Wasserkraft geht auch ohne Staudämme, aber auch das ist nicht ohne Nachteile.

Es gibt wenige alte Erfindungen, deren Erfindung sich heute noch auf genau einen Ort und eine Zeit festlegen lässt. Der Ort für eine Erfindung war Rom und die Zeit war das Jahr 537, als die Stadt Rom von den Ostgothen belagert wurde – 60 Jahre nach dem letzten (west-) römischen Kaiser. Die Belagerer zerstörten die Aquädukte, die die Stadt mit Wasser versorgten. Freilich war das im Jahr 537 kein Problem mehr. Der Tiber brachte genug Wasser in die Stadt und die Bevölkerung war inzwischen so klein, dass das Wasser der Aquädukte nicht mehr als Trinkwasser gebraucht wurde.

Aber die Aquädukte trieben die Wassermühlen an, mit denen das Korn gemahlen wurde. Korn von Hand zu mahlen ist schwere, langwierige Arbeit und es musste eine Lösung gefunden werden. Die Lösung bestand darin, neue Mühlen zu bauen – schwimmende Mühlen auf dem Tiber. Schiffe wurden mit dem Ufer verbunden, so dass der Fluss unter ihnen hindurch floss und die Mühlräder antrieb.

Die aus der Not geborene Erfindung der Römer machte in Europa Schule und verbreitete sich. Hier ein Beispiel aus dem 16. Jahrhundert:

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(Quelle: Wikipedia „Kölner Rheinmühlen“ von Woensam – Woensam Ansicht Kölns 1531.)

Schiffsmühlen in einem großen fließenden Gewässer haben den Vorteil, dass sie relativ unabhängig von der Wasserführung des Flusses sind. Sie nutzen ohnehin nur einen sehr kleinen Teil der Energie des Gewässers – anders als die Wassermühlen, die durch die Zerstörung der Aquädukte außer Betrieb gesetzt werden konnten.

Aber genau darin liegt auch der größte Nachteil der Schiffsmühlen: Sie liefern nur eine sehr kleine Leistung und nutzen auch nur einen sehr kleinen Anteil der gesamten Energie des Gewässers. Das ist der Grund, weshalb sie verschwanden. Die Alternativen hatten so viel mehr Leistung, dass sie die Schiffsmühlen gleich Duzendweise ersetzen konnten.

In Österreich gibt es eine Firma, die die Idee unter dem Namen “Stromboje” wieder neu beleben will. Leider wurde das Projekt 2010 mit Österreichischen Klimaschutz Preis und dem Energy Globe Award ausgezeichnet, weshalb sich nun statt aktueller technischer Untersuchungsergebnisse nur noch PR und himmelhochjauchzende Zeitungsartikel zu dem Thema finden lassen. Wenn sich das folgende nun eher negativ liest, liegt das daran, dass ich schlechte Laune habe und sich alles positive ohnehin leicht finden läßt. (Ich habe von dem Konzept vor langer Zeit gelesen, nachdem ich von den Schiffsmühlen gehört habe und nach modernen Umsetzungen suchte. Ich bin dem nicht negativ gegenüber eingestellt, ich bin nur frustriert.)

Mit einer Boje haben die 11m langen und 5,5m breiten Kraftwerke allerdings sehr wenig zu tun. Auch wenn der Hersteller beteuert, dass sie die Schifffahrt nicht behindern würden, ist das in Anbetracht der Größe und der angedachten Installation von 500 dieser “Bojen” so nicht glaubwürdig. Denn die Strombojen sind auf eine mindest Wassertiefe von 2-3 Metern auch bei Niedrigwasser angewiesen. Im Prinzip konkurrieren die Standorte also genau mit der Fahrrinne der Flussschifffahrt – wie man hier auf einem Bild von Magdeburg sieht.

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(Quelle: Wikipedia)

Die Stromboje ist aber keine schwimmende Mühle. Sie besteht hauptsächlich aus einer großen, vollständig versenkten Turbine. Damit ist das Potential der Idee insgesamt auf den Oberlauf großer Flüsse mit wenigstens 50m³/s Durchfluss und Fließgeschwindingkeiten von wenigstens 2m/s (besser 3m/s) beschränkt. Hohe Fließgeschwindigkeiten erreicht ein Fluss aber vor allem, wenn er gerade ist. Und Flüsse sind fast immer nur dort gerade, wo sie begradigt wurden. Mit der Renaturierung der Flüsse wird das Potential also deutlich kleiner werden.

