(Titelbild: Ein erster Prototyp der Uhr, im kleinen Maßstab.)

Es muss vor 8 oder 9 Jahren gewesen sein, als ich das erste mal von der Long Now Foundation gehört habe, die Stiftung des “Langen Jetzt”. Ein kurzer Zeitraum für diese Stiftung. Wovon ich damals gehört habe war eigentlich gar nicht die Stiftung, sondern es war eine verrückte Idee. Ein paar Amerikaner wollen in der Wüste eine Uhr bauen, die 10.000 Jahre lang laufen soll. Als Standort hat man einige alte Bergbauclaims mitten in Nevada ausgesucht und es ist ein wirklich passender Ort für eine solche Uhr. Es wachsen dort Bristlecone Pines, einige der ältesten Bäume der Welt, der älteste soll fast 5000 Jahre alt sein. (Ihr deutscher Name, “Langlebige Kiefer“, könnte allerdings kaum langweiliger sein.)

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(Bild vom Grundstück (im Hintergrund) von der Website)

Die Idee hinter der Uhr ist allerdings nicht, dass sie völlig ohne jede menschliche Hilfe einfach nur vor sich her tickt. Das wäre im Grunde zu einfach. Sie soll langlebig sein und sie soll auch Jahrzehnte oder Jahrhunderte lang ohne menschlichen Eingriff auskommen, aber die eigentliche Idee ist, dass sie von Menschen gewartet wird. Was wäre auch so eine Uhr ohne Menschen. Ohne Menschen ist es völlig egal, ob da eine Uhr ist oder nicht.

Die Uhr wird sich in Mitten des Berges befinden. Die Räume und Wendeltreppen, die zu ihr hinab führen sollen, sind schon ausgeschnitten. Auf die Mechanik muss natürlich besonderer Wert gelegt werden. Geschmierte Lager werden keine 10.000 Jahr geschmiert sein. Damit die Probleme mit der Reibung und dem Verschleiß nicht völlig überhand nehmen, wird die Uhr auch nur einmal am Tag ticken. Dann wird sie allerdings nicht nur ticken, es wird auch ein mechanisches Glockenspiel spielen, das komplex genug gebaut ist um an jedem der über 3 Millionen Tage eine andere Melodie zu spielen. Mit der Uhr ist natürlich auch ein Orrery verbunden – ein Gerät das die Position der Planeten und der Sterne anzeigt.

Ich kam auf ihre Webseite wegen einer verrückten Idee, aber ich kam immer wieder zurück, wegen der interessanten Diskussionen und Vorträge. Die Stiftung ist keineswegs nur ein Wir-Bauen-Eine-Uhr Verein. Jeden Monat veranstaltet sie ein “Seminar About Longterm Thinking” und hat dazu über die Jahre eine sehr interessante Mischung von Rednern eingeladen. Moderiert werden sie von einem Kerl namens Steward Brand, dessen Name mir damals überhaupt nichts sagte.

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Dieser Kerl hatte tatsächlich eine lange Geschichte, die außerhalb der USA eher unbekannt ist. Er war der Autor des “Whole Earth Catalog” und Mitbegründer des WELL – Whole Earth ‘Lectronic Link. Noch davor startete er Ende der 60er Jahre eine Kampagne die die US Regierung aufforderte, ein Bild der gesamten Erde aus dem Weltraum zu veröffentlichen. Wie man sieht, recht erfolgreich.

Die Geschichte hinter der 10.000 Jahre Uhr und dem Begriff “Long Now” ist aber eine andere. Die geht auf den Künstler und Musiker Brain Eno zurück und der erzählt sie hier recht eloquent:

Brain Eno fiel auf, dass zumindest einige Einwohner von New York sehr, wohl zu sehr, in der Zeit verhaftet waren. Wenn sie sagen sollen, was sie tun, dann sprachen sie nicht von ihrem Beruf oder dem was sie in ihrem Leben tun wollen, sondern über das was ihr gerade aktuellen Projekt ist, was an diesem Tag oder nur in diesem Moment tun. Er empfand das als ein sehr kurzes “Jetzt”. Er kam deswegen auf den Gedanken, dass man dem etwas anderes entgegen stellen sollte, ein langes “Jetzt”.

Die Beobachtung ist gar nicht so falsch. Ich glaube allerdings, dass er damals viel tiefsinnigere Gespräche mit den New Yorkern hätte haben können, wenn er geübt hätte einen größeren Kontext zu setzen. Denn es ist immer der Kontext der bestimmt, was mit einem “Jetzt” gemeint ist. Vielleicht war es auch ganz gut so. Denn hätte er das getan, wäre es wohl nie zur Long Now Foundation gekommen und ich hätte all die wundervollen Vorträge nie gehört.

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Kommentare (5)

  1. #1 bruno
    18. Mai 2015

    jaja … der Pinky und der Brain :)
    (Brian “the Brain” Eno?)

  2. #2 Sinapis
    18. Mai 2015

    “The Now is a bit short at present, and I think it needs lengthened – read books, plan ahead, and watch less junk TV.” – Jasper Fforde

  3. #3 Dr. Webbaer
    18. Mai 2015

    Das Schöne ist vielleicht, dass es sich nicht lohnt langfristig zu denken, von der eigenen Lebensplanung vielleicht einmal abgesehen, sofern diese langfristig planbar ist, also weitgehend autonom.
    Der Dicke hat’s mal so sinngemäß in Worte gefasst: “Was weiß ich, was in zehn Jahren ist?”
    Helmut Schmidt warnte vor Visionären und aus Sicht des wirtschaftlich Handelnden oder aus Sicht des Politologen oder aus Sicht des Philosophen sieht es die Zukunft betreffend auch eher mau aus.

    MFG
    Dr. W

  4. #4 KaHa
    21. Mai 2015

    Der Roman zum Projekt: Anathem von Neal Stephenson, welcher selbst Mitglied im Verein ist. Sehr empfehlenswert.

    • #5 wasgeht
      21. Mai 2015

      Danke!

      Eigentlich wollte ich das auch mit rein schreiben und habe es nebenbei vergessen. Hab das Buch oft genug gelesen, um dann doch noch mitzubekommen, dass Neal Stephenson von Himmelsmechanik leider überhaupt keine Ahnung hat.

      Aber was solls, das Buch ist toll!