Interessant ist, dass mit Christian Kern (SPÖ) gestartet wird. Er wird als “eitler Pfau”, “Hirsch” und “Fuchs” bezeichnet. Hier findet sich auch ein Satz zur Analyse: “Christian Kern wird mit schlauen, machtorientierten Tieren, die sich gerne in Szene setzen, in Verbindung gebracht”. Als zweite Person wird Reinhold Mitterlehner (ÖVP) angeführt, jener Parteichef der von Sebastian Kurz ersetzt wurde. Mitterlehner wird als “als eher zurückhaltendes Tier, das gegebenenfalls rabiat werden kann, gesehen”. Zur Imagebildung werden Hase, Affe, Hyäne und Maulwurf dargestellt. Bei beiden Personen gehen sämtliche Aussagen in eine negative Richtung. Ein Indikator, der darauf verweist in welche Richtung die Analyse ausgerichtet ist.

Beispielseite aus dem qualitativen Teil der “Studie” – S. 22

Als nächste werden Hans Peter Doskozil (SPÖ) und Sebastian Kurz (ÖVP, damals Außenminister) angeführt. Bei Kurz gibt es die erste rein positive Aussage “sieht süß aus” neben dem Photo eines Eichhörnchens und die Analyse “wird mit schlauen, zielstrebigen Tieren in Verbindung gebracht”. Nach diesen beiden werden noch damalige Finanzminister Hans Jörg Schelling, der ehemalige FPÖ Parteichef Heinz Christian Strache und der damalige Neos-Parteichef Matthias Strolz als Tiere dargestellt. Bei Schelling, damals Minister im beauftragenden Ministerium, finden sich positive Aussagen wie “hat den Überblick” und “ein Tier, das nicht so offensichtlich ist, aber alles mitbekommt”. Strache und Strolz werden Aussagen mit negativer Richtung zugeschrieben.

Im Anschluss an die Tierdarstellung werden Aussagen bezüglich unterschiedlicher Inhalte ausgeführt und analysiert. Auch hier wiederum: Wie diese Analysen zustande kamen, ist nicht nachvollziehbar. Kategorien, wie die “Verständlichkeit/Inhalt”, “Zuordnung zu Parteien/Politiker”, “Glaubwürdigkeit” und “Fazit” werden dargestellt. Auf den folgenden Seiten werden Inhalte rund um Finanzen, Arbeitslosigkeit, Steuergeld, u.ä. ausgeführt – alles Themen, die von der ÖVP bzw. Kurz zu späteren Zeitpunkte aufgegriffen wurden. Der letzte Abschnitt bietet einen Ausblick und beschäftigt sich mit Wirtschaftsthemen, Zukunftsthemen, Arbeitszeitverkürzung, Leistung, Mindestsicherung und Strategien, wie z.B. “Wir müssen weg von Ankündigungen hin zu Resultaten kommen”. Aussagen, die an Wahlkampfslogans aus vergangenen Wahlkämpfen erinnern. Dann werden nach politischen Wahrnehmungen der Gruppen in den Gruppendiskussionen – Unternehmer und leitende Angestellte – die Wahrnehmungen zu Parteien angeführt. Warum letzteres für das die Studie finanzierende Finanzministerium relevant sein sollte, erschließt sich nicht.

Ab Seite 39 folgt der einzige Fließtext: Hier wird zu Beginn auf das Studiendesign eingegangen. Interessant ist, dass die Aussagen aus den Folien zu Beginn des Dokuments den Angaben auf S. 39 widersprechen. Zu Beginn, auf S. 3, wird von 3 Gruppendiskussionen und 10 Tiefeninterviews gesprochen. Am Ende dieses Abschnittes ist allerdings nur mehr von Tiefeninterviews die Rede, die Gruppendiskussionen werden nicht mehr erwähnt. Hier wird nun geschrieben, dass “25 BürgerInnen, gestreut nach Alter und Geschlecht, sowie 10 Unternehmer befragt” wurden. Hier wird nun auch die Länge der Interviews mit “ca. 45 Minuten” und der Erhebungszeitraum mit 14.8.-25.8. angegeben, wie auch auf eine darauf aufbauende Onlinebefragung verwiesen.

Diese Inkonsistenz wirft die Frage auf, ob die Gruppendiskussionen und Interviews stattgefunden haben. Dass die Angaben über die Erhebungen auseinandergehen, ist ungewöhnlich. Nachdem – im Regelfall – solche Studien eine intensive Auseinandersetzung mit dem empirischen Material erfordern, vergessen die beteiligten Wissenschafter:innen wohl kaum wie gearbeitet wurde. Zum Abschluss gibt es noch einen Abschnitt mit Empfehlungen – interessant wäre es diese mit dann in späteren Wahlkämpfen getätigten Aussagen zu vergleichen.

