Was ist der beste Weg, ein paar hundert Kilo Treibstoff pro Sekunde zu verbrennen? So ein Raketentriebwerk ist schon eine phaszinierende Sache. Ein Höllenfeuer gespeist aus unglaublichen Treibstoffmengen tobt in einer kleinen Kammer, mit einer kleinen runden Öffnung – und im allgemeinen fliegt einem das Ding nichtmal um die Ohren.
Erstaunlicher Weise sind es nicht einmal mehr die Temperaturen, die das größte Problem beim Bau von Raketentriebwerken darstellen. Man hat gut wirksame Tricks gefunden, um die Temperatur an den entscheidenden Stellen klein genug zu halten. Man kann zum Beispiel einen Teil des Treibstoffs direkt gegen die Wand der Brennkammer sprühen, bevor er verbrennen kann. Dann bildet sich dort eine dünne Schicht Treibstoff, die die Temperaturen dort unterhalb der Schmelztemperatur des Materials halten. Von der Außenseite wird gekühlt, indem man den Treibstoff noch bevor er in die Brennkammer kommt, durch dünne Kanäle hindurch pumpt. Hat der Treibstoff seine Aufgabe als Kühlmittel erfüllt, kommt er in die Brennkammer und wird verbrannt.
Das soll nicht heißen, dass es einfach wäre, aber das Problem ist lösbar. (Sagte der Mathematiker als er den Feuerlöscher erblickte und sich in Anbetracht des Zimmerbrandes wieder schlafen legte.)
Ein ganz anderes Problem stellt es dar, die Unmengen Treibstoff in das Triebwerk zu bekommen. Das ist nicht nur eine Frage der Menge, es ist auch eine Frage des Drucks. Ein hoher Druck in der Brennkammer hilft beim Start von der Erde ungemein, denn der Abgasstrahl muss zunächst gegen den Luftdruck ankämpfen. Genauso wichtig ist aber auch, dass der höhere Druck zu einer höheren Verbrennungstemperatur führt.
Die Temperatur sagt uns, wieviel Energie jedes einzelne Molekül des Verbrennungsgases im Durchschnitt hat. Um so mehr Energie sie haben, um so schneller bewegen sich die Teilchen des Gases. Wie wir im letzten Blogbeitrag gesehen haben, hilft das ungemein. Man braucht weniger Treibstoff um die gleiche Geschwindigkeit zu erreichen und kann deswegen mehr Nutzlast mitnehmen. Man verzichtet nur ungern auf Nutzlast, aber sehr gern auf komplexe Technik. Das ganze schreit nach einem Kompromiss und Möglichkeiten für Kompromisse gibt es eine ganze Menge.
Die erste Möglichkeit ist, schlicht auf hohen Brennkammerdruck zu verzichten. Dafür setzt man die Treibstofftanks mit einem Gas unter genug Druck, dass der Treibstoff von allein in die Brennkammer gedrückt wird. Solche Triebwerke sind weniger effizient, aber sehr einfach aufgebaut. Gerade bei sehr kleinen Raketenstufen ist das eine beliebte Technik. Bei Raketentriebwerken von Satelliten und Raumsonden gibt es gar nichts anderes. (Von Ionentriebwerken und ähnlichen einmal abgesehen.) In der Praxis sieht das dann so aus:
Das Gas, das für den Druck sorgt, kann nun durch die Hitze der Brennkammer noch etwas aufgeheizt werden, was den Druck deutlich erhöht. Das Gas kann auch der Treibstoff selbst sein. Flüssiges Methan etwa kann aufgeheizt werden und so zu Gas werden, flüssiger Sauerstoff ebenso. Der Treibstoff setzt ich selbst unter Druck. Ein Verfahren, das beispielsweise die Alpha Rakete von Firefly einsetzen soll.
Will man einen höheren Druck in der Brennkammer haben, braucht man Pumpen mit hoher Leistung. Dafür benutzt man Turbopumpen. Die funktioniert wie ein monströser Turbolader für einen Automotor. Eine Turbine wird mit dem Raketentreibstoff angetrieben, die Turbine treibt die Pumpe an, die Pumpe pumpt den Treibstoff in das Raketentriebwerk. Tolle Sache das, hat nur einen Haken: Die Temperaturen beim Verbrennen des Raketentreibstoffs würden die Turbine schmelzen lassen. Die Tricks zur Kühlung der Wand in der Brennkammer funktionieren hier auch nicht, die Turbine ist zu komplex dafür und muss sich extrem schnell drehen.
Der einzige Weg, um die Temperaturen zu senken ist, keine optimale Mischung aus Brennstoff und Oxidator zu benutzen. Entweder nimmt man einen Überschuss von Brennstoff (z.B. Kerosin/Methan/Wasserstoff) oder vom Oxidator (meistens Sauerstoff). In beiden Fällen sorgt die nicht-optimale Mischung für erträglichere Temperaturen. Bei der Ariane 4 hat man schlicht Wasser hinzu gegeben, weil der Brennstoff (UDMH) aus der Sovietunion (später Russland) importiert wurde und recht teuer war.
