Das hier ist der zweite Artikel zum Thema Radioisotopenbatterien. Der erste beschäftigte sich mit der Frage, was ohne Radioisotopenbatterien geht und was nicht. Diesmal geht es um die Radioisotopen an sich.

Radioisotopenbatterien sind eigentlich ganz einfach. Man hat Kapseln mit radioaktivem Material, das aufgrund seiner Radioaktivität heiß wird. Aus der so entstehenden Wärme erzeugt man Strom. Wie genau man den Strom erzeugt ist aber schon das nächste Thema. Vor dem Strom muss erst einmal die Wärme erzeugt werden. Die Energie dafür wird beim radioaktiven Zerfall instabiler Isotope frei. Im Vergleich zu normalen Brennstoffen sind die Energien riesig. Während bei chemischen Reaktionen kaum mehr als ein paar Elektronenvolt Energie frei werden, misst man die Energie beim radioaktiven Zerfall in keV und MeV. (Ein Elektronvolt ist die Energie die ein Elektron hätte, wenn man es zwischen zwei Kondensatorplatten mit einer Spannung von einem Volt beschleunigt.)

Man kann aber nicht einfach jedes radioaktive Material für den Bau von Radioisotopenbatterien nehmen. Denn die Spannbreite der freigesetzten Energie ist groß. Beim Zerfall eines Tritium Atoms (H-3) in ein Elektron und ein Helium-3 Atom werden etwa 18,6 keV frei. Diese Energie muss sich das Elektron aber mit einem Neutrino teilen, dessen Energie fast nicht absorbiert werden kann. (So ein Neutrino hat ernsthafte Chancen einen ganzen Planeten unbeeindruckt zu durchdringen!) Dem Elektron bleiben im Schnitt etwa 5,7keV. Im Vergleich zerfällt ein Plutonium-238 Atom in ein Uran-234 und ein Helium-4-Atom, wobei 5,6 MeV frei werden. Fast 1000 mal so viel Energie pro Zerfall. Allerdings wiegt so ein Pu-238 Atom auch fast 80mal so viel wie Tritium. Noch viel mehr Energie bringt die Kernspaltung (die auch ganz spontan passieren kann), mit etwa 200MeV pro Atom.

Damit kennen wir schon die ersten Kriterien. Um so leichter das Atom und um so mehr Energie pro Atom frei wird, um so besser für die Energiedichte. Allerdings geht es hier um spontanen radioaktiven Zerfall von Atomen. Wir können den Atomen leider nicht vorschreiben, wann sie zu zerfallen haben. Sie zerfallen zufällig mit einer bestimmten Halbwertszeit – die Zeit in der die Hälfte einer gegebenen Zahl Atome zerfällt. Jedes mal, wenn ein Atom zerfällt, setzt es seine Zerfallsenergie frei.

Von einem Isotop mit einer Halbwertszeit von 50 Jahren werden in jeder Sekunde doppelt so viele Atome zerfallen, als von einem Isotop mit einer Halbwertszeit von 100 Jahren. Das Isotop würde mit der halben Halbwertszeit also pro Sekunde doppelt so viel Energie freisetzen. Eine kurze Halbwertszeit bringt also eine höhere Leistung mit sich. Zumindest so lange man die gleiche Zahl von Atomen dieses Isotops hat. Nach 100 Jahren und zwei Halbwertszeiten ist ein Viertel der Atome des ersten Isotops übrig. Die Leistung der Radioisotopenbatterie wäre nun also auf ein Viertel gesunken. Zur gleichen Zeit ist aber erst eine Halbwertszeit des zweiten Isotops vergangen. Halb so viele Atome, die halb so schnell zerfallen wie die des ersten Isotops, bringen nach 100 Jahren also die gleiche Leistung.

Die Halbwertszeit ist also ein zweischneidiges Schwert. Um so länger sie ist, um so länger kann die Mission dauern – aber um so mehr Material wird für die gleiche Leistung gebraucht und um so schwerer wird die Batterie. Der erste Mondrover Lunochod nutzte Polonium-210 um während der 14 Tage dauernden Mondnacht nicht auszukühlen. Dieses Isotop hat eine Halbwertszeit von 138 Tagen, eine Zerfallsenergie von 5,3 MeV und setzt 140W Wärme pro Gramm frei – zumindest so lange dieses Gramm noch nicht zerfallen ist. Für eine Langzeitmission wie die Voyager Sonden wäre das natürlich nicht geeignet. Dort hat man Pu-238 verwendet, mit einer etwa 233 mal so langen Halbwertszeit von 88 Jahren.

