Meinen letzten Blogeintrag habe ich damit beendet, dass man eine Raumsonde zum nächsten Stern, Alpha Centauri, schicken könnte. Ich möchte einmal in etwas mehr als ein paar Sätzen beschreiben, was dazu nötig wäre, was geht und was nicht.
In dem Blog “Was geht mit Raketentriebwerken” habe ich schon beschieben, wie schnell man mit einem Raketentriebwerk werden kann. Das wichtigste Kriterium ist dabei immer die Geschwindigkeit der Abgase.
Die Jagd nach höherem spezifischen Impuls
Der Schlüssel zu hohen Geschwindigkeiten liegt also darin, den Treibstoff mit möglichst hoher Geschwindigkeit auszustoßen. Normale Raketentriebwerke stoßen da schnell an ihre Grenzen. Alles was sie haben um ihren Treibstoff zu beschleunigen, ist eine chemische Reaktion, bei der nur begrenzt viel Energie frei wird. Aber um so höher die Geschwindigkeit die man erreichen will, um so mehr Energie braucht man, um ein Kilogramm des Treibstoffs so hoch zu beschleunigen.
Das Verhältnis ist quadratisch. Die Zehnfache Geschwindigkeit braucht Hundert mal so viel Energie. Deswegen lassen sich normale Raketentriebwerke auch nicht mehr substantiell verbessern. Man kann sie noch leichter und billiger bauen, aber nicht mehr extrem viel besser. Die maximale Geschwindigkeit ist einfach durch die Energie bei der Verbrennung begrenzt.
Ein besseres Triebwerk für ein schnelleres Raumschiff muss also ganz anders funktionieren. Anders als beim klassischen Triebwerk, kann die Energie zur Beschleunigung des Treibstoffs nicht aus der Verbrennung des Treibstoffs selbst kommen, man braucht eine andere Energiequelle.
So lange man sich in der Nähe der Sonne aufhält, kann man Solarzellen nutzen um Strom zu gewinnen. Mit Strom kann man elektrische Felder erzeugen und mit denen kann man geladene Teilchen beschleunigen. Dazu braucht man nur ein Gas, das man ionisiert und durch die elektrischen Felder jagt. (In einem Ionisierten Gas fehlen einigen Atomen ein paar Elektronen. Damit sind sie elektrisch geladen.) Man baut also einen kleinen Teilchenbeschleuniger. Freilich einen, bei dem die Teilchen nur etwa ein Milliardstel der Energie der Protonen im LHC haben. Aber auch diese Energie reicht bei aktuell gebräuchlichen Ionentriebwerken aus für eine Geschwindigkeit von 20-50km/s. Raumsonden wie Smart-1, Hayabusa oder Dawn haben davon reichlich gebrauch gemacht.
Der Nachteil dieser Triebwerke ist nur, dass sie sehr wenig Schub liefern. Das liegt bei den gebräuchlichen Triebwerken daran, dass man nicht zu viele Teilchen auf einmal durch die Gitter jagen kann, zwischen denen das elektrische Feld aufgebaut wird. Denn die Teilchen müssen zwischen den Gitterstreben hindurch. Wenn sie ständig auf die Streben treffen würden, würde sich das Triebwerk mit der Zeit selbst zerstören. Der Schub den man damit erreichen kann, liegt im Bereich von einigen 100 Millinewton.
Mit 100 Millinewton braucht man über eine viertel Stunde (1000 Sekunden) um eine 100kg schwere Raumsonde um 1m/s (3,6km/h) zu beschleunigen. Mit viel Geduld kann man trotzdem sehr hohe Geschwindigkeiten zu erreichen. Ein Jahr hat über 8000 Stunden. Wenn man das Triebwerk bei diesen Verhältnissen ein Jahr laufen ließe, würde man 32km/s erreichen. Die meisten Raumsonden sind aber noch schwerer und beschleunigen noch langsamer.
Zum Glück ist die Entwicklung dort noch nicht am Ende. Aus der Forschung an Fusionsreaktoren hat man viel im Umgang mit Plasma gelernt – und um Plasma (also ionisiertes Gas) geht es bei diesen Triebwerken. Durch bessere Anordung der Beschleunigungsgitter, oder die Nutzung magnetischer Spiegel wie beim VASIMR Triebwerk, kann man diese Begrenzungen umgehen. Aber kaum hat man eine Grenze beim Triebwerk beseitigt, kommt die nächste beim…
Energieverbrauch
Die neuen Triebwerke können statt 20-50km/s auch Ausströmgeschwindigkeiten von 200km/s erreichen. Damit bewegen wir uns im Bereich von knapp 0,1% der Lichtgeschwindigkeit. Diese Geschwindigkeit brauchen wir, um das im letzten Blog gesteckte Ziel zu erreichen.
Aber zuvor sollten wir uns Gedanken über den Energieverbrauch machen. Es sollte offensichtlich sein, dass man für hohe Geschwindigkeiten viel Energie braucht. Die Energie die man braucht um ein Gramm Treibstoff zu beschleunigen wächst quadratisch mit der Ausströmgeschwindigkeit. Der Schub wächst aber auch, allerdings nur linear. Mit der zehnfachen Ausströmgeschwindigkeit braucht man hundert mal so viel Energie, bekommt aber nur den zehnfachen Schub dafür. Während die alten Triebwerke noch mit 2-4 kW auskam, verbrauchen die neuen 100kW und mehr. Natürlich könnte man die neuen Triebwerke auch einfach mit weniger Leistung betreiben, aber dann hätten sie auch viel weniger Schub um wir erreichen niemals die hohen Geschwindigkeiten die wir brauchen.
Woher nehmen wir also die hohe Leistung?
