nebenaspekt finde ich – im zarten Alter von 18 kurz und bündig begreiflich machte, worum es geht: Frauen werden durch die herrschende Sprache nicht eingeschlossen.
Das Thema kommt nun wieder. Auch an den Unis ist das seit längerem beobachtbar. Kaum eine Studierendenarbeit in der nicht die ‚hübsche‘ Formulierung steht, dass Frauen natürlich mitgemeint sind. Gender als Beobachtungs- und Analysekriterium in einer Lehrveranstaltung einzusetzen, wird zunehmend verpönter. „Der Genderwahnsinn greift um sich.“ ist da des Öfteren zu hören. Das war, ist nicht und wird nie mein Hauptthema sein, da gibt es in meinen Augen viele andere interessante Dinge, nichtsdestotrotz hier einige Zeilen dazu als Reaktion auf Kommentare und als Erklärung warum ich in dieser Form scheibe und auch weiter schreiben werde.
Sprache ist ein Spiegel gesellschaftlicher Verhältnisse: Genehm oder nicht, meines Erachtens zählen auch hier die Fakten. Machtstrukturen und Prioritätensetzungen bilden sich in den Praktiken des täglichen Gebrauchs ab. Die Verhältnisse in unseren Gesellschaften sind in vielerlei Hinsicht ungerecht. Bezüglich sozialer oder kultureller Herkunft, bezüglich sexueller Orientierungen, bezüglich Alter, usw. und eben auch in Bezug auf Geschlecht. Veränderungen sind nur möglich wenn auch gesellschaftliche Symbole und Ausdrucksformen verändert werden. Sprache reproduziert durch die alltägliche Nutzung vorhandene gesellschaftliche Muster und tradiert sie fort. Ich, für mich, möchte das nicht. Einen pädagogischen Impetus der Bekehrung habe ich diesbezüglich kaum, ich setze aufs Denken. Sonst würde ich nicht, diesen Kommentar kann ich mir nicht verkneifen, ganz bewusst auf einer Plattform bloggen auf der sich hauptsächlich männliche Naturwissenschaftler tümmeln. (Das ‚L‘ im vorletzten Wort ist ein kleines Danke an geograffitico :))
Sprache ist immer in Bewegung: Ein Argument gegen geschlechtergerechte Schreibe ist meist ein historischer Kontext und die Unleserlichkeit. Auch im dem Zitat aus dem Kommentar am Anfang des Blogbeitrags gab es einen Verweis darauf. Klarerweise ist Sprache, so wie alles andere auch, historisch gewachsen. Wie denn anders sonst? Aber wir sprechen heute auch nicht mehr so wie z.B. damals. Jeder Zeit ihre Sprache und die dazugehörigen Veränderungen, kann an dieser Stelle ergänzt werden. Was ist an einer durchdachten, absichtlichen Veränderung schlechter als an einer unreflektierten, nicht intentionalen? Das Faktum ist die Veränderung, die so und so gegeben ist. Das Störende ist demnach die bewusste Veränderung im Gegensatz zur akzeptierten unbewussten?
Unleserlichkeit als Störung von Gewohnheiten: Das Argument der Unleserlichkeit bzw. der Störung des Textflusses finde ich, zugegeben, amüsant. Deshalb weil mir im Gegenzug Texte aufstoßen, die rein männliche Benennungen enthalten. Klar stören andere Schreibweisen den gewohnten Lesefluss, ich ärgere mich ja auch wenn in einem Fach mit 70-80 % Studentinnen, wie der Kommunikationswissenschaft, zusammenfassend von Studenten geschrieben wird. Das wird der Realität nicht gerecht. Warum aber ist das okay, nicht aber das Umgekehrte? Ist die Gewohnheit bzw. das ‚Normale‘ so viel mehr wert als eine Irritation der Gewohnheiten, die nach kurzer Zeit in die Normalität übergeht?
Ein bisschen etwas zum Nachdenken aus sozialwissenschaftlicher Sicht: Genervt sein, kann als Ausdruck interpretiert werden in den eigenen – subliminalen – Machtzuordnungen gestört zu werden. Lässt also die Frage zu: Wer ist denn eigentlich genervt? Woher kommt das Genervt-sein? Was genau soll mit dem Abblocken von Veränderung bewahrt werden?
Das wahrlich Nervige an den Debatten, ganz subjektiv gesprochen, ist der missionarische Eifer den manche AkteurInnen aus beiden Lagern an den Tag legen. Letztendlich ist es, wie so vieles, eine politische bzw. ideologische Entscheidung der Einzelnen im Anschluss an einen Erkenntnisprozess: Fakt ist, etwas polemisierend gesagt, die Welt ist ungerecht und unfair. Sprache als eines ihrer Ausdrucksmittel ist dies auch. Die Praktiken unseres Alltags, und wie wir diese leben, sind die tagtägliche Antwort darauf: Wer der Meinung ist – und argumentieren kann, denn ein „weil es immer so war“ ist kein Argument – die Verhältnisse sind in Ordnung und Sprache soll sich so weiterentwickeln wie sie es immer tat, soll weiterhin das generische Maskulinum verwenden. Von mir bekommt deshalb niemand, im wortwörtlichen wie im übertragenen Sinn, eine schlechtere Note. Wer der Meinung ist, Sprache als Ausdruckform soll auch ein Mittel zur Veränderung sein, soll geschlechtergerechte Sprache nutzen. Das ewige Aufregen aber, sehe ich als reine Symptombekämpfung, die der Ursache nur gerecht wird.
So möge das Bashen nun beginnen. Es ist bei diesem Thema absehbar…
Links ohne jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit:
Doleschal, Ursula: Das generische Maskulinum im Deutschen. Ein historischer Spaziergang durch die deutsche Grammatikschreibung von der Renaissance bis zur Postmoderne. In: Linguistik Online 11, 2/02. Url: https://www.linguistik-online.de/11_02/doleschal.html (abgerufen 6.12.2012)
Ebenfeld, Melanie; Köhnen, Manfred: Gleichstellungspolitik kontrovers. Eine Argumentationshilfe. Expertise im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung. Url: https://library.fes.de/pdf-files/wiso/07877.pdf (abgerufen 6.12.2012)
Und zwei Links zu Blogbeiträgen, einer davon hier auf Scienceblogs.de:
Gibt es ein generisches Maskulinum? und Frauen natürlich ausgenommen
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