FiZ, das Forschungsinstitut Zivilgesellschaft, hat 2016 und 2017 rund 1500 Personen befragt, die während der Flüchtlingsbewegungen 2015 zivilgesellschaftlich aktiv waren. Die ersten Ergebnisse wurden Ende 2017 vorgestellt – Science.orf.at hat dazu berichtet und ein Scienceblogbeitrag zur Entstehung des Projektes findet sich hier! Vier Studierende von Andrea Schaffar führten im Wintersemester 2018/19 im Rahmen der Lehrveranstaltung Forman Forschungsmanagement an der Universität Wien das Projekt weiter und übernahmen eine Teilauswertung zum Mediennutzungsverhalten der Befragten. Das Ergebnis lässt sich nun hier lesen.
Gastautorinnen am Scienceblog Sociokommunikativ: Sophie Backhausen, Antonia Hauenschild, Nina Neumann, Marie-Therese Tauscher!
Wer waren die Menschen, die sich im Sommer 2015 organisiert haben, um Geflüchtete zu unterstützen? Sie werden als Zivilgesellschaft bezeichnet. Aber wer ist die Zivilgesellschaft und vor allem: Wie nutzt sie Medien und andere Kommunikationskanäle?
Rund 73 Prozent der befragten Zivilgesellschaft ist weiblich, mehr als zwei Drittel davon sind zwischen 26 und 55 Jahren alt. Der Großteil kommt aus Wien – vor allem aus der Leopoldstadt, Ottakring, Landstraße und Donaustadt. Zwei Drittel von ihnen leben in einer Beziehung, sind verheiratet oder verpartnert. Fast 60 Prozent haben einen Studienabschluss. Damit sind mehr als die Hälfte der HelferInnen AkademikerInnen. 40 Prozent der Befragten sind berufstätig, es haben sich aber auch sehr viele StudentInnen und PensionistInnen beteiligt. Das Einkommen von rund einem Drittel der HelferInnen liegt bei weniger als 1.500 Euro netto im Monat.
Mehr als die Hälfte der befragten HelferInnen hat selbst oder durch eine ihnen nahestehende Person Erfahrung mit Flucht oder Krieg. Sie alle engagierten sich im Sommer 2016 vor allem deshalb, weil sie das Gefühl hatten, etwas tun zu müssen. 40 Prozent wurden von Freunden und Bekannten zum Mitmachen ermutigt.
Der typische Helfer bzw. eigentlich die typische Helferin aus dem Sommer 2015 ist also weiblich, zwischen 26 und 55 Jahre alt und lebt in einer Beziehung, ist verheiratet oder verpartnert. Außerdem kommt sie aus Wien, ist Akademikerin und berufstätig. Diese stellt daher einen aus den Daten generierten Prototyp dar: Ist im Weiteren also von Frauen und ihrem Mediennutzungsverhalten die Rede, dann ist dieser Typus gemeint und befinden sich diese etwa immer im angegebenen Altersrahmen. Der Bogen zur Gesamtzivilgesellschaft wird im nun folgenden Text gespannt, um zusätzlich eine anschauliche Einbettung zu erzielen.
Mediennutzung
Die Mediennutzung der Zivilgesellschaft ist vor allem deshalb von Interesse, weil sie zeigt, wie die Hilfe organisiert wurde und im Sommer 2015 abgelaufen ist. Diese Umfrage macht deutlich, wie sich die Organisation der selbstorganisiert Helfenden von der Organisation professioneller NGOS unterscheidet. Sie liefert neue Daten und Perspektiven rund um die virtuelle Selbstorganisation der Zivilgesellschaft.
Die HelferInnen haben sich über Facebookgruppen, via Twitter oder Mailinglisten organisiert und Informationen verbreitet, wo Hilfe benötigt wurde. Vor allem diverse Social Media Kanäle waren für die Koordination und die Weitergabe von Informationen wichtig. Twitter und WhatsApp wurden für die Koordination eher seltener genutzt, häufiger waren SMS, vor allem wurden aber E-Mails und auch Facebook genutzt.
Frauen nutzten diese Kanäle vor allem zur Informationssuche und deren Weitergabe, Beiträge wurden hauptsächlich geteilt und geliked, aber nicht selbst geschrieben. Im Vergleich dazu kommentierten Männer weitaus häufiger, waren diskussionsfreudiger und haben auch mehr Beiträge selbst verfasst.
Für 30 Prozent der 25- bis 35-Jährigen waren Postings auf einem Social-Media-Kanal der Ansporn zum Mithelfen.
Die Ergebnisse der Umfrage bestätigen die These, dass sich die Helfenden über eben diese Kanäle organisieren und Social Media vor allem zur Informationsbeschaffung und -weitergabe nutzten. Die Ereignisse im Sommer 2015 können als ein Ad-hoc Steuerungsereignis gesehen werden, wobei die Logik der virtuellen Selbstorganisation beibehalten wurde und diese Schiene bei Bedarf weitergefahren wird.
Im Allgemeinen ergab die Befragung der HelferInnen zum Thema Mediennutzung im Rahmen der Flüchtlingsbewegung 2015/16, dass Social Media – im Speziellen Facebook – für 69 Prozent der Berufstätigen sehr wichtig war. Aber auch unter den Studierenden, die sich engagierten, spielte Social Media eine bedeutende Rolle. 90 Prozent gaben an, Facebook im Zusammenhang mit der Informationsbeschaffung rund um ihr Engagement und zum Thema im Allgemeinen zu verwenden.
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