Wissenschaft funktioniert weil wir unsere Hypothesen falsifizieren. Solange wir nur weiße Schwäne kennen gilt die Hypothese “Schwäne sind weiß”. Solange, bis wir den schwarzen Schwan finden. Wissenschaftliche Theorien sind daher im Idealfall immer falsifizierbar. Es gibt jedoch manchmal kniffelige Grenzfälle.

Einer davon ist die Theorie des Punctuated Equilibrium (Eldridge & Gould 1972, Gould & Eldredge 1977). Die Theorie des punktuierten Gleichgewichts besagt, dass die evolutive Artbildung kein gradueller, zeitlich kontinuierlicher Vorgang ist, sondern, abwechselnd mit Zeiten langer Stasis sprunghaft vor sich geht. Eine Art bildet sich Quasi als sprunghafter Phasenübergang. Paläontologen sagen sowas, weil sie, wenn sie sich die Gesteinschichten von unten nach oben anschauen eben jene Stasis und Sprünge in der Fauna finden.

Nun sind Gesteinschichten von Natur aus diskontinuierliche Ablagerungen, das heisst, sie setzen sich aus dokumentierten Zeitphasen und aus Zeitlücken zusammen. Manchmal wird in einem Zentimeter ein Tag repräsentiert, manchmal 10000 Jahre, manchmal fehlen dazwischen 100000 Jahre. Manchmal lässt sich für Geologen diese Diskontinuität recht einfach messen, oft ist das aber extrem schwierig und die Zeitlücken lassen sich nur vermuten. Beinah unmöglich wird das wenn wir Schichten die langsam abgelagert wurden mit sehr hoher zeitlicher Auflösung analysieren wollen.

Man kann nun einwenden, die Faunensprünge seien Folge der lückenhaften Überlieferung. Falsifiziert ist die Theorie des Punctuated Equilibrium jedoch nur wenn man zeigen kann, dass alle dokumentierten Sprünge Überlieferungslücken sind. Das ist natürlich unmöglich und die Theorie ist damit praktisch nicht falsifizierbar. Daher wird dem Punk Eek auch immer wieder Unwissenschaftlichkeit vorgeworfen. Wichtig ist es daher für die Punk Eek viele Beispiele zu zeigen, zu zeigen, dass bei kontinuierlicher Sedimentation Sprünge stattfinden.

Jetzt komme ich langsam dahin worauf ich hinaus will. Eine der ersten Arbeiten, die nach Gould & Eldgredge (1977) eine hochauflösende sprunghafte Evolution dokumentierte und seitdem immer wieder als klassisches Beispiel angeführt wird ist die Arbeit, basierend auf der Dissertation von Peter G. Williamson über känozoische Mollusken am Turkana See in Kenia.

Williamson hat für diese Arbeit umgehend und bis in die 1990iger herbe Kritik einstecken müssen. Anderserseits bleibt sie bis zu Gould (2002) das Beispiel prima facie für die Punk Eek. Von Kollegen habe ich munkeln hören, dass Williamsons früher Tod und seine lange Krankheit möglicherweise im Zusammenhang mit der anhaltenden Spannung zwischen positiver Beachtung und massiver Kritik an seiner vielbeachteten Dissertation lag. Bis heute ist das Paper laut Google Scholar 111 mal zitiert worden.

Das Vorläufig letzte Zitat ist die Arbeit von Van Bocxlaer et al. in der aktuellen Nummer von Evolution, auch Teil einer Dissertation. Van Bocxlaer et al. haben versucht nach aktuellem Standard und Wissen die von Williamson untersuchten Schichten aufzulösen und haben die Fauna mit deutlich mehr und genauer gesammeltem Material erfasst. Dabei konnten sie zeigen, dass die evolutiven Sprünge, welche Williamson sah tatsächlich Invasionsereignisse neuer Arten sind. Sie können allerdings nicht sagen woher die neuen Arten stammen, wo und wie die neuen Arten im Turkana Becken entstanden sind. Das ist ein Problem, ähnlich der Zeitlücken, welches sich bei der paläontologischen Arbeit immer wieder einstellt: die Arten scheinen von irgendwoher zu kommen. Es lässt sich ganz schwer zeigen, dass die Arten tatsächlich vor Ort entstanden sind. Sie verschwinden unterm Blick.

Van Bocxlaer et al. müssten in anderen geographischen Skalen bei gleicher Zeitauflösung schauen, zB.auf ganz Afrika um die Ursprungsorte der invasiven Arten zu finden. Sicher wird das in nächster Zeit einmal möglich sein. Ich befürchte ja, dass man dann sehen wird, dass an bestimmten Stellen plötzlich, punktiert neue Arten auftreten und man wird versuchen müssen die zeitliche Auflösung zu erhöhen…