Seit Ende Februar liegt der Abschlussbericht, wiederum als Vorstudie qualifiziert, zu islamischen Kindergärten in Wien vor. Nachdem auch diese Fassung öffentlich stark rezipiert wird und im politischen Diskurs verwendet wird, lohnt sich ein Blick auf die Qualität des Berichts. Spannend dabei ist vor allem die Frage, ob nun methodisch korrekt vorgegangen wurde und der Abschlussbericht damit fundierte Aussagen über das Feld der islamischen Kindergärten treffen kann.
Dieser Text hier ist die Basis meiner Analyse, d.h. die Langfassung der Auseinandersetzung mit der methodischen Qualität des Abschlussberichts. Da es dazu Nachfragen gab: Der Text kann gerne in Lehrveranstaltungen als Beispiel verwendet werden. Ich freue mich über eine kurze Info dazu. 🙂
Da mir klar ist, dass sich nur einschlägig Interessierte durch mehrere Seiten Analysetext durcharbeiten werden, habe ich eine Kurzversion verfasst. Zum Artikel auf science.orf.at führt dieser – noch kürzere – Beitrag.
Vorab zur Benennung: Der Filename ist „Abschlussbericht__Vorstudie_Islamische_Kindergarten_Wien_final“, am Deckblatt steht „Projektbericht. Evaluierung ausgewählter Islamischer Kindergärten und –gruppen in Wien. Tendenzen und Empfehlungen.“ Im Vorwort schreibt Ednan Aslan: „Diese innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne als Pilotprojekt durchgeführte Vorstudie weist vorerst auf Tendenzen in den muslimischen Kindergärten und Kindergruppen hin. Um diese Tendenzen vertiefend analysieren bzw. verstehen zu können, sind sicherlich weitere Untersuchungen erforderlich.“ (S. 1 Projektbericht) Die Benennung ist dem folgend inkonsistent, ich bleibe im Weiteren beim Terminus Abschlussbericht, wie in der Filebenennung. In meiner Kritik der Erstfassung der Vorstudie habe ich umfassend ausgeführt, dass egal welcher Art eine wissenschaftliche Arbeit ist, die Kriterien und Standards einzuhalten sind und führe das deshalb an dieser Stelle nicht nochmals aus. Der Begriff Vorstudie ist und bleibt kein Freibrief zu wissenschaftlicher Beliebigkeit, die sich in mangelnder Nachvollziehbarkeit und z.B. auch einem unzureichenden Sampling zeigt.
Beim ersten Ansehen des Abschlussberichts sticht zuallererst das Positive ins Auge: Das Paper erfüllt jene formale Kriterien, die an wissenschaftliche Arbeiten gestellt werden. Das Layout ist im passenden Format gestaltet. Das Inhaltsverzeichnis verrät, dass alle relevanten Elemente enthalten sind. Die darin enthaltene Strukturierung ist sinnvoll und logisch, die Feld- und Methodenbeschreibung ebenso enthalten, wie der Anhang und ein Abbildungs- und Quellenverzeichnis. Warum ist das wichtig – und keine kleinkarierte Nebensächlichkeit, wie manchmal angemerkt wird? Diese Standards sind ein Aspekt dessen Reliabilität, d.h. Vergleichbarkeit, herzustellen. Diese Form gewährleistet den Fokus auf den Inhalt, darum geht es bei solchen Studien, das Layout soll durch ein unauffälliges Layout bewusst in den Hintergrund treten. Die angeführten Quellen, Anhänge wie Interviewleitfäden oder Abbildungen gewährleisten die Überprüfbarkeit und Nachvollziehbarkeit der Aussagen.
Nicht im Anhang enthalten sind eine Übersicht über die Anzahl und Art der geführten Interviews oder Interviewtranskripte. Im Abschlussbericht selbst sind Transkriptstellen enthalten. Die Interviews verfügen über eine Codierung – auf S. 75 im Abschlussbericht wird die erste Transkriptstelle mit „KiGaJEl01“ angegeben – über die Bedeutung dieser Codierung gibt es aber im Bericht keine Aufklärung. Relevant ist dies, da die im Abschlussbericht getroffenen Aussagen nur überprüft werden könn(t)en, wenn Transkriptstellen zugänglich sind. Wobei hier anführt werden muss, dass dies in den Disziplinen unterschiedlich gehandhabt wird. Die Spannbreite reicht von vollständigen Transkripten im Anhang bis zu relevanten Transkriptteilen im Fließtext oder Anhang plus einer zusätzlichen Übersicht im Anhang. Grundsätzlich ist aber wichtig, dass die empirische Arbeit nachvollziehbar wird. (Vgl. dazu z.B. den Projektbericht zu Radio Orange) Im Abschlussbericht zu den islamischen Kindergärten fehlt eine Übersicht über die geführten Interviews und die Codierungen sind für LeserInnen nicht nachvollziehbar. Auch wenn also Transkriptstellen im Fließtext vorhanden sind, ist der Forschungsprozess objektiv für Dritte nicht nachvollziehbar. Dies wird in weiterer Folge auch bzgl. des Samplings relevant.
