Mit diesem Gespräch beginne ich eine kleine Serie an Interviews: SozialwissenschafterInnen aus unterschiedlichen Disziplinen sollen zu Wort kommen, deren Zugänge und Forschungsgebiete vorstellen und erzählen was genau sie dazu gebracht hat und daran fasziniert. Die Reihe eröffnet ein Gespräch mit Maria Schreiber, die ihre Dissertation zum Thema „Digitale Bildpraktiken. Handlungsdimensionen visueller, vernetzter Kommunikation.“ verfasst hat.
Zur Person: Mag. Dr. Maria Schreiber ist Sozial- und Kommunikationswissenschafterin, forscht und lehrt zu digitalen Medien mit einem Schwerpunkt zu visueller Kommunikation und Social Media. Sie ist im Vorstand des Wiener Frauennetzwerkes Sorority und twittert unter @perceptionalize.
Was ist Dein Forschungsgebiet und was fasziniert Dich daran?
Grob gesagt ist mein Forschungsgebiet das Internet. Das gibt es seit rund 20 Jahren und es fasziniert mich auch seitdem. Vor allem weil es darin um Menschen geht und wie etwas Technisches Beziehungen ermöglichen und auch verunmöglichen kann. Eben wie das Technische einen Zusammenhang mit unserem sozialen Zusammenleben haben kann. Angefangen hat das bei mir als ich mit 16 chatsüchtig geworden bin, und dann als Spezialgebiet zur Matura das Internet zum Thema gemacht habe. Und auch meinen ersten Freund hab‘ ich über das Internet gefunden, was Anfang der 2000er Jahre noch sehr ungewöhnlich war. Das hat dann weiter zum Publizistikstudium geführt und dort war ich überrascht, dass es darin nicht so viel um Digitales ging, sondern hauptsächlich um Print und Fernsehen. Aber zum Glück gab es in dem Fach immer die Möglichkeit die eigenen Interessen zu verfolgen und einzubringen.
Und Dein aktuelles Forschungsgebiet: Wie bist Du dort hingekommen?
Forschungsthemen ergeben sich bei mir aus Alltagsbeobachtungen, Dinge, die mir in meinem täglichen Leben begegnen. So bin ich auch zu dem Bilderthema gekommen. Mir ist so vor etwa 10 Jahren aufgefallen, dass ich meine Kamera nicht mehr verwende, sondern nur mehr Bilder mit dem Handy mache. Mir ist damals auch aufgefallen, dass Leute immer mehr private Bilder posten, auch weil das einfacher geht, wenn die Kamera direkt auf dem Gerät ist, von dem man die Bilder auch gleich posten kann. So kam ich zu meinem Thema „Digitale Bildpraktiken. Handlungsdimensionen visueller, vernetzter Kommunikation.“ Grundsätzlich geht es dabei um Transformationen von zwischenmenschlicher, visueller Kommunikation: Dass wir, so wie wir miteinander telefonieren, SMS schicken oder Briefe schreiben, seit ungefähr 10 Jahren auch Bilder schicken und herzeigen – vor allem auf diversen Social Media Plattformen im Internet. Unsere Verständigung hat sich also verschoben von schriftlicher hin zu visueller Kommunikation. Was ich so faszinierend finde ist, dass wir vorher schon Photos gemacht haben, aber jetzt sind sie zu Mitteln zwischenmenschlicher Kommunikation geworden, kleben nicht in irgendwelchen Alben, sondern schwirren jeden Tag millionenfach zwischen uns hin und her.
Diese Kommmunikationsform ist eine Mischung aus privater Photographie, SMS schicken und Computernutzung – ist quasi das Destillat aus allem. Konvergenz hat, kann man sagen, im Smartphone seinen Höhepunkt gefunden. Konvergenz meint dabei, dass in einem Gerät verschiedene mediale Funktionen und Kanäle zusammenkommen. Im Fall vom Smartphone sind das: Internet, Zeitung, Fernsehen, usw. also alles eigentlich. Was früher getrennt war, ist jetzt alles in einem Gerät. Etwas das dabei besonders auffällt ist, dass ältere Menschen mehr in Geräten oder Hardware denken und jüngere in Software. Das heißt ältere machen Urlaubsphotos mit der Kamera und Handyphotos – im Sinn von Schnappschüssen – auch mit dem Handy. Bei den jüngeren ist das anders, diese machen Photos für Snapchat oder Instagram und denken also an die verschiedenen Social Media Plattformen.
Was fasziniert Dich an diesem Thema?
Mich faszinieren Themen immer, wenn es auch viele Konflikte darum und auch Aufmerksamkeit dafür gibt. Gerade zum Beispiel bei Selfies und Selbstdarstellung stimmt das. Da wird beispielsweise gesagt „Oh mein Gott unsere Kinder sind bedroht“. Ich werde bei solchen Aussagen immer misstrauisch und möchte genauer dahinter schauen, was eigentlich wirklich passiert. Es gibt es ja das Phänomen der ‚moral panic‘, was bedeutet ‚etwas macht alles schlecht und ist böse, eine Gefahr für die Gesellschaft’ – diesen Vorwurf gibt es im Kontext vom Internet und damit zusammenhängenden Dingen sehr oft. Und da denke ich mir, das muss man eigentlich erst genau beforschen, weil es viel zu wenig Wissen gibt, um voreilige Schlüsse zu ziehen. Der erste Reflex von vielen älteren Menschen oder Eltern, Leuten die EntscheidungsträgerInnen ist, dass jüngere Menschen beschützt werden müssen und grundsätzlich unwissend und inkompetent sind. Das ist sehr bevormundend bzw. auch entmündigend. Eigentlich hat das nicht unbedingt mit dem Alter zu tun. Es gibt viele jüngere Menschen, die medial inkompetent sind, aber auch viele ältere. Das war für mich die grundlegende Frage, eben wie auch der Soziologe Erving Goffman sagt „what the fuck is going on here?“. Das halte ich überhaupt für eine gute sozialwissenschaftliche Ausgangsfrage. Überhaupt einmal zu verstehen, worum es da überhaupt geht. Welche unsichtbaren Regeln, Annahmen und Voraussetzungen spielen in einer sozialen Situation eine Rolle?
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