Die Neutronen hängen aber nicht nur im Kern herum und zerfallen, wenn es zu viele werden. Ganz im Gegenteil: Sie halten die Atomkerne wie Klebstoff zusammen. Die Protonen sind alle positiv geladen und gleiche Ladungen sollten sich abstoßen, um so stärker um so näher sie zusammen kommen. Viel näher als in einem Atomkern können sich zwei positive Ladungen aber kaum kommen. Die starke Kernkraft zieht zwar beide Protonen aneinander an, aber die abstoßende Kraft ist immernoch etwas größer. Damit ein Heliumatom (ein Atom mit zwei Protonen) entstehen kann, braucht es wenigstens noch ein Neutron. Das Neutron klebt an beiden Protonen, ohne sie zusätzlich abzustoßen und so kann das Atom stabil sein.

(Doch nochmal: Das da oben ist eine schöne Geschichte die viele Eigenschaften der Atome zufällig ganz gut beschreibt, aber keine physikalische Realität. Treibt man die Geschichte mit den klebrigen Murmeln zu weit, will gar damit rechnen, kommt Blödsinn heraus. Und ich werde die Geschichte hier noch weiter treiben und nicht alles kann im Detail Sinn machen.)

Ein Atomkern mit zu wenig Neutronen ist also auch ein instabiles System. Entweder es fliegt einem sofort um die Ohren, oder es muss etwas geschehen, das das System stabiler macht. Es braucht mehr Neutronen oder weniger Protonen. Wenn nicht zufällig ein Neutron vorbei kommt, muss ein Proton zum Neutron werden. Dazu muss das Proton seine positive Ladung los werden. Entweder es es fängt sich ein Elektron aus der Atomhülle ein und wird so zum Neutron, oder es gibt die positive Ladung in Form eines Positrons ab und wird so zum Neutron. Ein Positron ist ein lustiges Teilchen. Es hat alle Eigenschaften eines Elektrons, ist aber positiv geladen. Deswegen nennt man das den Beta-Plus-Zerfall. Er ist in der Praxis aber eher selten. Bei der Kernspaltung entstehen nur Atome mit zu vielen Neutronen und die schmeißen noch dazu mit Neutronen um sich, so dass es in Reaktoren praktisch nur Beta-Minus-Zerfälle gibt.

Wenn ein Positron auf ein Elektron trifft, lösen sich beide auf und es entsteht ein kleiner Lichtblitz aus zwei Photonen (Lichtteilchen) die in entgegengesetzte Richtung fliegen. Das Positron ist das Antiteilchen des Elektrons. Der Lichtblitz ist extrem kurzwellig, wie Röntgenlicht. Weil die beiden Photonen in genau entgegengesetzte Richtung fliegen, kann man auch genau sagen, auf welcher Linie sich das Atom befand, als es zerfiel. Zerfallen viele Atome, hat man viele solcher Linien und man kann ganz genau sagen, wo all diese Atome sind. Das ist unheimlich praktisch, wenn man vorher schon weiß, dass sich diese Atome in einem Krebstumor im Körper anreichern werden. Dann kann man genau sagen, wo der Tumor ist. Das Verfahren nennt man Positronen-Emission-Tomographie (PET).

Aber zurück zum Thema.

Es stellt sich heraus, dass große Atomkerne mit vielen Protonen mehr Neutronen als Klebstoff brauchen, als kleine Atomkerne mit wenigen Protonen. Dafür fällt es in den großen Kernen aber auch mehreren Neutronen etwas leichter, sich ein ein Proton als Partner zu teilen und somit stabil zu bleiben. Große Atomkerne haben also im Vergleich zur Zahl ihrer Protonen viel mehr Neutronen als kleine Atomkerne.

Bei den ganz großen Atomkernen kann es nun passieren, das ganze Teile aus dem Kern ausgestoßen werden. Scheinbar ist das stabilste Teil, das aus einem Kern ausgestoßen werden kann, ein Teilchen aus zwei Protonen und zwei Neutronen. Das ist ein ganz normaler Helium-Atomkern. Allerdings kommt er mit Karacho aus dem Kern geschossen. Und weil er so schnell ist und so viel Energie hat, hat man ihn zunächst für eine Art von Strahlung gehalten. Weil er so viel Energie und Masse hat, war diese Form von “Strahlung” auch die erste die man gefunden hat: Die Alpha-Strahlung.

Und weil ich jetzt bei fast 1900 Wörtern angekommen bin und ich überhaupt gar nicht so viel schreiben wollte, kommt die Gamma-Strahlung und der ganze Rest in ein zweites Posting.

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Kommentare (21)

  1. #1 bruno
    6. Mai 2015

    tldr: das ging aber fix :) vielen dank!!

