Zeitlich wird angeführt, dass das Projekt „innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne als Pilotprojekt“ (S. 1, Abschlussbericht) durchgeführt wurde. Der Zeitraum von Anfang Juli 2015 bis Ende Jänner 2016, immerhin 7 Monate, ist für ein qualitatives Projekt diesen Umfangs kein kurzer Zeitraum. Projektdurchführend ist ein religionspädagogisches Institut, d.h. ein Institut, das im pädagogischen Feld tätig ist und damit Zugang zu pädagogischen Feldern hat oder haben sollte. Insbesondere vor diesem Hintergrund kann ein Projekt in einer Zeitspanne von 7 Monaten allen sozialwissenschaftlichen Kriterien folgend – inklusive eines Samplingprozesses und einer korrekten Auswertung – umgesetzt werden. Und auch an dieser Stelle ist wiederum anzumerken, dass auch ein eng gesetzter Zeitrahmen kein Argument für wissenschaftliche Beliebigkeit ist oder sein darf. Die Verantwortung dem Feld und auch gesellschaftlichen Diskursen gegenüber gebietet, um mal dieses Wort zu verwenden, wissenschaftliche Redlichkeit.
S. 6 Forschungsfragen und zeitlicher Verlauf
Diese Absätze sind gleichlautend zur Erstfassung. Alle inhaltlichen Anmerkungen aus meiner ersten Kritik bleiben insofern aufrecht.
S. 6 Feldzugang und Stichprobenbildung
Der Abschnitt ist spannend und kann auch als symptomatisch für die Studie angesehen werden. Angeführt werden die Landkarte muslimischer Organisationen und durchgeführte Projekte. Postuliert wird „über eine Vielzahl theologischen und ideologischen Materials“ zu verfügen, um dann aber zu schreiben, dass dieses Wissen für den Bereich der Kinderbetreuungseinrichtungen nicht ausreichend wäre. (S. 7 Abschlussbericht)
Danach folgt eine Argumentation über nicht vorhandene Datenbanken, Verbände und deren Verhältnis zu ihren bzw. den Kinderbetreuungseinrichtungen. Erst in der Fußnote wird angeführt welche Kriterien zu einer Einstufung als islamischer Kindergarten/Kindergruppe führen. Wissen darüber wie das Feld der islamischen Kinderbetreuungseinrichtungen aussieht, ist nach den Angaben im Abschlussbericht nicht vorhanden. Geschätzt wird „die Zahl der muslimischen Kinderbetreuungseinrichtungen in Wien auf ca. 150“ (S. 8 Abschlussbericht).
Wie der Feldzugang, d.h. der Kontakt zu den Kinderbetreuungseinrichtungen, gestaltet wurde, wird im Kapitel Feldzugang nicht erklärt. Im Abschnitt 3.2 „Zugang zu den islamischen Kindergärten und Kindergruppen“ auf S. 9 wird rein die Recherche im Vereinsregisterauszug und online beschrieben.
Feldzugang meint etwas anderes: Dabei geht es um Kontaktherstellung zum Feld, den relevanten Orten, Institutionen und auch Personen. Diesen Prozess zugänglich zu machen und als Teil der Forschungsstrategie darzustellen, darum ginge es in einem Abschnitt mit dem Titel „Feldzugang“. (Vgl. dazu u.a. https://www.el.rub.de/wiki/sozentin/index.php/Feld#Der_Feldzugang)
Schwierigkeiten im Feldzugang sind in sozialen Bereichen nichts Ungewöhnliches. SozialwissenschafterInnen sind im Umgang mit diesen geschult, der Zugang zu einem Feld und das Herstellen tragfähiger Vernetzung und Beziehungen in einem Feld ist einer der zeitaufwendigsten Teile eines qualitativen Projektes. Wie kann man in so einem Fall vorgehen? Zuerst einmal stimmt es nicht, dass es keine Daten über dieses Feld gibt. Öffentliche Daten sind aus verständlichen Gründen – Datenschutz – nicht zugänglich. Kinderbetreuungseinrichtungen können allerdings nicht ohne behördliche Bewilligung gegründet werden. Die MA 11 und MA 10 der Stadt Wien verfügen über sämtliche Daten bzgl. der Wiener Kinderbetreuungseinrichtungen und steht mit diesen auch mehrmals jährlich in Kontakt. Ein erster sinnvoller Schritt wäre also gewesen mit diesen beiden MAs in Kontakt zu treten und diese als ProjektpartnerInnen zu gewinnen. Als Universitätsinstitut ist dies ein üblicher Vorgang. Forschung an Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen ist ohne behördliche Unterstützung kaum möglich und auch nicht empfehlenswert. Dass die Stadt Wien und damit auch die Magistrate Interesse an Ergebnissen haben, zeigt die Bereitschaft an dem inzwischen öffentlich angekündigten Forschungsprojekt zu islamischen Kinderbetreuungseinrichtungen in Wien.
Die Vorgangsweise im Rahmen der „Evaluierung ausgewählter Islamischer Kindergärten und –gruppen in Wien“ an den Behörden der Stadt Wien vorbei zu agieren, macht im Kontext des finanzierenden Außenministeriums und – ministers andere Thesen plausibel: In der Evaluierung ging es nicht um die Produktion wissenschaftlicher Ergebnisse, um – wie in der Einleitung argumentiert wird – „Chancen und Herausforderungen dieser Kindergärten aufzuzeigen und somit zu einer Weiterentwicklung der einzelnen Kindergärten und deren Konzepten“ beizutragen. Dafür wäre eine Kooperation mit der Stadt Wien und ihren Magistraten notwendig unabdingbar.
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