Ein Uran-238 Atom hat zum Beispiel 92 Protonen (deswegen ist es Uran) und wiegt so viel wie 238 Protonen, deshalb ist es das Isotop 238 von Uran. Hätte das Atom 94 Protonen, wäre es kein Uran, sondern Plutonium. Es gibt aber ein Isotop von Plutonium mit seinen 94 Protonen, das auch so viel wiegt wie 238 Protonen. Das ist Plutonium-238.

Es lag nun die Idee nahe, dass der Kern einfach aus zwei Arten von Teilchen besteht. Protonen und den anderen. Die anderen mussten die Eigenschaft haben, dass sie die Chemie nicht beeinflussen. Denn auf chemischem Weg kann man Isotope des gleichen Elements nicht trennen. Diese Teilchen mussten also neutral sein und folglich nannte man sie Neutronen.

Anders als Protonen haben Neutronen keine Ladung und sie sind auch nicht stabil. Ein einzelnes Neutron im freien Raum hat eine Halbwertszeit von 15 Minuten. Neutronen verwandeln sich dann ein Proton und ein Elektron. Das ist der klassische Beta-Zerfall oder genauer Beta-Minus-Zerfall, weil ein negativ geladenes Elektron entsteht das sich schnell bewegt und hier die “Strahlung” darstellt. (Die Namen folgen der Reihenfolge der Entdeckung und wurden später noch ergänzt, erwartet hier also keine Logik.)

Nun fragt man zurecht, wenn Neutronen nicht stabil sind, warum hängen so viele davon in den Atomen und warum sind die überhaupt stabil? Die genaue und einzig richtige Antwort darauf liefert die Quantenchromodynamik … und die habe ich nicht wirklich kapiert. Also tue ich hier das, was die Physiker damals auch getan haben: Ich beschreibe welche Auswirkungen die Neutronen im Atomkern offensichtlich haben. Das reichte nachweislich für den Bau von Atombomben und Kernkraftwerken. (Ja, “was geht” kann auch zur Lebenseinstellung werden.)

Zunächst einmal hat man festgestellt, dass zwischen allen Teilchen im Atomkern eine anziehende Kraft wirkt, die starke Kernkraft. Sie ist genauso groß zwischen zwei Neutronen wie zwischen zwei Protonen oder zwischen einem Proton und einem Neutron. Wenn ein Neutron und ein Proton zusammen kommen, dann kleben sie aneinander. Interessanterweise wird das Neutron dadurch stabil. Zusammen mit dem Proton bildet es ein neues physikalisches System, das weder ein Neutron noch ein Proton ist und auch kein Neutron das neben einem Proton steht. Die genauen inneren Eigenschaften von diesem System sind für mich ein Buch mit sieben Siegeln. Aber es ist ein stabiles System, es hat die gleiche Ladung wie ein Proton und hat alle Eigenschaften die wir vom Wasserstoff-2 Isotop kennen und an ihm messen können. (Dieses Isotop wurde so früh entdeckt, dass es noch einen eigenen Namen bekam, der sich eingebürgert hat. Man nennt es Deuterium.)

Ein zweites Neutron kann zusammen mit dem Deuterium ein neues System bilden: Tritium. Ein Atomkern aus einem Proton und zwei Neutronen – oder besser gesagt, ein quantenchromodynamisches System das aus einem Proton und zwei Neutronen gebildet werden kann. (Ich werde diesen Teil ab jetzt weg lassen. Aber bitte denkt immer daran, dass ein Atomkern keine Ansammlung von Roten und Weißen Murmeln ist und sich mit dem Murmelmodell nichts wirklich erklären lässt. So leicht ist es leider nicht und ich wollte euch unbedingt an den Grenzen meines Wissens teilhaben lassen. Seht es als Ansporn, besser als ich zu werden – das geht nicht nur hier, sondern überall, nur allzu leicht.)

Das Problem beim Tritium ist: zwei Neutronen sind zu viel für ein Proton. Das System ist nicht stabil. Es hat eine Halbwertszeit von etwa 12 Jahren. Danach verwandelt es sich in ein System aus zwei Protonen, einem Neutron und einem Elektron. Es bildet sich ein Helium-3 Kern. Das Elektron entfernt sich dabei mit hoher Geschwindigkeit von dem Helium-3 Kern, es ist Beta-(Minus-)Strahlung.

Das ist ein typisches Verhalten für alle Atomkerne, die ein paar zu viele Neutronen für ihre Protonen haben. Sie sind instabil und bekommen ein zusätzliches Proton im Kern an der Stelle eines Neutrons. Das wegfliegende Elektron gleicht die Ladung aus. Hat ein Atomkern vielzuviele Neutronen, kann sogar ein Neutron direkt weg fliegen. (Solche merkwürdigen Atomkerne entstehen manchmal nach der Kernspaltung und das ist äußerst wichtig für die Kontrollierbarkeit und Sicherheit von Kernreaktoren.)

