Woher kommen eigentlich die Radioisotope und warum gibt es kaum noch Plutonium-238 für Raumsonden? In Teil 3 schauen wir uns an, welche möglichen Quellen es für Radioisotope gibt.(Teil 1 hat sich mit der Frage beschäftigt, wozu man Radioistopenbatterien braucht. Teil 2 hat erklärt, woran man ein taugliches Radioisotop für diesen Zweck erkennt.)
Bergbau
In größeren Mengen findet man in der Natur nur Uran und Thorium. Die kürzeste Halbwertszeit der beiden hat Uran-235. Bei einer Halbwertszeit von 700mio Jahren bräuchte man aber 10 Tonnen U-235 um ein Gramm Pu-238 zu ersetzen.
In der Natur kommt auch Radium-226 vor. Ein Zerfallsprodukt von Uran-238, das mit einer Halbwertszeit von 1600 Jahren in jedem Uranerz vorkommt. Wenn man der Wikipedia glauben darf, dann werden heute jedes Jahr ungefähr 100g Radium-226 produziert. Selbst wenn mehr davon produziert würde, ist Radium-226 auf keinen Fall ein guter Kandidat für eine Radioisotopenbatterie.
Radium-226 zerfällt zu Radon-222, ein radioaktives Edelgas mit kurzer Halbwertszeit, an das sich noch eine ganze Kette weiterer sehr instabiler Stoffe anschließen, die in vergleichsweise kurzer Zeit zerfallen. Wenn man unbedingt will, kann man das positiv sehen. Jeder weitere Alpha-Zerfall setzt nochmal 5-6 MeV Energie frei. Bis man schließlich und endlich bei stabilem Blei-206 ankommt. Über die ganze Kette verteilt wird so viel Energie frei, dass die Bilanz sogar besser als bei Americium-241 ist. Allerdings handelt man sich damit eine riesengroße Sauerei ein, wie überall in der Natur wo es Uran- oder Thoriumvorkommen gibt.
Denn das Radon Gas bleibt nicht unbedingt in dem Uranerz oder Radium. Es bleibt aber nur kurze Zeit ein Gas, nach dem nächsten radioaktiven Zerfall wird es wieder zum Metall. (Polonium und Blei zum Beispiel). Die immernoch instabilen, radioaktiven Zerfallsprodukte setzen sich im besten Fall wieder auf dem Radium oder an der Behälterwand ab. Aber ein Teil bildet einen sehr feinen radioaktiven Staub, der im Behälters freigesetzt würde. Deswegen wird Plutonium-238 in der Praxis in eine widerstandsfähige keramische Form gebracht. Auch wenn es beschädigt wird, kann man ein festes Material noch ohne zu große Rückstände einsammeln.
Wenn man andere radioaktive Stoffe in größeren Mengen herstellen möchte, muss man auf Kernreaktoren zurück greifen.
Spaltprodukte
Die Kernspaltung ist die offensichtlichste Methode, in einem Kernreaktor an radioaktives Material heran zu kommen. Ein großes Atom (wie U-235) wird gespalten, es kommen zwei kleinere Atome heraus. Die Spaltung passiert dabei nach dem Zufallsprinzip. Das genaue Ergebnis läßt sich im Einzelfall nicht vorhersagen. Fest steht nur: Meistens wird kein stabiles Atom dabei heraus kommen. Große Atomkerne brauchen viel mehr Neutronen um stabil zu sein als kleine Atomkerne. Diese Form von radioaktivem Abfall ist bei der Kernspaltung unvermeidlich. Probleme mit dem Nachschub wird man also nicht haben.
Wenn man ein großes Atom in zwei kleine zerteilt, haben die zu viele Neutronen für ihre Größe um stabil zu sein. Ein paar Neutronen stoßen die kleinen Atomkerne direkt ab, aber die meisten überschüssigen Neutronen im Kern verwandeln sich im Lauf der Zeit zu einem Proton und ein Elektron. Wegen dem zusätzlichen Proton verwandelt sich das Atom in ein Element mit einer um 1 höheren Ordungszahl im Periodensystem. Diesen unvermeidlichen Prozess nennt man Beta-Zerfall und daraus könnte man Energie beziehen, mit allen Problemen die ich dazu schon im letzten Beitrag beschrieben habe. (Übrigens: Beim Alpha-Zerfall verliert ein Atom zwei Protonen und zwei Neutronen und wird ein Element mit einer um zwei niedrigeren Ordungszahl.)