Als Autor wird allein Ednan Aslan angeführt, auch auf der Homepage findet sich kein Hinweis auf eine Mitarbeit von anderen Personen. Demzufolge müsste er das Projekt alleine durchgeführt und umgesetzt haben. Davon ist nicht auszugehen, aber die Praxis weitere Mitarbeitende nicht anzuführen ist an Universitäten (leider immer noch) weit verbreitet.
Zeitlich wird angeführt, dass das Projekt „innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne als Pilotprojekt“ (S. 1, Abschlussbericht) durchgeführt wurde. Der Zeitraum von Anfang Juli 2015 bis Ende Jänner 2016, immerhin 7 Monate, ist für ein qualitatives Projekt diesen Umfangs kein kurzer Zeitraum. Projektdurchführend ist ein religionspädagogisches Institut, d.h. ein Institut, das im pädagogischen Feld tätig ist und damit Zugang zu pädagogischen Feldern hat oder haben sollte. Insbesondere vor diesem Hintergrund kann ein Projekt in einer Zeitspanne von 7 Monaten allen sozialwissenschaftlichen Kriterien folgend – inklusive eines Samplingprozesses und einer korrekten Auswertung – umgesetzt werden. Und auch an dieser Stelle ist wiederum anzumerken, dass auch ein eng gesetzter Zeitrahmen kein Argument für wissenschaftliche Beliebigkeit ist oder sein darf. Die Verantwortung dem Feld und auch gesellschaftlichen Diskursen gegenüber gebietet, um mal dieses Wort zu verwenden, wissenschaftliche Redlichkeit.
S. 6 Forschungsfragen und zeitlicher Verlauf
Diese Absätze sind gleichlautend zur Erstfassung. Alle inhaltlichen Anmerkungen aus meiner ersten Kritik bleiben insofern aufrecht.
S. 6 Feldzugang und Stichprobenbildung
Der Abschnitt ist spannend und kann auch als symptomatisch für die Studie angesehen werden. Angeführt werden die Landkarte muslimischer Organisationen und durchgeführte Projekte. Postuliert wird „über eine Vielzahl theologischen und ideologischen Materials“ zu verfügen, um dann aber zu schreiben, dass dieses Wissen für den Bereich der Kinderbetreuungseinrichtungen nicht ausreichend wäre. (S. 7 Abschlussbericht)
Danach folgt eine Argumentation über nicht vorhandene Datenbanken, Verbände und deren Verhältnis zu ihren bzw. den Kinderbetreuungseinrichtungen. Erst in der Fußnote wird angeführt welche Kriterien zu einer Einstufung als islamischer Kindergarten/Kindergruppe führen. Wissen darüber wie das Feld der islamischen Kinderbetreuungseinrichtungen aussieht, ist nach den Angaben im Abschlussbericht nicht vorhanden. Geschätzt wird „die Zahl der muslimischen Kinderbetreuungseinrichtungen in Wien auf ca. 150“ (S. 8 Abschlussbericht).
Wie der Feldzugang, d.h. der Kontakt zu den Kinderbetreuungseinrichtungen, gestaltet wurde, wird im Kapitel Feldzugang nicht erklärt. Im Abschnitt 3.2 „Zugang zu den islamischen Kindergärten und Kindergruppen“ auf S. 9 wird rein die Recherche im Vereinsregisterauszug und online beschrieben.
Feldzugang meint etwas anderes: Dabei geht es um Kontaktherstellung zum Feld, den relevanten Orten, Institutionen und auch Personen. Diesen Prozess zugänglich zu machen und als Teil der Forschungsstrategie darzustellen, darum ginge es in einem Abschnitt mit dem Titel „Feldzugang“. (Vgl. dazu u.a. https://www.el.rub.de/wiki/sozentin/index.php/Feld#Der_Feldzugang)
Schwierigkeiten im Feldzugang sind in sozialen Bereichen nichts Ungewöhnliches. SozialwissenschafterInnen sind im Umgang mit diesen geschult, der Zugang zu einem Feld und das Herstellen tragfähiger Vernetzung und Beziehungen in einem Feld ist einer der zeitaufwendigsten Teile eines qualitativen Projektes. Wie kann man in so einem Fall vorgehen? Zuerst einmal stimmt es nicht, dass es keine Daten über dieses Feld gibt. Öffentliche Daten sind aus verständlichen Gründen – Datenschutz – nicht zugänglich. Kinderbetreuungseinrichtungen können allerdings nicht ohne behördliche Bewilligung gegründet werden. Die MA 11 und MA 10 der Stadt Wien verfügen über sämtliche Daten bzgl. der Wiener Kinderbetreuungseinrichtungen und steht mit diesen auch mehrmals jährlich in Kontakt. Ein erster sinnvoller Schritt wäre also gewesen mit diesen beiden MAs in Kontakt zu treten und diese als ProjektpartnerInnen zu gewinnen. Als Universitätsinstitut ist dies ein üblicher Vorgang. Forschung an Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen ist ohne behördliche Unterstützung kaum möglich und auch nicht empfehlenswert. Dass die Stadt Wien und damit auch die Magistrate Interesse an Ergebnissen haben, zeigt die Bereitschaft an dem inzwischen öffentlich angekündigten Forschungsprojekt zu islamischen Kinderbetreuungseinrichtungen in Wien.