Aber damit ist noch längst nicht alles geklärt. Die nächste Frage ist, welche radioaktiven Zerfälle in der Isotopenbatterie vorkommen. Beta-Zerfälle gehen nicht nur mit den harmlosen Neutrinos einher, sondern oft auch mit Gamma-Strahlung. Dauerhafte starke Gammastrahlung kann aber auch die strahlungsresistente Elektronik der Raumsonde beschädigen – ganz zu schweigen von den viel weniger strahlungsresistenten Technikern, die sie am Boden zusammenbauen müssen. Man braucht also eine Abschirmung, die der Gewichtsbilanz schadet.

Wollte man eine solche Radioisotopenbatterie am Boden verwenden, wäre das zusätzliche Gewicht kein Problem (die Strahlung beim Zusammenbau hingegen schon!). Starke Gammastrahler wie Cs-137 fallen deswegen aus der Auswahl heraus. Reine Beta-Strahler, wie Sr-90 sind schon besser geeignet. Allerdings erzeugen sehr energiereiche Elektronen beim Aufprall auf schwere Atome Röntgenstrahlung, als Bremsstrahlung. Schließlich ist die Energie der Elektronen der Beta-Strahlung durchaus vergleichbar mit der einer Röntgenröhre, bei Sr-90 sogar deutlich höher. Anders als die Prallkathode der Röntgenröhre ist Sr-90 aber nicht darauf optimiert möglichst viel Röntgenstrahlung zu erzeugen. Auf eine Abschirmung (etwa 1-2cm Dicke) kann man aber auch da nicht verzichten.

Deswegen wird meistens reinen Alpha-Strahlern der Vorzug gegeben. Man muss dabei aber darauf achten, ob in der Zerfallskette des Alphastrahlers nicht noch ein starker Gamma-Strahler lauert, der beim Zerfall in größeren Mengen entsteht. Plutonium-238 zerfällt zu Uran-234, ein Alpha-Strahler mit einer Halbwertszeit von über 300.000 Jahren. Die weitere Zerfallskette wird dadurch kaum angetastet, womit Plutonium-238 ein sehr gut geeignetes Isotop ist.

Zu guter letzt spielt auch die Chemie eine Rolle. Das Radioisotop muss in eine chemische Form gebracht werden, die auch bei hohen Temperaturen stabil ist und in der Kapsel bleibt. Ein Edelgas wie Krypton-85 ist also denkbar ungeeignet und auch Caesiumisotope sind wegen der niedrigen Verdampfungstemperatur von Caesium selbst und möglicher chemischer Verbindungen kaum geeignet. Diese Eigenschaft ist auch der Grund, weshalb Caesium ein so großes Problem bei einer Kernschmelze wie in Fukushima Daiichi darstellt. Das verdampfte Caesium kühlt ab und bildet einen sehr feinen Staub. (Der Staub setzt sich zwar in einigen Stunden ab (90% in 8-12 Stunden), aber das hilft wenig, wenn das Containment nie dafür ausgelegt wurde nach einer Kernschmelze dicht zu bleiben und auch keine Filter nachgerüstet wurden.)

Die ESA will nun Radioisotopenbatterien mit Americium-241 bauen lassen. Mit einer Halbwertszeit von 433 Jahren und 114W pro Kilogramm ist der Stoff durchaus brauchbar, auch wenn er nur ein Viertel der Leistung von Plutonium-238 bringt. Spätestens an dieser Stelle sollte auch klar sein, weshalb man nicht von Anfang an auf Americium gesetzt hat. Jede Radioisotopenbatterie mit diesem Stoff wird bei gleicher Anfangsleistung deutlich mehr wiegen als eine Batterie mit Pu-238, zumal auch der Schutz vor Unfällen wegen der größeren Menge einen größeren Aufwand erfordert. Der einzige Vorteil ist, dass die Wärmeerzeugung viel langsamer abfällt und man daraus prinzipiell länger Strom beziehen kann.

Das nächste Posting beschäftigt sich dann mit der Frage, um die es mir eigentlich von Anfang ging: Woher bekommt man die Isotope eigentlich?

Kommentare (2)

  1. […] gibt.(Teil 1 hat sich mit der Frage beschäftigt, wozu man Radioistopenbatterien braucht. Teil 2 hat erklärt, woran man ein taugliches Radioisotop für diesen Zweck […]

  2. […] 5-teiligen Serie. Teil 1 hat sich damit beschäftigt, warum man Radioisotopenbatterien braucht. Teil 2 beschrieb, welche Anforderungen man an die Radioisotopen für so eine Batterie stellen muss. Im […]