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Kommentare (21)

  1. #1 bruno
    6. Mai 2015

    tldr: das ging aber fix :) vielen dank!!

  2. #2 Ludger
    6. Mai 2015

    Gute Zusammenfassung von dem, was davon ins Allgemeinwissen gehört – auch für Altphilologen :-) .

  3. #3 HF(de)
    6. Mai 2015

    “Sie sind instabil und bekommen ein zusätzliches Proton im Kern an der Stelle eines Neutrons. Das wegfliegende Elektron gleicht die Ladung aus.”
    Das verstehe ich nicht: wir haben doch jetzt ein Proton mehr im Kern (1 Neutron-> 1 Proton+ 1 Elektron), und wenn das Elektron wegfliegt, sollte das neue Atom doch positiv geladen sein!? Sprich: ein Ion zurückbleiben? Wo wird da Ladung ausgeglichen? Wiki hilft mir da auch nicht weiter…

    • #4 wasgeht
      6. Mai 2015

      Du hast es schon richtig verstanden. Es bleibt ein Ion und ein (zunächst) freies Elektron zurück. Ich bezog mich mit dem Satz auf den Ladungserhaltungssatz.

      Würde nur ein Neutron zu einem Proton werden und sonst nichts passieren (also kein Elektron frei werden), würde eine Ladung aus dem Nichts entstehen. Und das darf in der Physik, nach allem was wir wissen, nirgens passieren.

  4. #5 bruno
    6. Mai 2015

    so, gelesen.
    ich finds super aufbereitet, genau, was ich brauche! ich hatte faktisch keine chemie in der schule – und brauche dieses wissen sonst “nirgens” – und hätte es mir freiwillig nicht angeeignet. “wasistwas”-für-erwachsene :) mir gefällts!
    und jetzt habe ich ein grundlegendes verständnis und kenne nun (endlich) den unterschied zwischen ordnungszahl und atomgewicht – was mich durchaus verwirrte… und kann die artikel über die space-batterien besser nachvollziehen.
    eine frage:

    Es hat eine Halbwertszeit von etwa 12 Jahren. Danach verwandelt es sich in ein System aus zwei Protonen, einem Neutron und einem Elektron. Das Elektron entfernt sich dabei mit hoher Geschwindigkeit, es ist Beta-(Minus-)Strahlung.

    was bleibt dann übrig? also, was ist “2 protonen, 1 neutron, 0 elektronen”?
    freue mich schon auf den folgenden teil!

    • #6 wasgeht
      6. Mai 2015

      Ich dachte, ich hätte es erwähnt (aber es war 2 Uhr nachts …)

      2 Protonen und ein Neutron ist das Element mit der Ordnungszahl 2 und Atomgewicht 3. Also Helium 3.

  5. #7 bruno
    6. Mai 2015

    …ich steh aufm schlauch. ohne jedes elektron?

    • #8 wasgeht
      6. Mai 2015

      Im allgemeinen interessiert bei der Betrachtung des Atomkern nicht, ob sich gerade Elektronen um den Atomkern befinden oder nicht. Ich fürchte, das hat hier sehr zur Verwirrung beigetragen. Sorry.

      Ein Kern mit zwei Protonen ist immer ein Heliumkern. Es kann passieren, dass dem Kern einige oder alle seiner Elektronen abhanden kommen. In einem Plasma muss das sogar so sein. Aber der Kern hat ohne die Elektronen eine positive Ladung und wird alle Elektronen der näheren Umgebung anziehen, so dass er meistens nicht lange ohne Elektron bleibt.

      (Durch ein Plasma schwirren alle Atome mit so hoher Geschwindigkeit, dass die Elektronen bei jeder Kollisionen dem Kern wieder entrissen werden. Wenn ein Kern doch wieder welche eingefangen hat, bleibt das nicht lange so. Das hört auf, wenn sich das Plasma abkühlt … aber wenn es aufhört, ist es kein Plasma mehr, sondern nur noch ein sehr heißes Gas. )

  6. #9 bruno
    6. Mai 2015

    ok!. …also ist 3He (zwangsläufig) nur im Plasma verfügbar? …und sobald dieses abkühlt, behält 3He sein(e) Elktronen wieder und ist (xy)He?
    resp. wie lange kann 3He ohne Elektron(en) verbleiben? Ich wage mich aus dem fenster und sage 10hochminusX – also irgendwie deutlich weniger als 12 jahre… :) danke dir!

    • #10 wasgeht
      6. Mai 2015

      Nein. He-3 hat in einem Plasma zwangsläufig keine Elektronen. (Weil ein Plasma so definiert ist.)

