Die Inhalte der Studie: Nun kommen wir zum unterhaltsamen Teil der heute veröffentlichen Seiten. Alles ab Seite 38 sind Tabellen bzw. Grafiken und Deskription. Darauf braucht nicht weiter eingegangen werden als weiter oben schon getan. Lustig ist der erste Teil der “Studie”. Wie auch immer die Ergebnisse, wie schon ausgeführt, entstanden sind, sie zeigen worum es geht. Deshalb hier einige Beispiele aus dem Dokument.

Beispielseite aus dem qualitativen Teil der “Studie” – S. 9

Cherrypicking aus den Erhebungen: Die ersten Seiten sind aus den Interviews und Gruppendiskussionen aus gewählte Aussagen. Einer Überprüfung halten diese nicht stand. Der Eindruck entsteht, dass diese willkürlich ausgewählt wurden.

Ab Seite 9 werden Informationen zu österreichischen Parteien dargestellt, jeweils eingeleitet durch “spontane Aussagen” zur jeweiligen Partei. Interessant ist mit welcher Partei begonnen wird. Die bzw. der Leser:in wird schon erraten haben, dass natürlich die ÖVP zuallererst angeführt wird.

Auf zusammengetragene “Werte und Inhalte” zur Partei, folgt eine Übersicht welche Persönlichkeiten der Partei erwähnt wurden. Das (vermutete, die Untersuchungen laufen noch) Ziel dahinter war die ÖVP unter Reinhold Mitterlehner in einem negativen Licht dazustellen, um die Basis für einen Wechsel an der Parteispitze herzustellen. Dafür wurden Aussagen zur ÖVP zusammengetragen. Nicht nachvollziehbar ist woher diese Aussagen stammen.

Warum auch immer folgt darauf “Die ÖVP als Automarke” mit Aussagen wie “fährt nicht so schnell, eher schön langsam” und “VW steckt durch Skandale auch in der Krise – gleich wie die ÖVP” plus zwei weitere Aussagen. Dies wiederholt sich auch für die anderen Parteien SPÖ, FPÖ, Grüne und Neos. Diese Parteien werden mit den Automarken Puch, Tesla, VW Bus, Skoda, VW Golf, Ford bzw. Opel illustriert.

Auf Seite 20 folgt ein “projektives Verfahren” zur “Familienbildung/Relation der einzelnen Parteien zueinander”. Wie diese Analyse entstanden ist, kann nicht nachvollzogen werden. Für die Erhebung gibt es einen Hinweis. Die Teilnehmer:innen der Gruppendiskussionen wurde gebeten sich die Parteien als Familie vorzustellen, um “Aufschluss über Abhängigkeitsverhältnisse innerhalb einer Gruppe, Beziehungen und Umgang untereinander” zu geben.

Der Text erinnert an einen Schulaufsatz in dem eine Familie beschrieben wird. Wenig überraschend wird als erstes die ÖVP als “Vater, teilweise als Großvater” erwähnt und alle anderen Parteien in Relation dazu beschrieben. In einer interpretativen Analyse wäre dies eine Stelle an der die erste generative Frage mit der Adressierung einer patriarchalen Struktur formuliert wird. Der SPÖ wird die Rolle als Mutter zugeteilt, den Grünen jene der Tochter und die FPÖ wird “teilweise als Sohn, der gerade aus der Pubertät kommt, gesehen”. Manchmal aber “auch als ‘bösen’ Onkel bzw. als ‘schwarzes’ Schaf”. Für die Neos bleibt die Rolle als Hausfreund, Nichte oder des Vaters der auf Dienstreise ist, oder aber auch als “kleines Kind”. Was auch immer mit diesen Zeilen bezweckt wurde, drängt sich die Vermutung auf, dass diese mehr das Mindset der Autor:innen zeigt als auf tatsächliche Analysen oder Transkripte zu verweisen.

Beispielseite aus dem qualitativen Teil der “Studie” – S. 21

Ohne Frage der skurrilste Teil folgt ab Seite 21: Hier werden Parteichefs und Politiker von ÖVP, SPÖ, FPÖ und Neos als Tiere dargestellt. Angeführt wird, dass die Teilnehmer:innen der Gruppendiskussionen gebeten wurden “sich unterschiedliche Politiker als Tiere” vorzustellen. Das Ziel dieser “Übung” war es “Aufschluss über die Wahrnehmung von Politikern in Hinblick auf unterschiedliche Eigenschaften, sowie deren Stellung in der Partei” zu geben.