In der englischen Wikipedia gibt es eine gute Darstellung der Spaltprodukte:
Wir sehen die Halbwertszeit in der Spalte links und die Spaltprodukte entsprechend ihrer Häufigkeit rechts. Wie man sieht entstehen bei der Kernspaltung nur Stoffe mit Halbwertszeiten zwischen 4 und 97 Jahren, sowie zwischen 210.000 Jahren und 15mio Jahren. (Es gibt noch Stoffe mit kürzeren Halbwertszeiten die schneller zu stabilen Stoffen werden. Aber die sind weder für Radioisotopenbatterien noch für langfristige Atommülllagerung interessant, weshalb sie in der Tabelle auch nicht auftauchen.)
Wie wir wissen, sind extrem lange Halbwertszeiten schlecht für die Leistung der Radioisotopenbatterie. Es bleibt also nur der Blick auf den oberen Teil der Tabelle. Cadmium-113m und Zinn-121m entstehen in zu kleinen Mengen. Europium-155 und Samarium-153 entstehen zwar bei der Kernspaltung, absorbieren die reichlich vorhanden Neutronen im Reaktor aber so gut, dass sie vollständig zu andere Stoffe verwandelt (“transmutiert”) werden. Krypton-85 ist als Edelgas ungeeignet.
Es bleiben hier nur noch Strontium-90 und Caesium-137 zur Auswahl, die ich schon besprochen habe. Beide können bei der Aufarbeitung von Brennstäben aus Kernreaktoren gewonnen werden. Tatsächlicht erlangte Sr-90 beim Einsatz in Radioisotopenbatterien traurige Berühmtheit. Nicht in der Raumfahrt, sondern beim Einsatz als Energiequelle für Leuchttürme an der sibirischen Küste. Durch den vollständigen Kollaps der Wirtschaft nach dem Zerfall der Sovietunion wurden diese nun ganz sich selbst überlassen und teilweise auch von Plünderern beschädigt.
“Soviet RTG” (Finnmark regional government – CC)
Actinide
Actinide werden auch Transurane oder Aktivierungsprodukte genannt. Sie entstehen im Betrieb eines Reaktors aus dem Uran der Brennstäbe, das nicht gespalten wird. Zum einen werden nur 88% der Uran-235 Atome tatsächlich gespalten, wenn sie ein Neutron einfangen. Daraus entsteht das eher uninteressante Uran-236. Aus Uran-236 kann durch ein weiteres eingefangenes Neutron und einen Beta-Zerfall auch eine kleine Menge Neptunium-237 entstehen.
Die meisten Actinide entstehen, wenn das nicht spaltbare Uran-238 langsame Neutronen einfängt. Uran-238 macht dn größten Teil des Urans in einem Brennstab aus. Daraus entsteht zunächst das spaltbare Plutonium-239. Es zerfällt mit einer Halbwertszeit von etwa 24000 Jahren zu Uran-235, was aber zu lang für eine Radioisotopenbatterie ist. Wenn Pu-239 ein (langsames) Neutron einfängt, wird es in 2 von 3 Fällen gespalten. Wenn nicht, entsteht das nächst höhere Isotop, das mit langsamen Neutronen nicht spaltbar ist: Pu-240.
Je nach Reaktor ist knapp die Hälfte aller im Betrieb gespaltenen Atome ein Pu-239 Atom. Damit ist klar, das auch viel Pu-240 vorhanden sein wird. Das ist auch gut so, denn Plutonium mit großem Pu-240 Anteil ist nicht mehr für Atombomben geeignet. Aber beim Bau von Radioisotopenbatterien bringt uns auch das nicht weiter. Pu-240 hat eine Halbwertszeit von knapp 10.000 Jahren, was immernoch zu lang ist.