Dazu kommt noch ein Problem. Eine Turbine die Strom aus der Fließgeschwindigkeit des Wassers erzeugt, bremst das Wasser ab. Bei einzelnen Turbinen ist das noch kein Problem. Versucht man aber in einem Flusslauf möglichst viel Energie zu erzeugen, wird nicht nur das Wasser abgebremst, sondern staut sich auch auf. Bei Hochwassern ist die Verbauung am Rande der Flüsse schon heute ein Problem, das die Wasserstände erhöht. Eine Verbauung im Fluss, würde es in jedem Fall vergrößern. (Nochmals: Einzelne sind mit Sicherheit problemlos.)

Ob die Befestigung der Bojen im Fluss dauerhaft wiederholten Hochwassern stand hält, kann man nur auf Grund einzelner Exemplare in wenigen Jahren auch noch nicht sagen. In der Praxis ergeben sich meist Probleme und man muss hoffen, dass Inspektionen durchgeführt und Ergebnisse im Zweifelsfall auch ernst genommen werden.

Wie gesagt, es klingt viel negativer, als ich dem Projekt gegenüber eigentlich eingestellt bin. Aber die gänzliche Abwesenheit jeder Form von Kritik, jeder Beschreibung möglicher Probleme und jeder Veröffentlichung konkreter Messdaten der Prototypen macht mich in Anbetracht der überwältigenden und ausschließlich positiven Berichterstattung skeptisch.

Jede Form der Nutzung von Wasserkraft ohne die Errichtung großer Sperrwerke ist prinizpiell unterstützenswert. Genauso sieht es mit der Nutzung bereits vorhandener Möglichkeiten aus. Es stehen viele Wehre in Flüssen, an denen keine Turbinen angetrieben werden. Große Mühlgräben, die früher für die Nutzung der Wasserkraft in Fabriken und Mühlen angelegt wurden, bleiben heute gänzlich ungenutzt.

Allerdings sollte das immer auf einer ehrlichen, vollständigen Darstellung aller relevanter Fakten geschehen – und nicht Aufgrund der Vergabe von Preisen auf Prototypen und gänzlich kritikfrei geschriebener Zeitungsartikel. Es ist auch nichts prinzipiell dagegen zu sagen, wenn der Strom aus einigen Mühlen teurer wird und vielleicht weniger effizient erzeugt wird, gerade wenn es um die ästehtische Wirkung geht. Strom aus Mühlen und anderen kleinen Wasserkraftwerken ist deutlich teurer als Strom aus anderen Quellen.

Auch teurerer Strom kann akzeptiert werden, wenn das Problem klar angesprochenen wird und ein Problembewusstsein dafür existiert. Dazu gehört auch, dass man im allgemeinen in anderen Fällen eine möglichst große Einsparung an Kosten anstrebt. Ohne das,  kann an der Ernsthaftigkeit des Problembewusstseins durchaus gezweifelt werden. Vor der Akzeptanz kommen die Offenheit und Kritikfähigkeit, nicht der enthusiastische Jubel der jede Diskussion von Problemen verschwinden lässt.

Kommentare (8)

  1. #1 Peter
    12. Mai 2015

    Gut gebrüllt Löwe :-) Nein, im Ernst: ich finde solche Jubelberichterstattung auch sehr ärgerlich. Letztens ist sie mir wieder aufgestoßen bei Artikeln über die neuen Batterie-Technologien, wie unter anderem die Tesla-Batterie – an denen halt gar nicht viel neues dran ist. Keine Angaben zur Lebensdauer, kaum welche zur Energiedichte und so weiter. Da ich nicht davon ausgehe, dass die Journalisten absichtlich manipulieren, muss es wohl daran liegen, dass sie naturwissenschaftlich ungebildet sind.

    • #2 wasgeht
      12. Mai 2015

      Weil mir die konkreten Daten fehlen (und ich schlicht noch keine Lust hatte da tiefer zu recherchieren), habe ich dazu auch noch nichts geschrieben. Der einzige nicht-jubel-Artikel kommt ausgerechnet von Bloomberg … https://www.bloomberg.com/news/articles/2015-05-06/tesla-s-new-battery-doesn-t-work-that-well-with-solar

      Dort wird die Batterie mit einem Stromgenerator verglichen und man will damit Heizlüfter betreiben. (Zugegeben, in den USA durchaus vorstellbar und notwendig.)

      Realistische Kritikpunkte sind jedenfalls: Nur die 7kWh Variante ist für täglichen Gebrauch gedacht. Die 10kWh Batterie ist maximal für 50 Ladezyklen pro Jahr ausgelegt (= einer pro Woche) und soll Strom bei Stromausfall liefern. In einigen Gegenden der USA, gerade in Kalifornien, wohl nicht unrealistisch https://pqlit.eaton.com/ll_download_bylitcode.asp?doc_id=24005

      Jedenfalls relativiert sich das Preisbrechenpotential der $350/kWh deutlich. (Die 7kWh Variante kostet $500/kWh.)