  2. #2 Ludger
    6. Mai 2015

    Gute Zusammenfassung von dem, was davon ins Allgemeinwissen gehört – auch für Altphilologen :-) .

  3. #3 HF(de)
    6. Mai 2015

    “Sie sind instabil und bekommen ein zusätzliches Proton im Kern an der Stelle eines Neutrons. Das wegfliegende Elektron gleicht die Ladung aus.”
    Das verstehe ich nicht: wir haben doch jetzt ein Proton mehr im Kern (1 Neutron-> 1 Proton+ 1 Elektron), und wenn das Elektron wegfliegt, sollte das neue Atom doch positiv geladen sein!? Sprich: ein Ion zurückbleiben? Wo wird da Ladung ausgeglichen? Wiki hilft mir da auch nicht weiter…

    • #4 wasgeht
      6. Mai 2015

      Du hast es schon richtig verstanden. Es bleibt ein Ion und ein (zunächst) freies Elektron zurück. Ich bezog mich mit dem Satz auf den Ladungserhaltungssatz.

      Würde nur ein Neutron zu einem Proton werden und sonst nichts passieren (also kein Elektron frei werden), würde eine Ladung aus dem Nichts entstehen. Und das darf in der Physik, nach allem was wir wissen, nirgens passieren.

  4. #5 bruno
    6. Mai 2015

    so, gelesen.
    ich finds super aufbereitet, genau, was ich brauche! ich hatte faktisch keine chemie in der schule – und brauche dieses wissen sonst “nirgens” – und hätte es mir freiwillig nicht angeeignet. “wasistwas”-für-erwachsene :) mir gefällts!
    und jetzt habe ich ein grundlegendes verständnis und kenne nun (endlich) den unterschied zwischen ordnungszahl und atomgewicht – was mich durchaus verwirrte… und kann die artikel über die space-batterien besser nachvollziehen.
    eine frage:

    Es hat eine Halbwertszeit von etwa 12 Jahren. Danach verwandelt es sich in ein System aus zwei Protonen, einem Neutron und einem Elektron. Das Elektron entfernt sich dabei mit hoher Geschwindigkeit, es ist Beta-(Minus-)Strahlung.

    was bleibt dann übrig? also, was ist “2 protonen, 1 neutron, 0 elektronen”?
    freue mich schon auf den folgenden teil!

    • #6 wasgeht
      6. Mai 2015

      Ich dachte, ich hätte es erwähnt (aber es war 2 Uhr nachts …)

      2 Protonen und ein Neutron ist das Element mit der Ordnungszahl 2 und Atomgewicht 3. Also Helium 3.

  5. #7 bruno
    6. Mai 2015

    …ich steh aufm schlauch. ohne jedes elektron?

    • #8 wasgeht
      6. Mai 2015

      Im allgemeinen interessiert bei der Betrachtung des Atomkern nicht, ob sich gerade Elektronen um den Atomkern befinden oder nicht. Ich fürchte, das hat hier sehr zur Verwirrung beigetragen. Sorry.

      Ein Kern mit zwei Protonen ist immer ein Heliumkern. Es kann passieren, dass dem Kern einige oder alle seiner Elektronen abhanden kommen. In einem Plasma muss das sogar so sein. Aber der Kern hat ohne die Elektronen eine positive Ladung und wird alle Elektronen der näheren Umgebung anziehen, so dass er meistens nicht lange ohne Elektron bleibt.

      (Durch ein Plasma schwirren alle Atome mit so hoher Geschwindigkeit, dass die Elektronen bei jeder Kollisionen dem Kern wieder entrissen werden. Wenn ein Kern doch wieder welche eingefangen hat, bleibt das nicht lange so. Das hört auf, wenn sich das Plasma abkühlt … aber wenn es aufhört, ist es kein Plasma mehr, sondern nur noch ein sehr heißes Gas. )

  6. #9 bruno
    6. Mai 2015

    ok!. …also ist 3He (zwangsläufig) nur im Plasma verfügbar? …und sobald dieses abkühlt, behält 3He sein(e) Elktronen wieder und ist (xy)He?
    resp. wie lange kann 3He ohne Elektron(en) verbleiben? Ich wage mich aus dem fenster und sage 10hochminusX – also irgendwie deutlich weniger als 12 jahre… :) danke dir!

    • #10 wasgeht
      6. Mai 2015

      Nein. He-3 hat in einem Plasma zwangsläufig keine Elektronen. (Weil ein Plasma so definiert ist.)

      Aber wenn es nicht so weit aufgeheizt ist, dass es zum Plasma wird, ist Helium-3 einfach nur ein Edelgas, noch etwas leichter als normales Helium-4.