Die Vorgangsweise im Rahmen der „Evaluierung ausgewählter Islamischer Kindergärten und –gruppen in Wien“ an den Behörden der Stadt Wien vorbei zu agieren, macht im Kontext des finanzierenden Außenministeriums und – ministers andere Thesen plausibel: In der Evaluierung ging es nicht um die Produktion wissenschaftlicher Ergebnisse, um – wie in der Einleitung argumentiert wird – „Chancen und Herausforderungen dieser Kindergärten aufzuzeigen und somit zu einer Weiterentwicklung der einzelnen Kindergärten und deren Konzepten“ beizutragen. Dafür wäre eine Kooperation mit der Stadt Wien und ihren Magistraten notwendig unabdingbar.
Naheliegender Schluss: Dies war eine Auftragsstudie, die für politische Argumentation und Öffentlichkeit genutzt werden sollte. Anders lässt sich das Agieren an den zuständigen Behörden vorbei kaum nachvollziehbar erklären.
Im Anschluss an die (Nicht-)Auseinandersetzung mit dem Feldzugang folgt eine Aufzählung anderer Studien und Ausführungen über die Notwendigkeit von Forschungsmaßnahmen im untersuchten Feld.
S. 13, 4. Methode: qualitativ-empirische Analyse
Nun die für mich spannendste Frage: Wurde am Projekt seit der Erstfassung methodisch etwas verbessert? Auffällig ist, dass die Grounded Theory als gewählter Zugang rausgeflogen ist. In der Erstfassung der Vorstudie wurde ein an die Grounded Theory angelehnter Ansatz angegeben – und zur Erinnerung: Etwas derartiges, nämlich einen angelehnten Ansatz, gibt es nicht. Das wäre so als würde man sagen, man hat sich an die Grundrechnungsarten angelehnt, aber so ganz richtig gerechnet hat man dann nicht.
Einer meiner Hauptkritikpunkte war, dass die vorliegenden Ergebnisse den Ansprüchen einer Grounded Theory in keiner Weise entsprochen haben. Aus methodischer und methodologischer Perspektive ist das Weglassen der Rahmenmethodologie schräg. Qualitative empirische Projekte werden zu Beginn eines Projektes klar in einem methodologischen Rahmen verortet, dieser Zugang ist in der Folge forschungsleitend in Bezug auf die Herangehensweise, die Arbeit im Feld, Samplingprozesse und vor allem die Auswertung. Am Ende eines Projektes die Arbeitsweise, Projektstruktur etc. einfach wegzulassen bzw. weglassen zu können, stützt meine in der Erstkritik formulierte Vermutung. In der Evaluierung islamischer Kindergärten wurde nie nach der Grounded Theory gearbeitet, diese wurde rein als Label oder Qualitätsbezeichnung genutzt ohne jemals umgesetzt worden zu sein.
In der Kapitelüberschrift wird von einer „qualitativ-empirischen Analyse“ gesprochen. Was das genau sein soll, bleibt unklar. Ein Verfahren mit dieser Bezeichnung gibt es nicht. Qualitativ und empirisch ist ein Überbegriff für eine Vielzahl unterschiedlicher Verfahren im Rahmen der Sozialwissenschaften. Im Bericht werden drei Bücher als methodische und methodologische Quellen angeführt: Ein Überblickswerk von Burkard Porzelt zur empirischen Religionspädagogik. In diesem auf Google Books zugänglichen Buch gibt es ein Kapitel zu qualitativen Ansätzen, das einen kurzen Überblick über eine Vielzahl an Ansätzen gibt, aber aufgrund der Kürze keinen Einblick in methodische Verfahren geben kann. Als zweites Buch wird von Anselm Strauss „Grundlagen qualitativer Sozialforschung.“ angegeben. Dieses Buch kenne ich gut, es steht bei mir im Regal. Es ist, trotz seines allgemeinen Titels, eines der Einführungsbücher in die Grounded Theory. Der recht allgemeine Titel des Buches, der von manchen auch als irreführend bezeichnet wird oder werden kann, erklärt sich mit verkaufstechnischen Argumenten. Als drittes Werk wird Uwe Flicks Kompendium zu den qualitativen Methoden angegeben. Dies ist ein Einführungsbuch mit Überblickswissen, aber für methodische Analysen aufgrund des Überblickscharakters nur bedingt brauchbar. Weiterführende Literatur findet sich nicht in den Angaben. Alle drei Bücher finden sich erst in der Literaturliste wieder und werden nicht genutzt um die methodische Vorgangsweise zu fundieren. Etwas das ich meinen Studierenden in einem Bakkalaureatsseminar als Minuspunkt anrechnen würde, da dies kein methodisch exaktes Arbeiten ist.
Mein Schluss aus diesem Abschnitt des Abschlussberichtes ist, dass hier wenig methodisches Wissen am Werk war. Auch die auf S. 14 angefertigte Abfolge an Begrifflichkeiten stützt diese These. Die Begriffe und Vorgangsweise sind ungewöhnlich. Nicht Fälle werden offen und selektiv kodiert, sondern Materialien (Texte oder Transkripte, Bilder, usw.). Auch wird bei qualitativen Verfahren kein Kategorienschema pro Fall entwickelt, sondern (meist) ein gesamtes oder gar keines – wobei in dem Abschlussbericht nicht klargelegt wurde nach welchem Verfahren gearbeitet wurde, insofern bleibt die Beurteilung hier offen. Definitiv aber, wenn ein Kategorienschema entwickelt wurde, müsste dieses in der Arbeit enthalten sein. Warum sollte man sich die Arbeit machen, wenn dieses dann nicht verwendet wird? Kategorienschemas sind bei inhaltsanalytischen bzw. qualitativen Arbeiten eines der wenigen Dinge, die sich grafisch umsetzen lassen und damit die Arbeit greifbar machen. Die qualitativen Verfahren unterliegen ja einer Konkurrenz zu den quantitativen und können mit hübschen Tortendiagrammen oder Balkengrafiken nicht mithalten. Das Kategorienschema nicht zu verwenden, so man eines entwickelt hat, wäre insofern kontraproduktiv für die eigene Arbeit.