      Der Preis ist auch nur der Preis für die Batteriehardware. Die Installation und Hardware für die Integration ins Netz soll nochmal etwa genauso viel kosten. (Einige Tausend Dollar. Konkretes habe ich noch nicht gesehen.) Die Kosten hier in Deutschland stehen nochmal auf einem anderen Blatt. In den USA sind alle Preise ohne Mehrwertsteuern, dazu kommen noch Zölle etc.pp.

      Wenn man 1000 Ladezyklen für die 10kWh Batterie annimmt, kostet es 35 Cent um eine gespeicherte Kilowattstunde wieder abzurufen. Wie viele Zyklen die restliche Elektrik mitmacht, ist die nächste Frage.

  2. #3 Dr. Webbaer
    12. Mai 2015

    In der Anlese findet sich ein Duplikat:

    Wasserkraft geht auch ohne Staudämme, aber auch das ist nicht ohne Nachteile. Wasserkraft geht auch ohne Staudämme, aber auch das ist nicht ohne Nachteile. (Quelle – Zeitpunkt der Hauptansicht dieser Inhalteeinheit: 12.05.2015)

    Bei dieser Aussage…

    Jede Form der Nutzung von Wasserkraft ohne die Errichtung großer Sperrwerke ist prin[zi]piell unterstützenswert

    weiß Ihr Kommentatorenfreund auch nicht so recht.

    Gibt es prinzipielle Einwände, die gegen die Nutzung ‘großer Sperrwerke’ sprechen?

    MFG
    Dr. W

    • #4 wasgeht
      12. Mai 2015

      Das Problem mit dem Dublikat ist bekannt (findet sich bei allen Einträgen). Ich ging bisher davon aus, dass es an meinem Rechner liegt – konnte auch nichts dagegen machen. Vielleicht mal den Techniker informieren.

      Die Nutzung großer Sperrwerke ist nicht das Problem. Das Problem ist die Errichtung und die damit einhergehenden Auswirkungen. Es ist dort immer eine Abwägung von Schaden und Nutzen erforderlich. Beim Drei-Schluchten-Staudamm, bin ich zumindest der Meinung, das der gesellschaftliche Nutzen den Schaden deutlich überwiegt – auch wenn der gesellschaftliche Schaden mit weniger Korruption deutlich kleiner hätte ausfallen können.

      In seltenen Fällen, wie dem Vajont Damm https://en.wikipedia.org/wiki/Vajont_Dam wäre es sicherlich auch gut gewesen, von der Nutzung abzusehen. (Was aber nur im nachhinein eingesehen wurde.)

  3. #5 Alderamin
    14. Mai 2015

    Gezeitenkraftwerke wären auch was. Sind natürlich nur an bestimmten Standorten möglich. 3 Autostunden von hier haben die Holländer das Oosterschelde-Sperrwerk gebaut und können damit einen der Mündungsarme des Rheindeltas bei Sturmflut komplett zusperren, aber zur Erhaltung der Flora & Fauna lässt man die Tore ansonsten offen (einen anderen Arm hatte man mit einem Deich ganz dicht gemacht, der schlug dann von See- auf Süßwasser um, das war bestimmt anfangs nicht lustig).

    Es ist beeindruckend zu sehen, was da bei wechselnden Gezeiten für eine Strömung herrscht (hier zu ahnen, ab 0:34). Da könnte man ein paar stromerzeugende Propeller versenken. In Klein gibt’s sowas auch in Schleswig-Holstein am Eider-Sperrwerk. Im Prinzip müsste sich jede längere Bucht, die irgendwo einen Engpass hat, eignen.

    Realtiv berühmt ist auch dieser Bursche in Norwegen. Wäre allerdings schade, den mit irgendwelchen Bojen zu verschandeln, das müsste schon unsichtbar unter Wasser bleiben.

    • #6 wasgeht
      14. Mai 2015

      Gezeitenkraftwerke sind auch etwas, über das ich mal schreiben müsste. Mal sehen.

  4. #7 Steven | PBQ Batterien
    https://www.pbqbatteries.de/
    10. Juni 2015

    Sehr interessant. Schön zu lesen!

  5. #8 fherb
    13. Juni 2015

    Ganz neu bei wissenschaft.de vorgestellt und dort heute von mir gefunden: https://www.wissenschaft.de/technik-kommunikation/-/journal_content/56/12054/6926539/Wasserkraftwerke-im-Taschenformat/

    Die erste Variante im Miniformat ist zwar eher ein Spielzeug, die beiden anderen Lösungen scheinen auf den ersten Blick ganz praktikabel für einen dezentralen Einsatz in wenig erschlossenen Gebieten. Hier der Direktlink zum Linearewasserkraftwerk (Bild ganz unten). Einsetzbar in kleinen und flachen Gewässern: https://aquakin.com/de/wasserkraftwerke/linearwasserkraftwerk/