Vor ein paar Wochen kam in der neuen Reihe nature geoscience eine Arbeit heraus, in der die Autoren argumentieren Einschlagsgewitter kilometergroßer Asteroiden hätten vor rund 470 Mio Jahren dazu geführt, dass die Biodiversität explodierte.
Ich dachte mir, heute am Jahrestag der Bombardierung Dresdens ist das vielleicht der richtige Zeitpunkt, diesen Artikel zu reviewen.
Ich muss zugeben, ich habe geschmunzelt, als ich im letzten Sommer das erste Mal von der Idee gehört habe. Ich mochte die zynischen Umdrehung, die den Asteroideneinschlag nicht mehr als Katastrophe begreift, sondern als Geschenk des Himmels.
Im Mittleren Ordovizium (vor ca. 450 Mio Jahren) kam es irgendwo in der Ferne des Alls zu einem Ereignis mit dem poetischen Namen “L-chondrite-parent body break up”. Als Folge dieses break-ups werden die zahlreichen ordovizischen Asteroitenkrater gedeutet die wir weltweit auf der Erde finden. Wenn wir zum Beispiel von Deutschland ein wenig weiter nördlich nach Schweden und Estland gehen, dann sehen wir, dass die dort ihr Dresden vor rund 450 Mio Jahren hatten. Es gibt dort eine ganze Menge kleinerer und größerer Meteoritenkrater wie z.B. Granby, Lockne, Kardla und Tvaren, um nur einige zu nennen.
Der Zeitpunkt an dem der Asteroidenregen kulminierte koinzidiert nun genau mit dem Zeitpunkt an dem die Ordovizische Radiation ihren letzten und größten Schwung nahm, einem Zeitpunkt als die Biodiversität so stark angestiegen ist wie nie zuvor und erst wieder ein paar Hundert Millionen Jahre später. Hier das Bild aus der Arbeit von Schmitz et al.
Die Autoren argumentieren daher, dass die Einschläge dort die Evolution in Schwung gebracht hätten, weil sie einfach mal ein bisschen durchs Gemüsebeet geackert sind, so richtig ohne Rücksicht auf Verluste. Die Krater sollen ausserdem dazu beigetragen haben die Landschaft zu zersplittern und damit einer größeren Vielfalt Raum zu geben. Aus Ruinen auferstanden…
Es gab ja einen allierten Paleobiologen mit Sinn für Humor und gute Geschichten, der hatte diese Idee schon ein paar Jahre früher, als er argumentierte der Chicxulub Einschlag hätte am Ende der Kreide den zufälligen Überlebenden den großen Big Bang gegeben.
Wenn man allerdings genauer hinschaut, dann ist diese Logik der Erzählung sogar noch älter. Es ist eine von vielen apokalyptischen Geschichten um Katastrophe und Erlösung. Das Verlockende an solchen Geschichten ist ja immer, dass sie sich so unterhaltend erzählen lassen.
Es gibt jedoch ein paar Ereignisse welche von den Autoren vernachlässigt werden und die die ganze Geschichte in ihrer schönen Klarheit im besten Falle fragwürdig erscheinen lassen.
Die Untersuchung basiert auf Daten aus dem baltischen Raum. Im Ordovizium war Baltoscandia ein Kontinent der irgendwo auf der Südhalbkugel rumgedümpelt ist. Am Beginn des Ordoviziums lag er noch ganz weit im Süden, im Mittleren Ordovizium rutschte er dann langsam näher an den Äquator und im späten Ordovizium gab es schon massenhaft Riffe im Baltikum und der Kontinent lag in den Tropen. Der Zeitpunkt des größten Wachstums der baltoskandischen Diversität koinzidiert nun mit einem Zeitpunkt in dem sich die dort abgelagerten Sedimente drastisch ändern, nämlich von deutlichen Kaltwasserablagerungen zu temperierten karbonatischen Ablagerungen. Zudem stieg zu diesem Zeitpunkt der Meerespiegel deutlich an und der besiedelbare Platz auf dem Kontinent erhöhte sich damit drastisch. Genau zu diesem Zeitpunkt nun kulminieren auch noch die Kraterhäufigkeit.
Die sedimentären Ablagerungen des baltischen Kontinents legen einen Zusammenhang des Biodiversitätsanstiegs mit dem des relativen Meerespiegels und dem veränderten Klima weit näher als die Geschichte mit den Asteroiden. Ich bin noch ein wenig auf der Suche nach dem Mythos, der Meeresspiegelerhöhung mit Blüte und Fruchtbarkeit in Verbindung bringt. Mir fällt dummerweise immer nur die Arche Noah ein. Das passt nicht so richtig.
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