      Aber wenn es nicht so weit aufgeheizt ist, dass es zum Plasma wird, ist Helium-3 einfach nur ein Edelgas, noch etwas leichter als normales Helium-4.

      Helium-3 hält ewig. Bisher hat noch nie jemand gesehen, dass Helium-3 ohne Einfluss von außen zerfallen wäre.

  7. #11 maikm
    FRA
    7. Mai 2015

    Also das nenn ich mal ne tolle Geschichte. Danke!
    Als Laie muss ich gestehen, dass ich das bisher nichtmal ansatzweise verstanden habe. Der Text hier hilft da sehr weiter. Weiter so!

  8. #12 bruno
    7. Mai 2015

    sorry, bevor ich den zweiten teil lese …muss ich noch mal… (saudumm)… nachfragen: habe ich atome ohne elektronen in meinem wohnzimmer? stabiles 3He hat schon seine elektronen wieder, oder? …oder ist jahrelang stabil auch ohne elektronen? (wir lassen mal plasma weg und reden von meinem wohnzimmer). und dann nochmal die frage: wie lange kann (3He/ irgendein atom) in meinem wohnzimmer auf sein/e elektronen verzichten?

    (ich fürchte, mir sind diese sachverhalte so dermassen unklar, die dir so unnachfragbar klar sind, dass wir evtl. leicht aneinander vorbeireden… ;) ich kenne das aus meiner “expertise”, wo ich manchmal lange dialoge habe, bis mir auffällt, dass mein gegenüber von anderen/ falschen annahmen ausgeht, die ich überhaupt nicht in betracht zog, weil es eben andere/ falsche und somit letztlich unzulässige betrachtungsweisen sind…)

    ums (evtl.) abzuschliessen:

    Aber der Kern hat ohne die Elektronen eine positive Ladung und wird alle Elektronen der näheren Umgebung anziehen, so dass er meistens nicht lange ohne Elektron bleibt.

    …was habe ich mir entsprechend unter “nicht lange” vorzustellen? …näher an “12 Jahre” oder näher an “10hochminusX” ?

    …liegt vielleicht auch daran, dass ich den beta-zerfall überhaupt nicht verstanden habe (um den geht es ja in dieser frage) und meine atome einfach aus murmeln bestehen… complicado!

    • #13 wasgeht
      7. Mai 2015

      Ein Atomkern kann im Prinzip ewig ohne Elektronen auskommen und ist dabei auch nicht in seiner Stabilität gefährdet. Es ist nur so, dass unter normalen Bedingungen so viele Elektronen in der Nähe jedes Atoms herum schwirren, dass sie nie lange ohne Elektronen sind – ob sie wollen oder nicht. Wir reden da eher von Mikrosekunden als Jahren. ;)

    • #14 wasgeht
      7. Mai 2015

      Ein Atomkern kann im Prinzip ewig ohne Elektronen auskommen und ist dabei auch nicht in seiner Stabilität gefährdet. Es ist nur so, dass unter normalen Bedingungen so viele Elektronen in der Nähe jedes Atoms herum schwirren, dass sie nie lange ohne Elektronen sind – ob sie wollen oder nicht. Wir reden da eher von Mikrosekunden als Jahren. ;)

  9. #15 bruno
    7. Mai 2015

    ok! also eher kommunikations- als verständnis-problem :)
    …dann traue ich nun doch an den zweiten teil ;) tx!

  10. #16 bruno
    7. Mai 2015

    …falls du es nicht kennst: google mal “radio eriwan” :) also: im prinzip ja, aber… :)

    …könnte ein guter spruch werden von … “wasgeht” :)
    ..geht das? im prinzip ja…..aber! :)

    https://de.wikipedia.org/wiki/Radio_Jerewan

    (spielt bei E. Kishon eine grosse rolle… den kennt man evtl. auch nicht mehr…?)

    kann man also auf die frage: ist mein wohnzimmer frei von elektronenlosen isotopen?
    antworten mit: im prinzip ja! …aber .. (?) ;)

    • #17 wasgeht
      7. Mai 2015

      Also im Prinzip schon!

  11. #18 bruno
    7. Mai 2015

    oh… nehme 3x :) zurück….

  12. […] dem ersten Teil, geht es im zweiten Teil geht es um Gammastrahlung, Isomere, Neutrino und den ganzen […]

  13. […] alles in einem Artikel zusammen zu bringen. Einige wichtige Grundlagen sind in den Artikeln “Elemente, Isotope und Radioaktivität” und “Was heißt hier eigentlich Spaltbar?“. Ein kleiner Teil des Artikels stammt […]

  14. […] erst einmal mit einem Grundlagenartikel zu starten. Der kam etwas später unter dem Titel “Elemente, Isotope, Radioaktivität“. Auch zu den Grundlagen gehört die Klärung der Frage, was man eigentlich unter […]