Punkt 8 geht von im Abschlussbericht geäußerten Postulaten aus: Die Trägervereine sollten überprüft werden, deren „positive Grundeinstellung gegenüber Staat und Gesellschaft“ (S. 109) gehört untersucht. Würde diese Empfehlung auf der Grundlage von Fakten getroffen werden, so bleibt zu konstatieren, dass der aufgebrachte Zusammenhang zwischen den Vereinen und den Kinderbetreuungseinrichtungen empirisch überprüft werden und auf dieser Basis Empfehlungen entwickelt werden sollten.
Die dann noch folgenden Empfehlungen sind Allgemeinplätze, die in ähnlicher Form auch für nicht-islamische Kinderbetreuungseinrichtungen geäußert werden können. Der festgestellte Forschungsbedarf im untersuchten Feld ist unbestritten vorhanden.
Passend zur Struktur und Arbeitsweise innerhalb der Evaluierung islamischer Kinderbetreuungseinrichtungen beginnt auch die Schlussbemerkung: Die Begründung für die medial transportierten Ausführungen findet sich in der Dokumentenanalyse. Die Aussage „In den untersuchten Kindergärten ließen sich diese Tendenzen wiederentdecken.“ verwundert an dieser Stelle und stimmt mit den Darstellungen im Abschlussbericht nicht überein. In den Ausführungen auf Basis der erhobenen Daten finden sich keine Hinweise auf salafistische oder islamistische Tendenzen in den Kinderbetreuungseinrichtungen. Die Argumentation endet wiederum bei den Verbänden und Organisationen bzw. deren „nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die pädagogische Arbeit der Kindergärten“ (S. 111).
Der konstatierte, weitere Forschungsbedarf zu differenzierten Analysen wie gegen Ende der Schlussbemerkung attestiert, bleibt ohne Frage bestehen: Auch der vorliegende Abschlussbericht ist dazu selbst nämlich nicht fähig. Jene Teile mit empirischer Fundierung zeigen, trotz diverser methodischer Mängel insbesondere beim Auswertungsverfahren, keine bedrohlichen oder gefährlichen Tendenzen auf. Die 40-seitigen Ausführungen der als Dokumentenanalyse qualifizierten Passage, stellt jene – medial transportierten – bedrohlichen und gefährlichen Tendenzen ohne Fundierung dar. Dieser Textteil bleibt wissenschaftlich zur Gänze intransparent, die Auswahl der Dokumente nicht nachvollziehbar und die Vorgangsweise im Rahmen der Analyse wird nicht erklärt.
Auch wenn die Form des Abschlussberichtes den üblichen Anforderungen entspricht, die methodische Umsetzung der Evaluierung tut dies nicht. Auf den ersten Blick sind die einzelnen Schritte besser maskiert, halten aber einer genaueren Überprüfung nicht stand. Auch die Endversion der Vorstudie bleibt im gleichen Fahrwasser und ist immer noch ein gutes Beispiel für ein schlechtes Beispiel. Wenn auch etwas weniger offensichtlich.
Nachwort – warum ist so eine Analyse sozialwissenschaftlich sinnvoll?
Methoden und deren Hintergründe, Methodologie genannt, sind sozialwissenschaftliche Werkzeuge. Dieses Handwerkzeug und das damit verbundene Wissen gewährleistet die Qualität der Arbeiten. Wer sein Auto in eine Werkstatt bringt, erwartet sich zurecht, dass die dort verwendeten Werkzeuge und Geräte exakt arbeiten und messen. Niemand würde dort auf die Idee kommen zu sagen, es wäre egal, ob z.B. die Bremsen korrekt eingestellt wurden. Auch wenn wir die Geräte nicht verstehen, erwarten wir uns, dass sie funktionieren. Dafür gibt es unterschiedliche Professionen.
Ebenso verhält es sich mit sozialwissenschaftlichen Instrumenten. Nur wenn korrekt gearbeitet wird, die Instrumente passend eingesetzt und die Ansprüche an diese Arbeiten erfüllt werden, können gültige Aussagen getroffen und soziale Phänomene dargestellt werden. Wer meint bei Sozialwissenschaften wäre dies anders, weil diese „keine wirkliche Wissenschaft“ (alles schon mal gehört 😉 ) wäre, zeigt nur keine Ahnung zu haben. Mensch zu sein qualifiziert nicht dafür Menschen zu beforschen. Oder anders formuliert:
Meinung und wissenschaftliche Erkenntnis sind zwei unterschiedliche Dinge: Ersteres kann jeder und jede haben, hat aber nichts mit Fakten und deren Richtigkeit zu tun. Behauptungen und Postulate ohne faktische Richtigkeit bleiben dies, auch wenn sie sich als Wissenschaft tarnen. Wissenschaftliche Erkenntnisse müssen ein Fundament haben, Beweise beinhalten und nachvollziehbar und überprüfbar sein.
An den medialen Konsequenzen aus den Debatten um islamische Kindergärten zeigt sich die Verantwortung von Forschung und Forschenden. Meinungen und Behauptungen ohne Fundament verursachen gesellschaftlichen Schaden. Wie schwierig und schmerzhaft es ist dies wieder zu reparieren, ist Geschichtsbüchern zu entnehmen.
Der Abschlussbericht ist zugänglich unter:
Adnan, Eslan: „Projektbericht. Evaluierung ausgewählter Islamischer Kindergärten und –gruppen in Wien. Tendenzen und Empfehlungen.“, Online veröffentlicht unter: https://typo3.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/p_iis/Abschlussbericht__Vorstudie_Islamische_Kindergarten_Wien_final.pdf
Kommentare (17)