Interessant ist, dass nur Männer untersucht wurden. Weibliche Politikerinnen kommen in der Analyse nicht vor. Eine Begründung für die Auswahl wird nicht geliefert. Interpretativ ist dies allerdings interessant. Vor dem Hintergrund des Wissens wie diese “Studien” beauftragt wurden und dass diese (vermutlich) Sebastian Kurz nutzen sollten, ist eine (mögliche) Erklärung jene der potentiellen Konkurrenten. Alle angeführten Personen können als solche bezeichnet werden. Politker:innen der Grünen, mit denen Kurz später eine Koalition eingegangen ist, gehörten scheinbar damals nicht dazu – diese Zeilen sind reine Vermutung, und könnten wahrscheinlich nach den Befragungen vor dem Untersuchungsausschuss beantwortet werden.

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Kommentare (10)

  1. #1 Daniel Eckert
    Graz
    Januar 27, 2022

    Man sollte vielleicht ergänzen, dass ein Teil der methodologischen Defizite nachfrageseitig bedingt sind. So interessieren sich Auftraggeber oft nur für einen “Executive summary” und dessen Präsentation, was die Darstellungsform miterklären könnte.

    • #2 Andrea Schaffar
      Januar 27, 2022

      Klar. Aber selbst wenn das so ist – hatte ich auch schon in der Vergangenheit – fügt man die Eckdaten zu Stichprobe bzw. Sampling, Erhebungsmethode, Auswertungsmethode etc. an. Kommt aber in den Seiten alles nicht vor.

  2. #3 Markus R.
    Wien
    Januar 27, 2022

    Also wenn diese Bewertung nach Wissenschaftlichen Kriterien stimmt und davon gehe ich nach dem (sehr gut und verständlich argumentierten) Artikel aus, würde mich interessieren, was in einem üblichen Fall normalerweise weiter passieren würde. Wenn Sie Fr. Schaffar einen solchen Artikel abliefern bei einem Auftaggeber abgeben würden (sehr hypothetisch gefragt, da ich nicht an ihrem Wissenschaftlichen Vorgehen zweifeln möchte), welche Möglichkeiten hat er (der Auftraggeber) hier, wenn an der Wissenschaftlichkeit gezweifelt würde?

    • #4 Andrea Schaffar
      Januar 27, 2022

      Komm darauf an ob es Auftragsforschung ist oder nicht. Bei Auftragsforschung kann natürlich einfach die Leistung zurückgewiesen werden. Entweder eine Überarbeitung verlangt oder nicht bezahlt werden, weil die Leistung nicht erbracht wurde. Gibt ja viel Auftragsforschung, die nie veröffentlicht wird.

      Bei öffentlichen Aufträgen ist das imho noch wichtiger da draufzuschauen. Sprich da muss noch viel genauer geprüft werden, ob das Ergebnis passt. Wenn Auftraggeber:innen dafür nicht die Skills haben – etwas das immer wieder vorkommt – dann kommt man als Wissenschafter:in schon mal schnell in die paradoxe Situation die Auftraggeber:innen belehren zu müssen. (Nix Angenehmenes, auch schon x Mal gehabt leider.) Aber im Endeffekt: Wenn’s so wenig passt, und das auch für Laien eindeutig zu sehen ist, wie in dem Fall, dann darf so eine Arbeit nicht abgenommen werden. Auch um die Institution zu schützen. Ist so wie bei jedem anderen, nicht-wissenschaftlichen Projekt auch. Wenn die Leistung nicht passt, wird nicht bezahlt und nicht abgenommen.

      Bei dem Konvolut liegt ja die Vermutung nahe, dass nie geplant war das zu veröffenltichen. 😉

  3. #5 Bernhard Kleinschmidt
    München
    Januar 27, 2022

    Mir scheint, die Defizite erklären sich daraus, dass dieses Machwerk ohnehin nur als Propagandainstrument (kontra Mitterlehner, pro Kurz) gedacht war. Das heißt, das Ergebnis der Studie sollte von Anfang an den gewünschten Kriterein entsprechen. Ein fundiertes Vorgehen hätte das vermutlich nicht erbracht.

    • #6 Andrea Schaffar
      Januar 27, 2022

      Ganz sicher. Und die Vorstellung, dass jetzt so einige ordentlich schwitzen, hat schon auch was. 😉

  4. #7 Matthias
    SC, USA
    Januar 27, 2022

    Da wird der Florian Freistetter ja bald zu seinem “Aschbacher-Update” noch das “Beinschab-Update” dazunehmen muessen… 🙂

  5. #8 Klaus Klein
    Bogota
    Januar 27, 2022

    Sehr geehrte Frau Schaffar,

    vielen Dank für Ihre Bemühungen und der Aufarbeitung dieses “Prunkstückes” aus der österreichischen Politik.
    Folgender Absatz von Seite 25 gefällt mir besonders:
    Die Quelle allen Geldes sind die Bürger. Daher hat der sorgsame Umgang mit dem Steuergeld für mich oberste Priorität.
    Wäre ich noch Steuerzahler in Österreich, würde ich eine Sammelklage auf Rückzahlung anstreben.

  6. #9 Joseph Kuhn
    Januar 27, 2022

    Im Moment ist die Studienseite nicht aufrufbar, vielleicht überlastet.