In der Nähe der Sonne müsste man überlegen, wie groß man Solarzellen bauen kann, wieviel sie wiegen und wieviel Leistung sie bringen, um die Triebwerke zu betreiben. Beim Versuch den nächsten Stern zu erreichen, haben wir diesen Luxus aber nicht. Schon nach kurzer Zeit ist die Sonne weit weg. Draußen zwischen den Sternen muss man eine eigene Energiequelle haben und Kernkraft ist die einzige, die dafür in Frage kommt.
Wie schnell geht es?
Um 1kg Treibstoff auf 200km/s zu beschleunigen braucht man 20 Gigajoule Energie. Das Triebwerk arbeitet aber nur mit einer Effizienz von 70%, also braucht man 30 Gigajoule Elektrizität. Wenn man die mit einem Kernreaktor erzeugt, kann man die Wärme des Reaktors mit einer Effizienz von 5-25% in Strom umwandeln. (5% ist der klassische Wert für Thermoelemente die den Seebeckeffekt nutzen, 25% erreichen Stirling Motoren, die aber noch nicht erprobt sind und wegen der beweglichen Teile eine kürzere Lebensdauer haben.)
Pro Kilogramm Treibstoff braucht man also 120-600 Gigajoule Wärme aus dem Reaktor. Die Energiedichte von spaltbarem Material wie Uran oder Plutonium liegt bei etwa 80 Gigajoule pro Gramm. Der Betrieb dieses Triebwerks ist also noch machbar. Ein Flug zu Alpha Centauri würde etwa 4000 Jahre dauern – so lang wie es die Pyramiden in Ägypten gibt.
Was geht noch?
Ein Triebwerk mit der zehnfachen Ausströmgeschwindigkeit (2000km/s) hätte den hundertfachen Energiebedarf. Noch wurde keines gebaut, weil niemand ein derartiges Triebwerk braucht. Warum braucht es niemand? Typischerweise müssen Raumsonden ihre Geschwindigkeit für eine Mission um vielleicht 20km/s ändern. Mit Ausströmgeschwindigkeiten von 2000km/s müsste der Treibstoff dafür nur 1% der Masse der Raumsonde ausmachen.
Genauso gut könnte man ein Triebwerk mit einer Ausströmgeschwindigkeit von 200km/s nehmen. Das würde zehn mal so viel Treibstoff verbrauchen, bringt bei der gleichen Energieversorgung aber den zehnfachen Schub. So lange der Treibstoffverbrauch nicht ausufert, geht dort der Kompromiss immer in Richtung des höheren Treibstoffverbrauchs und der niedrigeren Ausströmgeschwindigkeit.
Aber wir wollen wissen, wie schnell es überhaupt geht und eine völlig überzüchtete Raumsonde bauen, die auf Kompromisse keinen Wert legt. Also nehmen wir die zehnfache Ausströmgeschwindigkeit nur zu gerne!
Die Quittung kommt sofort. Zuvor verbrauchten wir noch 1,5 Gramm Uran pro Kilogramm Treibstoff als Energiequelle. Das neue Triebwerk braucht 100 mal so viel Energie und braucht damit 150 Gramm Uran zur Energieversorgung um 1kg Treibstoff mit 2000km/s hinten raus zu blasen. Wenn wir die Effizienz unseres Triebwerks und vor allem der Energieumwandlung verbessern, schaffen wir auf diese Weise auch 3000km/s.
In dieser Gegend nähern wir us dem Ende der Möglichkeiten. Die Lichtgeschwindigkeit liegt bei 300.000km/s. Unsere Ausströmgeschwindigkeit liegt bei 3000km/s. Immerhin, für 1% der Lichtgeschwindigkeit reicht es. Je nach dem wieviel Triebwerk und Energieversorgung an Leermasse verbrauchen reicht es auch für 2%. Allerdings würde es sich dann anbieten, den Treibstoff während der zweiten Hälfte des Fluges zum abbremsen zu verwenden.
Könnten wir auf magische Weise wirklich alles aus der Kernspaltung heraus holen, die Spaltprodukte auf einen geraden Weg aus dem Triebwerk hinaus zwingen und so als Treibstoff nutzen, kämen wir auf einen maximalen theoretischen Wert von knapp 12649 km/s oder 4% der Lichtgeschwindigkeit. (Die relativistischen Effekte sind noch klein genug um sie hier zu vernachlässigen.)
Kernfusion setzt noch etwas mehr Energie frei als Kernspaltung. Die Fusion von 3 Deuterium Atomen (H-2) zu Helium-4, einem Proton und einem Neutron setzt etwa 21 MeV Energie frei. Das sind pro Gramm etwa 4 mal so viel wie bei der Kernspaltung – man könnte also die doppelte Geschwindigkeit erreichen. (Aber nur, wenn man es schafft, die Neutronen mit ihrer gesamten Energie gezielt in eine Richtung zu bewegen. Was eher unmöglich ist.)
Die rechnerischen 8% der Lichtgeschwindigkeit, die hier als Ergebnis stünden, sind schon reine Illusion. Mehr geht nicht.
Die Grenzen der Physik, wie wir sie bisher kennen, sind erreicht. Mit einer Verneigung vor Jules Verne kann man sagen, dass ein Flug zu Alpha Centauri in 80 Jahren unvorstellbar ist. Man bräuchte dazu eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 5% der Lichtgeschwindigkeit. Selbst wenn man diese Geschwindigkeit ereichen könnte, bräuchte es länger um auf diese Geschwindigkeit zu beschleunigen, als man Zeit hat zum Ziel zu fliegen.
P.S.: Ja, ich bin mir der Existenz von Antimaterie sehr wohl bewusst. Aber die Annahme Neutronen zu einem gerichteten, wohl geordneten Verhalten zu bewegen, ist schon haarsträubend genug. :)
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