Dabei benutzt man lieber zu viel Brennstoff als zu viel Oxidator. Eine heißes Gas mit viel Oxidator kann in kürzester Zeit fast jedes Metall oxidieren (also rosten lassen). Wem seine Metallteile lieb sind, nimmt lieber einen Überschuss vom Brennstoff. Besonders wenn der Brennstoff Kerosin ist, sieht das Abgas von der Turbine dann aus, als käme es aus einem kaputten Dieselmotor. Es ist voller Ruß. Das sieht man hier bei einem Test vom Merlin 1D Triebwerk sehr gut. Das Abgas der Turbopumpe kommt aus dem “Auspuff” rechts von der Düse:
Bei einem richtigen Flug mit diesem Triebwerk, würde sich das Abgas unterhalb des Teststandes den wir hier sehen, am Abgasstrahl der Düse in der Luft entzünden und eine lodernde Flamme entstehen lassen. Es ist sehr viel unverbrannter Treibstoff in dem Abgas, das auch nicht viel zum Schub beiträgt. Die Turbine verbraucht dabei fast ein Zehntel des gesamten Treibstoffs nur um den Treibstoff in das Triebwerk zu pumpen. Darunter leidet natürlich die Effizienz, aber nicht so sehr, wie unter dem niedrigen Brennkammerdruck der druckgeförderten Triebwerke. Im Schema sieht das dann so aus:
Hier sieht man auch, wie die Brennkammer und die Düse der Rakete durch den Treibstoff gekühlt wird.
Natürlich ist man damit nicht zufrieden, fast ein Zehntel des Treibstoffs ungenutzt zu lassen. Aber den Treibstoff zu nutzen macht das Triebwerk komplizierter. Dieses Nebenstromverfahren, oder auch Gas-Generator-Zyklus, erfreut sich deshalb dennoch einiger Beliebtheit. Eine ganz ähnliche Methode ist es, die Brennkammer direkt anzuzapfen, das heiße Gas durch Zusatz von Treibstoff abzukühlen und damit die Turbine zu betreiben. Ohne Sauerstoff kann der zusätzliche Treibstoff nicht mehr verbrannt werden und es läuft insgesamt auf das gleiche Problem hinaus.
Wenn man es schafft, das Abgas der Turbine in die Brennkammer zu befördern, dann hätte die Verschwendung ein Ende. Auf dem Papier ist es auch ganz einfach:
Anstatt den orangen Pfeil mit dem Abgas nach draußen zeigen zu lassen, läßt man ihn einfach in die Brennkammer zeigen. In der Realität ist das natürlich komplizierter. Die Turbine muss nun nicht nur den Treibstoff in die Brennkammer pumpen, sie muss dem Abgas auch noch genug Druck übrig lassen, um selbst die Brennkammer zu kommen. Das Verfahren nennt man auch Hauptstromverfahren, weil das Abgas wieder zurück in den Hauptstrom des Treibstoffs geleitet wird.
Ungünstig wäre es auch, wenn das Abgas mit zu viel Ruß die Leitungen in die Brennkammer verstopft. Das ist nun kein Problem mit Wasserstoff und auch Methan gibt sich recht handzahm. Beim Space Shuttle hat man genau diese Technik verwendet. Aber man hat das Problem eines insgesamt sehr komplexen und teuren Triebwerks und den unangenehmen Eigenschaften des Wasserstoffs.
Das wegen der einfachen Handhabung und großen Dichte beliebte Kerosin, ist dagegen ein echtes Problem. Wenn man versucht die Turbine mit einem Überschuss an Kerosin zu betreiben, verstopfen die Leitungen. Wenn man versucht, einen Überschuss an Sauerstoff zu verwenden, zerstört das heiße, aggressive Gas die Metallteile. In Europa und Amerika hat man es versucht und für unmöglich erklärt. In der Sovietunion hat man an dem Problem gearbeitet, bis man eine Lösung gefunden hatte. (Man fand einen Weg die kritischsten Teil mit Emaille zu beschichten, ohne dass die Beschichtung abplatzt.) Bis zum Ende des kalten Krieges hielt die Leistungsdaten der sovietischen Kerosintriebwerke für lächerliche Propaganda.
Das RD-170 hat einen Schub von 750 Tonnen, während die fünf großen F-1 Triebwerke der Saturn V nur 670 Tonnen Schub hatten. Ein Brennkammerdruck von 245 bar des RD-170 stand einem Druck von nur 70 bar des F-1 gegenüber. Der spezifische Impuls des RD-170 liegt bei 309s am Boden und 338s im Vacuum – während es beim F-1 nur 255s und 304s sind.
Am Ende des kalten Krieges stellte sich heraus, dass die Triebwerke tatsächlich existierten. Sowohl der höhere Brennkammerdruck, als auch die Nutzung des Sauerstoffreichen Abgases in der Brennkammer trugen zu den unerhört guten Leistungsdaten bei. Zum Abschluss soll hier noch der Vergleich des spezifischen Impulses von drei Triebwerken kommen, die alle mit der gleichen Kombination von Kerosin und Sauerstoff arbeiten und für den Betrieb im Vakuum ausgelegt sind. Zuerst das druckgeförderte Kestrel, dann das Merlin 1Dvac mit Gasgenerator im Nebenstromverfahren und zuletzt das kleinere, russische RD-0124 im Hauptstromverfahren:
- Kestrel – 317s
- Merlin 1Dvac – 340s
- RD-0124 – 359s
Die genaue Leistung eines Raketentriebwerks hängt natürlich noch von anderen Dingen ab, wie dem Treibstoff und der Größe der Düse. Es gibt auch noch mehr Möglichkeiten den Treibstoff zu pumpen. Aber das will ich nicht alles in ein Post schreiben und freue mich auf das nächste Mal.
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