Um so länger ein Brennstab im Reaktor bleibt, um so mehr Pu-240 bildet sich und um so mehr Pu-240 Atome haben Zeit, noch ein weiteres Neutron einzufangen. Dabei entsteht wieder das nächst höhere Isotop: Pu-241. Das ist zwar spaltbar, aber wegen der großen Mengen Pu-240 in den Brennstäben entsteht das Pu-241 zunächst viel schneller als es Neutronen einfangen oder gespalten werden kann. Am Ende sieht der Plutonium-Gehalt der Brennstäbe ungefähr so aus:
Und hier wird es interessant, weil Pu-241 ein Beta-Strahler mit knapp 15 Jahren Halbwertszeit ist. Dabei entsteht ein Isotop des nächsthöheren Elements – Americium-241. Das kennen wir schon, daraus möchte die ESA ihre Radioisotopenbatterien bauen. Besonders reines Americium-241 erhält man, wenn man wartet bis es von allein im Plutonium aus den Wiederaufarbeitungsanlagen entsteht.
Nun mag man sich fragen: Ok, wir wissen wie man Pu-239 erzeugt und so ziemlich jedes höhere Plutonium-Isotop. Wie um alles in der Welt kommen wir zu Pu-238?
Transmutation
Plutonium ist das nächsthöhere Element nach Neptunium. Ein Beta-Zerfall kann aus einem Neptunium-Isotop ein Plutonium-Isotop machen. Aus Uran-238 kann nur deswegen durch einen Neutroneneinfang ein Plutonium-239 Atom entstehen, weil Uran-239 ein sehr instabiler Beta-Strahler ist und zu Neptunium-239 wird. Das ist genauso instabil. Und so erhalten wir Plutonium-239.
Die Herstellung von reinem Plutonium-238 funktioniert so ähnlich. Neptunium-238 ist ein sehr instabiler Beta-Strahler, der sich in Pu-238 verwandelt. Neptunium-237 hingegen ist relativ stabil, mit einer Halbwertszeit von einer halben Million Jahren. Man muss also nur eine Probe aus reinem Np-237 den Neutronen eines Kernreaktors aussetzen und es entsteht Pu-238.
Und woher kommt das Np-237? Es entsteht einmal in den Brennstäben aus nicht gespaltenem Uran-235, aber auch beim langsamen Alpha-Zerfall von Americium-241.
Für die Herstellung von Plutonium-238 braucht man also Wiederaufbereitungsanlagen und einen geeigneten Reaktor. Und da liegt das Problem. Man kann nicht einfach in ein Kernkraftwerk gehen und ein paar Kilo Neptunium in den Reaktor hängen. Denn wenn das entstandene Pu-238 weiter Neutronen einfangen kann, dann wird daraus Pu-239 und der ganze Aufwand war umsonst. Das Neptunium muss regelmäßig aus dem Reaktor heraus genommen werden um das frisch entstandene Pu-238 abzutrennen. Wenn man auf diese Art Kiloweise Pu-238 herstellen will, braucht man leistungsfähige Forschungsreaktoren mit einigen hundert MW Leistung und hoher Neutronenflussdichte.
Solche Reaktoren sind darauf ausgelegt Proben regelmäßig zu wechseln. Die hohe Neutronenflussdichte macht den Prozess deutlich schneller, weil mehr Neutronen in kürzerer Zeit die Probe durchdringen. Der letzte amerikanische Reaktor dieser Art, Teil der Fast Flux Test Facility (FFTF), wurde 1997 abgeschaltet. Es war nicht der einzige Forschungsreaktor der zu dieser Zeit abgeschalten wurde, nachdem die Clinton-Administration die Budgets für die Reaktorforschung zusammengestrichen hat. Der FFTF Reaktor wurde aber nie entgültig abgerissen, sondern in “cold standby” gehalten. Es gibt Pläne ihn demnächst wieder zu reaktivieren.
Ganz ähnlich wie Pu-238 wird auch Polonium-210 hergestellt, das die Wärmequelle für die ersten sovietischen Mond-Rover war. (Der Ausgangsstoff dafür ist natürliches Bismuth-209.)
Im nächsten Teil geht es um die Frage, wie genau man eigentlich aus Radioaktivität Strom gewinnen kann, damit die Batterie auch zur Batterie wird.
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