S. 15, 4.3. Sampling
Dies war ein weiterer Kritikpunkt meiner ersten Analyse. In der Erstfassung der Vorstudie war kein Sampling enthalten. Diesmal existiert die Überschrift und einige, wenige Zeilen, aber nicht mehr. Was ein Samplingprozess leisten soll und warum theoretical sampling bei explorativen Verfahren grundlegend notwendig sind, habe ich in der ersten Kritik ausführlich erläutert. Etwas Dementsprechendes findet sich auch im Abschlussbericht nicht. Aus den formulierten Zeilen lässt sich nichts Relevantes extrahieren, das Feld der islamischen Kinderbetreuungseinrichtungen erschließt sich dadurch nicht und die Auswahl der Fälle bleibt im Dunklen. Eine Darstellung des Samplingprozesses und die Argumentation der Fallauswahl ist ein Kernelement bzgl. der Wissenschaftlichkeit qualitativer Arbeiten und muss demnach in jedem derartigen Paper enthalten sein.
Dass von 15 angefragten Kinderbetreuungseinrichtungen nur 8 zugesagt haben, verwundert angesichts der Berichterstattung nicht. Ein Feld in dieser Art und Weise in die öffentliche Debatte zu bringen, hat dementsprechende Folgen.
S. 15, 4.4 Untersuchungsinstrument – Leitfadengestützte Interviews
Nachdem der Anspruch der Grounded Theory fallengelassen wurde, brauche ich meine methodologische Kritik an der Instrumentenwahl nicht nochmals wiederholen. Leitfadeninterviews sind häufig eingesetzte und sehr übliche Wege, um zu Material zu kommen und auch für reduktive Verfahren gut nutzbar. Ob anderes sinnvoller wäre darüber ließe sich diskutieren. Die entwickelten Leitfäden sind zugänglich, sie sind strukturiert und logisch. Die Fragen sind zwar teils nur bedingt erzählgenerierend und eher knapp, aber dies ist Entscheidungsspielraum der Durchführenden und insofern passend.
S. 17-S. 21, Begriffsklärungen zu Kinderbetreuungseinrichtungen und Personal
Diese Abschnitte haben in der Erstfassung der Vorstudie gefehlt. Jede sozialwissenschaftliche Arbeit braucht eine Erklärung der verwendeten Begriffe und des notwendigen Wissens, um der Studie folgen zu können. In diesem Abschnitt wird mit den Quellen korrekt umgegangen und diese jeweils passend angeführt.
S. 21-61, 8. Theologische und politische Orientierungen in islamischen Kindergärten und -gruppen
Auf 40 Seiten werden in diesem Abschnitt diverse Organisationen und Ausrichtungen beschrieben. Angegeben wird, dass diese die hinter den Kinderbetreuungseinrichtungen stehen. Die Fundierung in Quellen und Materialien wird teils unspezifisch vorgenommen. Gleich zu Beginn des Kapitels werden in den Fußnoten lange Listen von weiterführender Literatur angegeben, dies ist zumindest ungewöhnlich und mir in dieser Form noch nie begegnet. Dieser Textabschnitt ist deskriptiv und allgemein gehalten, der Zusammenhang zu den Kinderbetreuungseinrichtungen ist wenig greifbar. Vorausgesetzt und postuliert wird, dass die ausgewählten Organisationen einen direkten Zusammenhang und Einfluss auf die Kinderbetreuungseinrichtungen haben. Ob dies tatsächlich so ist, kann beim Lesen, und auch beim Vergleich zu den angeführten empirischen Ergebnissen, nicht festgestellt werden.
Weitere, vor allem inhaltliche, Schlüsse müssten thematisch auf dem Gebiet tätige KollegInnen ziehen. Aus sozialwissenschaftlicher und methodischer Sicht ist dieser Teil mit 40 Seiten im Verhältnis zur empirischen Analyse sehr ausführlich geraten und das Ziel für den dann folgenden Ergebnissteil nur schwammig formuliert. Der am Ende des Abschnittes gezogene Schluss „Es wäre also eine dringende Aufgabe weiterer Forschungen zu ermitteln, inwieweit die Präsenz dieser Theologie im Alltag der Kindergärten und -gruppen den Voraussetzungen des BildungsRahmenPlans entspricht.“ (S. 61 des Abschlussberichtes) hätte auch prägnanter und mit weniger Seiten erreicht werden können.
Warum diese 40-seitige Abhandlung und wie ist diese – abschließend – zu qualifizieren?
