Wenn die Temperatur der Brennelemente in einem Brennstab steigen, dehnen sie sich aus. Das spaltbare Material ist etwas weniger dicht gepackt und mehr Neutronen können dem Reaktor verlassen, ohne dass sie ein Atom spalten würden. Die höhere Temperatur hat auch den Effekt, dass viele nicht spaltbare Materialien in den Brennelementen leichter Neutronen absorbieren. Darüber hatte ich auch schon in dem Artikel zum Oklo Reaktor geschrieben.
Diese beiden Effekte sind sehr wichtig, weil sie direkt in den Brennelementen wirksam werden, ohne dass es zu großen Zeitverzögerungen kommen würde. Denn es geht nicht nur darum, ob es eine negative Rückkopplung gibt, sondern auch darum, dass sie schnell genug wirksam wird. Sie muss schnell genug sein um alle Veränderungen von außen rechtzeitig ausgleichen zu können, bevor es durch zu viel Leistung oder eine zu hohe Temperatur zu Problemen kommt. Kurz nach den Brennelementen selbst, erwärmt sich auch der gesamte Brennstab, der sich auch ausdehnt und den Effekt der Brennelemente noch verstärkt. Allerdings mit einigen Sekundenbruchteilen Zeitverzögerung.
Ich rede hier von Brennstäben, weil es die bei weitem gebräuchlichste Form von Brennstoff in Kernreaktoren ist. Es gibt noch ganz andere. Der erste Reaktor der Welt verwendete ziegelsteingroße Quader, der dritte Reaktor verwendete als Brennstoff eine wässrige Uranlösung in Phosphorsäure. Ich erinnere mich auch an die Beschreibung eines Reaktors der gasförmiges Uranhexaflourid als Brennstoff nutzen sollte (ob das einmal testweise umgesetzt wurde oder nicht, weiß ich nicht mehr). Einige der Mechanismen die ich hier beschreibe können im Einzelfall also eine etwas andere Form annehmen.
Noch länger dauert es, bis sich das Kühlmittel um den Brennstab herum durch eine Änderung der Leistung erwärmt hat. Das Kühlmittel erwärmt auch den Rest des Reaktorkerns, die Halterungen an denen die Brennstäbe befestigt sind, der sich dadurch auch insgesamt noch weiter ausdehnt.
In vielen Fällen ist das Kühlmittel auch der Moderator. Gerade Wasser ist immer auch ein Moderator, selbst wenn man es hauptsächlich als Kühlmittel verwendet. (Normales Wasser gehört zu den effektivsten Moderatoren, die es gibt, es kann also nicht anders. Allerdings absorbiert es auch einige Neutronen.) Um so wärmer das Wasser wird, um so mehr sinkt seine Dichte und um so weniger Dicht ein Moderator ist, um so weniger moderiert er. Das ist kein kleiner Effekt, denn das Wasser in Druckwasserreaktoren erreicht hohe Temperaturen und steht unter hohem Druck. Unter solchen Bedingungen kann eine Temperaturänderung von 50K die Dichte mal eben um 10% sinken lassen.
Wenn Wasser anfängt zu sieden, entstehen Dampfblasen mit noch viel niedrigerer Dichte und entsprechend großen Auswirkungen. Im allgemeinen ist der Effekt solcher Dampfblasen, dass die Kettenreaktion langsamer wird, weil die Neutronen nicht mehr abgebremst werden und die Chance sinkt, dass sie ein Atom spalten können.
An der Stelle kann ich hier vor meinen Tasten sitzend förmlich das Scharren von Hufen hören und spüren:
Ja, in Tschernobyl war das zum Zeitpunkt des Unfall nicht so. Warum genau das so war und was man anschließend an den Brennstäben für Reaktoren dieser Bauart verändert hat, damit es nicht mehr passieren kann und warum man das nicht alles schon eher getan hat obwohl man davon wusste, das muss ich ein anderes mal erklären. Es ist eine längere Erklärung als ich früher selbst dachte und ich möchte zuvor unbedingt einige Testreaktoren (und damit durchgeführte Reaktortests) besprechen, genauso wie einige andere Reaktorunfälle, damit alles halbwegs verständlich bleibt.
Soweit kann der Reaktor sich also selbst steuern, wenn die Kettenreaktion selbst stärker oder schwächer wird. Es funktioniert auch umgekehrt, wie bei der Dampfmaschine. Wenn dem Reaktor nicht mehr genug Wärme entzogen wird, dann können sich zum Beispiel Dampfblasen bilden, die die Reaktion abschwächen. Oder das Kühlmittel heizt sich auf und der Reaktorkern fängt an, sich auszudehnen, die Brennstäbe werden weniger gekühlt und dehnen sich aus, die Brennelemente heizen sich auf und dehnen sich aus und einige Stoffe absorbieren durch die höhere Temperatur mehr Neutronen.
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