      Helium-3 hält ewig. Bisher hat noch nie jemand gesehen, dass Helium-3 ohne Einfluss von außen zerfallen wäre.

  7. #11 maikm
    FRA
    7. Mai 2015

    Also das nenn ich mal ne tolle Geschichte. Danke!
    Als Laie muss ich gestehen, dass ich das bisher nichtmal ansatzweise verstanden habe. Der Text hier hilft da sehr weiter. Weiter so!

  8. #12 bruno
    7. Mai 2015

    sorry, bevor ich den zweiten teil lese …muss ich noch mal… (saudumm)… nachfragen: habe ich atome ohne elektronen in meinem wohnzimmer? stabiles 3He hat schon seine elektronen wieder, oder? …oder ist jahrelang stabil auch ohne elektronen? (wir lassen mal plasma weg und reden von meinem wohnzimmer). und dann nochmal die frage: wie lange kann (3He/ irgendein atom) in meinem wohnzimmer auf sein/e elektronen verzichten?

    (ich fürchte, mir sind diese sachverhalte so dermassen unklar, die dir so unnachfragbar klar sind, dass wir evtl. leicht aneinander vorbeireden… ;) ich kenne das aus meiner “expertise”, wo ich manchmal lange dialoge habe, bis mir auffällt, dass mein gegenüber von anderen/ falschen annahmen ausgeht, die ich überhaupt nicht in betracht zog, weil es eben andere/ falsche und somit letztlich unzulässige betrachtungsweisen sind…)

    ums (evtl.) abzuschliessen:

    Aber der Kern hat ohne die Elektronen eine positive Ladung und wird alle Elektronen der näheren Umgebung anziehen, so dass er meistens nicht lange ohne Elektron bleibt.

    …was habe ich mir entsprechend unter “nicht lange” vorzustellen? …näher an “12 Jahre” oder näher an “10hochminusX” ?

    …liegt vielleicht auch daran, dass ich den beta-zerfall überhaupt nicht verstanden habe (um den geht es ja in dieser frage) und meine atome einfach aus murmeln bestehen… complicado!

    • #13 wasgeht
      7. Mai 2015

      Ein Atomkern kann im Prinzip ewig ohne Elektronen auskommen und ist dabei auch nicht in seiner Stabilität gefährdet. Es ist nur so, dass unter normalen Bedingungen so viele Elektronen in der Nähe jedes Atoms herum schwirren, dass sie nie lange ohne Elektronen sind – ob sie wollen oder nicht. Wir reden da eher von Mikrosekunden als Jahren. ;)

    • #14 wasgeht
      7. Mai 2015

      Ein Atomkern kann im Prinzip ewig ohne Elektronen auskommen und ist dabei auch nicht in seiner Stabilität gefährdet. Es ist nur so, dass unter normalen Bedingungen so viele Elektronen in der Nähe jedes Atoms herum schwirren, dass sie nie lange ohne Elektronen sind – ob sie wollen oder nicht. Wir reden da eher von Mikrosekunden als Jahren. ;)

  9. #15 bruno
    7. Mai 2015

    ok! also eher kommunikations- als verständnis-problem :)
    …dann traue ich nun doch an den zweiten teil ;) tx!

  10. #16 bruno
    7. Mai 2015

    …falls du es nicht kennst: google mal “radio eriwan” :) also: im prinzip ja, aber… :)

    …könnte ein guter spruch werden von … “wasgeht” :)
    ..geht das? im prinzip ja…..aber! :)

    https://de.wikipedia.org/wiki/Radio_Jerewan

    (spielt bei E. Kishon eine grosse rolle… den kennt man evtl. auch nicht mehr…?)

    kann man also auf die frage: ist mein wohnzimmer frei von elektronenlosen isotopen?
    antworten mit: im prinzip ja! …aber .. (?) ;)

    • #17 wasgeht
      7. Mai 2015

      Also im Prinzip schon!

  11. #18 bruno
    7. Mai 2015

    oh… nehme 3x :) zurück….

  12. […] dem ersten Teil, geht es im zweiten Teil geht es um Gammastrahlung, Isomere, Neutrino und den ganzen […]

  13. […] alles in einem Artikel zusammen zu bringen. Einige wichtige Grundlagen sind in den Artikeln “Elemente, Isotope und Radioaktivität” und “Was heißt hier eigentlich Spaltbar?“. Ein kleiner Teil des Artikels stammt […]

  14. […] erst einmal mit einem Grundlagenartikel zu starten. Der kam etwas später unter dem Titel “Elemente, Isotope, Radioaktivität“. Auch zu den Grundlagen gehört die Klärung der Frage, was man eigentlich unter […]