Fazit zum Dokument: In Summe wurden 155.940 € ab Steuergeldern für “Studien” ausgegeben, die keinen wissenschaftlichen Grundlagen entsprechen. Weder ist transparent wie die Erhebungen gestaltet wurden, noch in welcher Form ausgewertet und analysiert wurde. Selbst wenn man eher lockere Standards anlegen würde, wie dies der Markt- und Meinungsforschung manchmal nachgesagt wird, unterschreitet diese Dokument auch jene Kriterien. Offen bleibt warum das Finanzministerium Aussagen über Parteien und Politiker:innen benötigt. Die Vermutung, dass Ziel und Zweck der “Studien” die Generierung von Materialien zur medialen Verwertung, erscheint plausibel. Wie auch bei den Studien zu den Islamkindergärten, wird Wissenschaft instrumentalisiert, um tendentiösen Aussagen eine seriösen Anstrich zu geben. Und wie auch bei den Studien zu Islamkindergärten besteht ein Zusammenhang zu Sebastian Kurz. Eine Erklärung dafür und Aufklärung über die Hintergründe werden die österreichischen Steuerzahler:innen – hoffentlich – im nächsten Untersuchungsausschuss bekommen. Dringend notwendig wäre dies.

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Kommentare (10)

  1. #1 Daniel Eckert
    Graz
    Januar 27, 2022

    Man sollte vielleicht ergänzen, dass ein Teil der methodologischen Defizite nachfrageseitig bedingt sind. So interessieren sich Auftraggeber oft nur für einen “Executive summary” und dessen Präsentation, was die Darstellungsform miterklären könnte.

    • #2 Andrea Schaffar
      Januar 27, 2022

      Klar. Aber selbst wenn das so ist – hatte ich auch schon in der Vergangenheit – fügt man die Eckdaten zu Stichprobe bzw. Sampling, Erhebungsmethode, Auswertungsmethode etc. an. Kommt aber in den Seiten alles nicht vor.

  2. #3 Markus R.
    Wien
    Januar 27, 2022

    Also wenn diese Bewertung nach Wissenschaftlichen Kriterien stimmt und davon gehe ich nach dem (sehr gut und verständlich argumentierten) Artikel aus, würde mich interessieren, was in einem üblichen Fall normalerweise weiter passieren würde. Wenn Sie Fr. Schaffar einen solchen Artikel abliefern bei einem Auftaggeber abgeben würden (sehr hypothetisch gefragt, da ich nicht an ihrem Wissenschaftlichen Vorgehen zweifeln möchte), welche Möglichkeiten hat er (der Auftraggeber) hier, wenn an der Wissenschaftlichkeit gezweifelt würde?

    • #4 Andrea Schaffar
      Januar 27, 2022

      Komm darauf an ob es Auftragsforschung ist oder nicht. Bei Auftragsforschung kann natürlich einfach die Leistung zurückgewiesen werden. Entweder eine Überarbeitung verlangt oder nicht bezahlt werden, weil die Leistung nicht erbracht wurde. Gibt ja viel Auftragsforschung, die nie veröffentlicht wird.

      Bei öffentlichen Aufträgen ist das imho noch wichtiger da draufzuschauen. Sprich da muss noch viel genauer geprüft werden, ob das Ergebnis passt. Wenn Auftraggeber:innen dafür nicht die Skills haben – etwas das immer wieder vorkommt – dann kommt man als Wissenschafter:in schon mal schnell in die paradoxe Situation die Auftraggeber:innen belehren zu müssen. (Nix Angenehmenes, auch schon x Mal gehabt leider.) Aber im Endeffekt: Wenn’s so wenig passt, und das auch für Laien eindeutig zu sehen ist, wie in dem Fall, dann darf so eine Arbeit nicht abgenommen werden. Auch um die Institution zu schützen. Ist so wie bei jedem anderen, nicht-wissenschaftlichen Projekt auch. Wenn die Leistung nicht passt, wird nicht bezahlt und nicht abgenommen.

      Bei dem Konvolut liegt ja die Vermutung nahe, dass nie geplant war das zu veröffenltichen. 😉

  3. #5 Bernhard Kleinschmidt
    München
    Januar 27, 2022

    Mir scheint, die Defizite erklären sich daraus, dass dieses Machwerk ohnehin nur als Propagandainstrument (kontra Mitterlehner, pro Kurz) gedacht war. Das heißt, das Ergebnis der Studie sollte von Anfang an den gewünschten Kriterein entsprechen. Ein fundiertes Vorgehen hätte das vermutlich nicht erbracht.

    • #6 Andrea Schaffar
      Januar 27, 2022

      Ganz sicher. Und die Vorstellung, dass jetzt so einige ordentlich schwitzen, hat schon auch was. 😉

  4. #7 Matthias
    SC, USA
    Januar 27, 2022

    Da wird der Florian Freistetter ja bald zu seinem “Aschbacher-Update” noch das “Beinschab-Update” dazunehmen muessen… 🙂

  5. #8 Klaus Klein
    Bogota
    Januar 27, 2022

    Sehr geehrte Frau Schaffar,

    vielen Dank für Ihre Bemühungen und der Aufarbeitung dieses “Prunkstückes” aus der österreichischen Politik.
    Folgender Absatz von Seite 25 gefällt mir besonders:
    Die Quelle allen Geldes sind die Bürger. Daher hat der sorgsame Umgang mit dem Steuergeld für mich oberste Priorität.
    Wäre ich noch Steuerzahler in Österreich, würde ich eine Sammelklage auf Rückzahlung anstreben.

  6. #9 Joseph Kuhn
    Januar 27, 2022

    Im Moment ist die Studienseite nicht aufrufbar, vielleicht überlastet.