Welche gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Rolle spielt für Dich Dein Forschungsthema?
Einerseits ist Kommunikation und auch visuelle Kommunikation Schmierstoff für alle sozialen Beziehungen. Gesellschaft funktioniert nicht ohne Kommunikation. Egal wo, auf allen Ebenen, in Liebesbeziehungen, in Organisationen, in Familien, usw.. Es ist ganz wichtig zu verstehen, wie wir kommunizieren. Das zu verstehen bedeutet auch, dass wir verstehen, wie wir miteinander leben. Und natürlich auch wie wir miteinander zusammenleben möchten, das heißt: Was für eine Gesellschaft wollen wir eigentlich? Wie möchten wir diese gestalten? Und diese technische Infrastruktur oder das Internet ist ja kein neutraler Ort. Hinter den Plattformen über die wir kommunizieren, stecken auch kommerzielle Interessen. Die EigentümerInnen der Plattformen möchten Gewinn machen und das nämlich mit unseren Daten. Hier geht es auch um Verantwortung, natürlich auch um rechtliche Fragen und vor wem sich solche AkteurInnen verantworten müssen. Diese Plattformen und Social Media sind so stark und innig mit unserem Alltag verbunden. Die Frage ist: Was bedeutet das eigentlich, wenn ich meinen ganzen Alltag, meine Kommunikation, die Veranstaltungen zu denen ich gehe, die Radiosendungen, die ich höre, die Rezepte die ich suche, wenn ich das alles über eine Plattform gefiltert bekomme? Das führt mich zu dem Thema Wissen und News, also Nachrichten: Woher bekommt man das Wissen über die Welt? Wie komme ich zu meinem Wissen über die Welt und wer gestaltet das mit? Welche Algorithmen, welche Plattformen, welche FreundInnen, die mir Links weiterleiten, haben darauf einen Einfluss?
Was sind da Deine wichtigsten Erkenntnisse? Auch aus Deinem Dissertationsprojekt?
Eine wichtige Erkenntnis ist so wichtig, wie auch banal: Technik ist nicht an sich böse. Die Potentiale und Beschränkungen von technischen Dingen spielen immer mit dem zusammen was Menschen tun. Das eine kann man nicht ohne das andere betrachten. Und auch eindimensionale, kausale Diagnosen a la „Selfies sind narzisstisch“ oder „alle Jugendlichen sind Digital Natives“ sind zu kurz gegriffen und werden der Komplexität der Welt nicht gerecht. Gerade qualitative Methoden ermöglichen es, dass Sozialforschung die Komplexität der Welt aufzufächern kamnn und die vielfältigen Zusammenhänge und Bedingungen von – in diesem Fall digitaler – Kommunikation zu verstehen. Konkret heißt das zum Beispiel: Welches Photo ich wo poste, hat mit vielen Faktoren zu tun. Hauptsächlich damit wer der oder die AdressatIn, d.h. das Publikum für das Bild, ist. Da gibt es im Netz inzwischen eine große Spannbreite an Möglichkeiten. Ich kann ein Photo nur einer Person schicken, z.B. in Snapchat, und das Photo zerstört sich dann selbst. Ich kann es aber genauso auf meine Facebookseite mit z.B. 600 FreundInnen posten und damit zur Diskussion stellen. Das sind sozusagen ganz unterschiedliche Grade von Öffentlichkeit und aber auch von Interaktivität des Bildes. Es macht einen Unterschied, ob man es liken und kommentieren kann oder ob es eine intime Nachricht an eine spezifische Person ist. Das was auf den Bildern zu sehen ist und was darauf gezeigt wird, richtet sich auch nach dem Öffentlichkeitsgrad, wo das Bild und auch für wen es zu sehen ist. Ich vergleiche das gerne damit: Bilder auf Facebook oder Instagram entsprechen dem Sprechen von Hochdeutsch. Das ist quasi ordentlich und schön gefasst, dass es einfach jede/r versteht. Während in Messengerprogrammen gerne auch an spezielle Leute Bilder geschickt werden, die wie Dialekte oder Insiderschmähs funktionieren. Diese Bilder gehen an einen kleinen Kreis von Leuten, die wissen warum etwas schön oder auch lustig ist.
Wenn Du kurz umreißt, wie Du arbeitest: Wie gehst Du vor?
Ich arbeite nach den Prinzipien der rekonstruktiven Sozialforschung. Die Lebenswelten von Beforschten stehen dabei für mich im Mittelpunkt, die Zusammenhänge im Alltag und wie diese Menschen handeln. Es geht darum: Nicht nach dem einen warum zu fragen, sondern wirklich nachzuzeichnen, wie sie handeln und womit das etwas zu tun hat. Was für mich das Asset qualitativer Forschung ist, dass man so der eigentlichen Komplexität des Alltags gerecht werden kann – und auch dem Forschungsfeld bzw. den Menschen darin die Strukturierung der Kommunikation zu überlassen. Wenn ich Interviews führe, dann folge ich der Art und Weise wie meine InterviewpartnerInnen reden und höre vor allem zu. Anders als z.B. bei einem Fragebogen, wo die Kommunikation von den Forschenden vorstrukturiert wird und sich die Beforschten in diese vorgegebene Struktur einfügen müssen. In meiner Forschung kommen die Menschen selbst zu Wort, ihre Perspektive wird damit zugänglich und rekonstruierbar.
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