Hier hilft ein Rückgriff auf eine andere Stelle am Beginn des Abschlussberichtes. Angeführt wird: „Für die Bereiche Kindergarten und Kindergruppen reichten die Ergebnisse der hier kurz skizzierten Forschungen allerdings nicht aus, weil kaum ein Verband oder Verein unter dem Namen der jeweiligen Dachorganisation einen Kindergarten oder eine Kindergruppe betreibt. […] Aus dieser Tatsache heraus war es notwendig, neben der Verbands- und Vereinsanalyse auch Daten zu den einzelnen Vereinen (Bereich Kindergarten/Kindergruppen) zu erheben.“ (S. 7, Abschlussbericht)
Übersetzt heißt dies: Das empirische Material war nicht ausreichend, deshalb wurde eine Analyse anderer Materialien gemacht, deren methodische Gestricktheit allerdings nicht argumentiert wird. Auch für solche Analyse gelten aber die gleichen Bedingungen wie für Interviewtexte o.ä.. Es braucht eine Darstellung des gewählten Weges, der Materialauswahl und der Auswertungsschritte. Insbesondere dann, wenn dieser Teil als Argumentationsgrundlage eingeführt wird und den empirischen Auswertungen vorangestellt wird. Dieser ausführliche Teil der Studie, immerhin mehr als ein Drittel der Seiten des Berichts – der Anhang wird hier nicht gezählt, hat den Ausführungen im Bericht folgend mehr mit dem Meinungsteil einer Tageszeitung als mit einer wissenschaftlichen Untersuchung zu tun.
S. 61- S.69, 8.3 Kindergärten und -gruppen als Wirtschaftsunternehmen: Interessenlos-pragmatischer Umgang mit kultureller und religiöser Vielfalt und 8.4. Kindergärten mit Offenheit für andere Kulturen und Religionen
Der weitere Teil des Kapitels 8 beschäftigt sich mit den Voraussetzungen der Gründung einer Kinderbetreuungseinrichtung, den Interessen dahinter und unterschiedlichen Konzepten. Umfangreich werden Zitate aus Interviews übernommen, dazwischen an mehreren Stellen nur kurze Bemerkungen. Dies entspricht nicht üblicher wissenschaftlicher Praxis. Zitate sollen getroffene Erkenntnisse darstellen und illustrieren, nicht aber für unkommentiert für sich stehen. Das Verhältnis von Zitattexten zu selbstverfassten Stellen ist hier unpassend. In einer studentischen Arbeit wäre dies nicht akzeptabel.
S. 71, 9. Über die Bedeutung der pädagogischen und religiösen Profile der Trägervereine für die Erziehungsarbeit in den Kindergruppen und die Notwendigkeit einer vertieften mehrjährigen Studie
Vier Ausrichtungen werden an dieser Stelle des Berichts aus den Analysen, anzunehmen ist aus den vorangegangenen 40 Seiten, dargestellt. Ausgeführt wird: „Nicht im Fokus der empirischen Untersuchung standen hingegen die Zielsetzung, die alltagspraktische Bedeutung von theologischen Strömungen sowie die Formen religiöser Erziehung in den entsprechenden Kindergärten, Kindergruppen und Horten zu beobachten.“ (S. 71, Abschlussbericht) Gerade diese alltagspraktische Umsetzung, sprich wie der gelebte Alltag in den Kinderbetreuungseinrichtungen aussieht, wäre aber das Interessante. Ein Punkt den ich in meiner Erstkritik beleuchtet habe.
Dahinter steht die Frage, ob die Vorannahme des Einflusses der hinter den Kinderbetreuungseinrichtungen stehenden Organisationen hält oder nicht. Den Angaben im Abschlussbericht folgend können darüber keine Aussagen getroffen werden. Die erhobenen Daten geben darüber nur unzureichend Auskunft. (Anm.: Durch die Wahl anderer Instrumente als Leitfadeninterviews wäre dies methodisch durchaus möglich.) Angegeben wird, dass dies aufgrund des zeitlichen Rahmens nicht möglich war und dann der Schluss gezogen, dass aber „Nichtsdestotrotz ist jedoch davon auszugehen, dass sich die theologische Ausrichtung und das religiöse Profil der Vereine darin niederschlagen und markant darauf Einfluss nehmen […]“.
Dies ist eine hübsche Argumentationskette, die sich wie folgt übersetzen lässt: Wir haben Annahmen, die stellen wir in einem argumentativen Text (S. 21-61) ausführlich dar. Daraus ziehen wir unserer Schlüsse. Wir können aufgrund des gewählten empirischen Weges aber nicht sagen, ob Zusammenhänge oder Einflüsse bestehen bzw. wie diese aussehen. Dafür hatten wir nicht genügend Zeit. (Anm.: Und nicht das passende methodische Werkzeug.) Aber nichtsdestotrotz wird es schon Zusammenhänge und Einflüsse geben. Böse ließe sich hier noch der Zirkel schließen und ein ‚weil wir es so sagen‘ ergänzen. Letzteres wäre aber natürlich eine polemische Anmerkung.
Sozialwissenschaftlich korrekte Forschung ist dies nicht. Wenn auch besser argumentiert, bleibt auch der Abschlussbericht hier im Fahrwasser der Erstversion.
S. 74, AUSWERTUNG, 10. Tendenzen in den Kindergärten
Nach 74 Seiten folgt nun – endlich 😉 – der Berichtsteil mit den durchgeführten Auswertungen. Hier findet sich auch Grounded Theory Vokabular wieder, da von einer Sättigung gesprochen wird, die im Rahmen der Vorstudie nicht erreicht werden konnte. Sättigung meint ein erschöpfendes Beschreiben, Erfassen und Theoretisieren der im Feld gefundenen Konzepte und Ansätze. Dies wäre, wenn der Methodologie folgend argumentiert, auch mit wenig Material möglich. Wenn, und dies ist der Punkt an dieser Stelle, methodisch korrekt gearbeitet wurde. Die auf den Seiten 74 bis 103 werden Ergebnisse beschrieben und dargestellt. Positiv zu bemerken ist, dass die Darstellung an den Texten bleibt und Zitate einbezieht. Der Einsatz der Zitate ist aber, wie schon in den dem 40-seitigen Abschnitt zuvor zu umfangreich. Viele Seiten beinhalten mehr Zitattexte als verfasste Textpassagen. Dies ist, wie schon ausgeführt, keine gute wissenschaftliche Praxis. Die Forschenden sollen Analysen anstellen, nicht Material für sich sprechen lassen. Nicht die Länge eines Textes kennzeichnet die Güte einer Arbeit, sondern die Fähigkeit die Ergebnisse in Konzeptionen, Modelle und Konzepte zusammenzufassen. Zitate sollen dabei, die Schlüsse aus dem Material fundieren und transparent machen, d.h. für die Lesenden zugänglich machen. Die dargestellten Ergebnisse klingen beim Durchlesen plausibel, auch weil sie deskriptiv an den Zitatstellen bleiben. Die Aussagen aus den Transkriptstellen werden in den Berichtstexten paraphrasiert.
Dem zu Beginn des Abschlussberichts auf S. 14 geäußerten Anspruch ein Kategorienschema zu entwickeln, wird die vorliegende Arbeit nicht gerecht: Ein Kategorienschema strukturiert Material und erklärt darin enthaltene Phänomene. Dies macht soziale Konstruktionen zugänglich, erklärt und macht diese verständlich. Entwickelte Kategorien sind deshalb, wenn richtig gemacht, keine wortwörtlichen Übernahmen von Begrifflichkeiten aus dem Text, sondern eine Form der Metaanalyse. Die Kategorien einer Studie, die ich in meiner Vorlesung zu qualitativen Methoden im Herbst genutzt haben, lauten zum Beispiel wie folgt: „Subjektives Vaterschaftskonzept“ oder „Praxis der Vaterschaft“. (Beispiel entnommen aus Birgit Behrisch: “Die Leute haben sich sicherlich überhaupt nicht vorstellen können, dass ich der Vater bin” – Vaterschaft, Erziehung und Alltagserleben von Vätern mit Behinderung.)
Die Kategorien im Abschlussbericht haben demgegenüber keinen konzeptiven, sondern deskriptiven Charakter und beschreiben den Inhalt der zugeordneten Transkriptstellen. Die Vermutung aus meiner Erstkritik war, dass eine rein deskriptive Analyse in Form einer Zusammenfassung durchgeführt wurde. Dies bleibt auch für den Abschlussbericht aufrecht. Die Ergebnisse beschreiben die Inhalte der Interviews, analysieren diese aber nicht.
Die dargestellten Inhalte überraschen nicht weiter: Transferiert auf katholische Kindergärten wären Aussagen, wie z.B. „Dabei wird den Kindern das Denken und Hinterfragen z.B. bezüglich Gott verboten.“ (S. 87) in sehr ähnlicher Form möglich. Dass Kinderbetreuungseinrichtung mit religiösem Hintergrund diesen auch leben, verwundert nicht weiter. Die im Abschlussbericht dargestellten Ergebnisse aus den Interviews klingen nicht dramatisch oder überraschend. (Anm.: Die in der Öffentlichkeit transportierten skandalisierenden Elemente stammen nicht aus dem tatsächlichen, empirischen Teil.) Dieser zeigt Schwierigkeiten wie z.B. Sprachproblematiken auf, die bekannt sind. Salafistische Tendenzen werden anhand des erhobenen Materials nicht dargestellt – das Wort kommt nur ein einziges Mal in der Auswertung vor, auf S. 87 wird diesbezüglich eine Vermutung angestellt, die durch ein ‚vielleicht‘ relativiert wird: „Um die göttliche Prüfung bestehen zu können, bräuchte es nur der „richtigen“ Vorbilder, vor allem der „richtigen“ Bildung, die Kinder zu einer sehr konservativen, vielleicht sogar zu einer salafistischen Theologie hintreibt.“ (S. 87, Abschlussbericht)
Kurz: Die Auswertung überrascht nicht. Die skandalisierenden, veröffentlichten Schlüsse stammen bei Durchsicht des Abschlussberichts nicht aus den empirischen Daten. Die Auswertung zeigt bekannte Themen auf zu denen durchaus Handlungsbedarf besteht, wie zum Beispiel die Sprachförderung der Kinder. Bedrohliche oder extremistische religiöse Tendenzen sind im Auswertungsteil nicht vorhanden.
Woher kommen also die öffentlich transportierten und skandalisierenden Elemente der Studie? Diese stammen aus der Dokumentenanalyse, die in keinem empirischen Kontext entstanden ist und wissenschaftlichen Kriterien auch nicht standhalten kann. Dafür wurden aus einer – als subjektiv qualifizierbaren – Perspektive Materialien zusammengetragen, die Argumentationslinien stützen sollen. Der dem zugrunde liegende Arbeitsprozess wurde nicht transparent gemacht und ist demnach nicht nachvollziehbar.
S. 104 bis 112, Resümee, Ausblick und Schlussbemerkung
Das Ende des Abschlussberichtes zur Evaluierung islamischer Kindergärten beginnt mit einem Resümee. Die Feststellung „islamische Kindergärten waren nicht bereit, am Forschungsprojekt mitzuwirken“ klingt angesichts des Medienrummels, der von Minister Kurz und Prof. Aslan verursacht wurde, ist absurd. Ein ganzes Feld vorzuführen, Anschuldigungen vorzubringen und ein mediales Tamtam in diesem Ausmaß zu verursachen, führt dazu Glaubwürdigkeit zu verlieren. Warum sollte ein islamischer Kindergarten zur Kooperation bereit sein, wenn die Ergebnisse einer Vorstudie tendenziös und skandalisierend in die Medien getragen wurden?
Dies ist nicht, wie auf S. 104 angeführt, eine „methodische Einschränkung“, sondern schlicht unprofessionell. Dies als Grund anzuführen eine „Analyse der Ideologie einiger Trägervereine und Kindergartenbetreiber“ durchzuführen quasi eine forschungstechnische Quadratur des Kreises. Jede wissenschaftliche Untersuchung, auch eine Dokumentenanalyse, muss reliabel und valide durchgeführt werden. Die 40 Seiten im vorliegenden Abschlussbericht sind dies nicht. Weder ist die Auswahl der Materialien dokumentiert und gesampelt, noch ist der Weg der Analyse erklärt: Wie diese Ergebnisse zustande kamen, ist nicht nachvollziehbar. Sie können dementsprechend als Meinung qualifiziert werden und nicht als wissenschaftliche Ergebnisse.
Punkt 2 auf Seite 104 zeigt eines der Prinzipien bzgl. der Vorgangsweise in der Evaluation: Die Leitungen der Kindergärten legen Wert auf islamische Prinzipien – eine Aussage, die nicht weiter verwundert. Damit hat sich der Bezug auf die tatsächlich erhobenen Daten. Alles Weitere bleibt Spekulation, wie selbst formuliert wird: „Es ist aufgrund des bisherigen Standes der Analyse davon auszugehen, dass salafistische bzw. islamistische Organisationen in der Kinderbetreuung nicht so einfach auf ihre politischen Ziele verzichten können. Die in der Studie kurz angeführte Darstellung der Ideologie der Vereine bzw. dieser Akteure schlägt sich zweifellos auf die Pädagogik nieder.“ Übersetzen könnte man dies mit: Aus den erhobenen Daten lässt sich dies zwar nicht herleiten, aber trotzdem wird es so sein.
Die weiteren Zusammenfassungen bergen keine Überraschungen: Islamische Kindergärten enthalten religiöse Erziehungselemente, die Qualität der Sprachförderung ist unterschiedlich, Eltern ist die Zusammenarbeit mit den Kinderbetreuungseinrichtungen wichtig und religiöse Praxis hat für Eltern einen Stellenwert.
Dementsprechend enthalten auch die Empfehlungen für Veränderungen keine Überraschungen: Sprachförderungen sollten, ebenso wie die Qualifikationen von Betreuenden, gesteigert werden und Konzepte für den Umgang mit kultureller Vielfalt erarbeitet werden. Alles Empfehlungen, die ebenso für jede andere Kinderbetreuungseinrichtung oder auch Schule in Wien gelten können. Dies ist (leider) im gesamten Bildungssektor zutreffend. Hier zeichnen die Daten aus der Evaluation das gleiche Bild, das auch im restlichen Wiener Feld anzutreffen ist.
Punkt 5 der Ausblicks ist dann wiederum fast amüsant: Den Kontext des medialen Trubels aus dem Forschungsprozess auszublenden und mit einem Kontrollempfinden bei den nicht-teilnehmenden Kinderbetreuungseinrichtungen zu argumentieren ist, wie vorhin schon angeführt, absurd. Damit vermehrte, notwendige Kontrollen zu begründen dementsprechend sinnvoll. (Anm.: Veränderungen bzgl. Kinderbetreuung in Wien ist sinnvoll, da sind sich viele und sehr unterschiedliche Seiten einig. Anlassreglements für einzelne Gruppierungen sind aber etwas anderes.)
Punkt 6 und 7 beinhalten Allgemeinplätze, die auch sonst im Bildungssektor zu hören sind. Organisationsentwicklung wäre in so vielen Organisationen wünschenswert – egal welcher Ausrichtung. Die Zusammenarbeit von Schulen und Kindergärten im Allgemeinen anstrebenswert, auch hier unabhängig von der Ausrichtung.
Punkt 8 geht von im Abschlussbericht geäußerten Postulaten aus: Die Trägervereine sollten überprüft werden, deren „positive Grundeinstellung gegenüber Staat und Gesellschaft“ (S. 109) gehört untersucht. Würde diese Empfehlung auf der Grundlage von Fakten getroffen werden, so bleibt zu konstatieren, dass der aufgebrachte Zusammenhang zwischen den Vereinen und den Kinderbetreuungseinrichtungen empirisch überprüft werden und auf dieser Basis Empfehlungen entwickelt werden sollten.
Die dann noch folgenden Empfehlungen sind Allgemeinplätze, die in ähnlicher Form auch für nicht-islamische Kinderbetreuungseinrichtungen geäußert werden können. Der festgestellte Forschungsbedarf im untersuchten Feld ist unbestritten vorhanden.
Passend zur Struktur und Arbeitsweise innerhalb der Evaluierung islamischer Kinderbetreuungseinrichtungen beginnt auch die Schlussbemerkung: Die Begründung für die medial transportierten Ausführungen findet sich in der Dokumentenanalyse. Die Aussage „In den untersuchten Kindergärten ließen sich diese Tendenzen wiederentdecken.“ verwundert an dieser Stelle und stimmt mit den Darstellungen im Abschlussbericht nicht überein. In den Ausführungen auf Basis der erhobenen Daten finden sich keine Hinweise auf salafistische oder islamistische Tendenzen in den Kinderbetreuungseinrichtungen. Die Argumentation endet wiederum bei den Verbänden und Organisationen bzw. deren „nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die pädagogische Arbeit der Kindergärten“ (S. 111).
Der konstatierte, weitere Forschungsbedarf zu differenzierten Analysen wie gegen Ende der Schlussbemerkung attestiert, bleibt ohne Frage bestehen: Auch der vorliegende Abschlussbericht ist dazu selbst nämlich nicht fähig. Jene Teile mit empirischer Fundierung zeigen, trotz diverser methodischer Mängel insbesondere beim Auswertungsverfahren, keine bedrohlichen oder gefährlichen Tendenzen auf. Die 40-seitigen Ausführungen der als Dokumentenanalyse qualifizierten Passage, stellt jene – medial transportierten – bedrohlichen und gefährlichen Tendenzen ohne Fundierung dar. Dieser Textteil bleibt wissenschaftlich zur Gänze intransparent, die Auswahl der Dokumente nicht nachvollziehbar und die Vorgangsweise im Rahmen der Analyse wird nicht erklärt.
Auch wenn die Form des Abschlussberichtes den üblichen Anforderungen entspricht, die methodische Umsetzung der Evaluierung tut dies nicht. Auf den ersten Blick sind die einzelnen Schritte besser maskiert, halten aber einer genaueren Überprüfung nicht stand. Auch die Endversion der Vorstudie bleibt im gleichen Fahrwasser und ist immer noch ein gutes Beispiel für ein schlechtes Beispiel. Wenn auch etwas weniger offensichtlich.
Nachwort – warum ist so eine Analyse sozialwissenschaftlich sinnvoll?
Methoden und deren Hintergründe, Methodologie genannt, sind sozialwissenschaftliche Werkzeuge. Dieses Handwerkzeug und das damit verbundene Wissen gewährleistet die Qualität der Arbeiten. Wer sein Auto in eine Werkstatt bringt, erwartet sich zurecht, dass die dort verwendeten Werkzeuge und Geräte exakt arbeiten und messen. Niemand würde dort auf die Idee kommen zu sagen, es wäre egal, ob z.B. die Bremsen korrekt eingestellt wurden. Auch wenn wir die Geräte nicht verstehen, erwarten wir uns, dass sie funktionieren. Dafür gibt es unterschiedliche Professionen.
Ebenso verhält es sich mit sozialwissenschaftlichen Instrumenten. Nur wenn korrekt gearbeitet wird, die Instrumente passend eingesetzt und die Ansprüche an diese Arbeiten erfüllt werden, können gültige Aussagen getroffen und soziale Phänomene dargestellt werden. Wer meint bei Sozialwissenschaften wäre dies anders, weil diese „keine wirkliche Wissenschaft“ (alles schon mal gehört 😉 ) wäre, zeigt nur keine Ahnung zu haben. Mensch zu sein qualifiziert nicht dafür Menschen zu beforschen. Oder anders formuliert:
Meinung und wissenschaftliche Erkenntnis sind zwei unterschiedliche Dinge: Ersteres kann jeder und jede haben, hat aber nichts mit Fakten und deren Richtigkeit zu tun. Behauptungen und Postulate ohne faktische Richtigkeit bleiben dies, auch wenn sie sich als Wissenschaft tarnen. Wissenschaftliche Erkenntnisse müssen ein Fundament haben, Beweise beinhalten und nachvollziehbar und überprüfbar sein.
An den medialen Konsequenzen aus den Debatten um islamische Kindergärten zeigt sich die Verantwortung von Forschung und Forschenden. Meinungen und Behauptungen ohne Fundament verursachen gesellschaftlichen Schaden. Wie schwierig und schmerzhaft es ist dies wieder zu reparieren, ist Geschichtsbüchern zu entnehmen.
Der Abschlussbericht ist zugänglich unter:
Adnan, Eslan: „Projektbericht. Evaluierung ausgewählter Islamischer Kindergärten und –gruppen in Wien. Tendenzen und Empfehlungen.“, Online veröffentlicht unter: https://typo3.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/p_iis/Abschlussbericht__Vorstudie_Islamische_Kindergarten_Wien_final.pdf
[Zuletzt abgerufen: 23.3.2016]
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