Druckwasser und Siedewasserreaktoren haben deswegen eine Brutquote von nur etwa 0,6. Der EPR verliert weniger Neutronen und wird eine Quote von 0,8 erreichen. Nur Reaktoren, die Neutronen nicht so stark abbremsen, können so viel Pu-239 aus U-238 erzeugen, wie sie im Betrieb verbrauchen. Mit Thorium ist das anders.

Uran-233 wird in 91,2% aller Fälle von langsamen Neutronen gespalten, nicht nur in 66% der Fälle. Dadurch fällt es weniger ins Gewicht, dass bei der Spaltung im Schnitt nur 2,5 Neutronen entstehen und nicht 3 Neutronen wie bei Pu-239. Denn es bleiben pro Spaltung noch 2,28 Neutronen übrig und nicht nur 2. Das reicht gerade noch, um mit einem effizienten Reaktor so viel U-233 im Betrieb zu erzeugen wie er verbraucht. Das wurde zwischen 1977 und 1982 zum ersten Mal mit dem Shippingport Reaktor getan – einem einfachen Druckwasserreaktor.

Uran-233 ist aber im Nachteil im Vergleich zu Plutonium-239, wenn man nicht-moderierte Reaktoren benutzt. Mit schnelleren Neutronen steigt die Chance Pu-239 zu spalten ebenso in die Nähe von 100%. Bei der Spaltung mit schnellen Neutronen werden auch noch mehr Neutronen frei. Für die Transmutation einiger Isotope im Atommüll ist das sehr praktisch, weil man dadurch mit einem relativ kleinen Reaktor die Isotope aus mehreren großen Reaktoren transmutieren kann. Ein moderierter Reaktor mit Thorium und Uran-233 hätte dafür nicht genug Neutronen übrig.

Die Frage ist aber: Braucht er das?

Was ist mit Atommüll?

Thorium-232 ist in einer Hinsicht ein anderer Stoff als Uran-238 – es ist die Zahl 232. Diese Zahl ist weit weg von der Zahl 239, mit der die größten Probleme bei der Endlagerung entstehen. Natürlich ist nicht die Zahl selbst das Problem, sondern die Stoffe die dahinter stehen. Plutonium-239 braucht hunderttausende Jahre, bis es vollständig zerfällt und Pu-240 ist mit einer Halbwertszeit von 6500 Jahren statt 24.000 auch nicht viel schneller. Nicht zu sprechen von den Problemen mit den Stoffen die darüber anfangen.

Wenn Uran-233 ein Neutron einfängt, wird es nur in 8,8% der Fälle nicht gespalten. Dann bleibt ein Uran-234 Atom zurück, das nicht spaltbar ist. Aber Uran-234 hat eine sehr gute Chance, ein weiteres Neutron einzufangen und zu Uran-235 zu werden. Der Neutronenquerschnitt liegt bei 100 barn, im Vergleich zu 2,7 Barn für Uran-238 oder 7,3 Barn für Thorium-232. Es wird sich also nicht anreichern, sondern zu spaltbarem Uran-235 werden. Uran-235 wird nur in 12% der Fälle nicht gespalten, so dass am Ende nur etwa 1% der ursprünglichen Menge Thorium-232 zu Uran-236 verwandelt wird.

Der Uran-Plutonium Kreislauf hat ohne die Verwendung von nicht-moderierten Reaktoren ein grundsätzliches Problem: Irgendwann reichern sich so viele nicht spaltbare Plutonium Isotope an, dass man den Kreislauf mit moderierten Reaktoren nicht mehr schließen kann. Danach braucht man einen schnellen Brüter oder zumindest einen Reaktor, der die Neutronen weniger abbremst als es beispielsweise Druckwasser- und Siedewasserreaktoren tun.

Bei der Verwendung von Thorium als Ausgangsmaterial sind diese Mengen aber immer klein genug um langfristig kein größeres Problem für die Kettenreaktion darzustellen. Sie können also immer “mitgeschleift” werden, bis sie einmal in eine spaltbare Form gebracht sind und gespalten werden. Oder es kommt zwischendurch zu einem Alpha-Zerfall und das Spiel fängt 4 Plätze weiter unten wieder von vorne an. Pu-238 würde beispielsweise wieder zu Uran-234.

Die Aufarbeitung und das Schließen des Kreislaufes ist mit Thorium ein weitaus kleineres Problem. Weil von Anfang an viel weniger der problematischen Actinide vorkommen, kann es auch nur zu einer kleineren Verunreinigung der Spaltprodukte mit Actiniden kommen. Weil es immer wieder für Verwirrung sorgt, bleibt aber noch ein Problem zu klären.

Henne oder Ei – Woher kommt U-233?

Weil Thorium an sich kein Reaktorbrennstoff ist, muss es zunächst mit Hilfe von anderen Stoffen erbrütet werden. Tatsächlich ist das schon geschehen. Es gibt gewisse Vorräte an U-233, sonst hätte man den Shippingportreaktor nie so betreiben können, wie man es tat. Man könnte auch jederzeit einzelne Brennstäbe in einem Reaktor durch Stäbe aus reinem Thorium austauschen und warten, bis sich durch die Neutronen das U-233 von allein gebildet hat.

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Kommentare (4)

  1. #1 artlan
    19. Mai 2015

    Danke für diese nette Abhandlung. Hauptgründe für eine geringe Verbreitung von Thorium-Brutreaktoren liegen in der geringeren Sicherheit im laufenden Betrieb und bei Wartung(Freisetzung harter Gammastrahlung aus Spaltprodukten des Nebenprodukts U-232) und Wirtschaftlichkeit, da das Zwischenprodukt PA-233 mit einer T/2 von 27 d nebenbei ein ziemlich effizienter Neutronenabbsorber ist, der die Reaktorökonomie nochmal deutlich verschlechtert.
    Bei Störfällen die “nur” im Reaktorbereich zu Strahlungsfreisetzung führt, ist aufgrund der möglichen Freisetzung dieser harten Gammastrahler die Wahrscheinlichkeit für eine zwangsläufige Stillegung der Anlage ein Vielfaches höher als bei herkömmlichen KKW´s

    • #2 wasgeht
      19. Mai 2015

      Die Spaltprodukte von U-232 sind auch keine sonderlich anderen als die anderer spaltbarer Stoffe. (Wobei U-232 nur in 50% der Fälle gespalten wird und sonst U-233 daraus wird.) Mit der Reaktorsicherheit hat das überhaupt nichts zu tun, zumal Uran nicht sehr mobil ist. Das Problem wären die exakt gleichen Gamma-Strahler wie in jedem Kernreaktor, allen voran Cs-134 und Cs-137.

      Bei U-232 treten allerdings harte Gammastrahler in der Zerfallskette auf, dadurch wird das aus Thorium gewonnene Uran sehr viel schwieriger zu handhaben als hoch angereichertes Uran-235 oder waffenfähiges Pu-239 und durch die hohe Alpha-Aktivität entstehen durch Verunreinigungen mit leichten Elementen viele Neutronen, was es für den Zweck noch schlechter macht.

  2. […] auch sehr gut geeignet um an Stelle von natürlichem Uran Thorium zu verwenden, worüber ich auch schon einmal geschrieben habe. Das tat man auch ab 1977, in den letzten Jahren des Reaktors. Anstatt von hoch angereichertem […]

  3. #4 Matisse
    25. April 2016

    Also – ich habe das so kapiert, dass es einen Thorium Hype gab, die Leute der Praxis aber genau wissen, was Sache ist – und es geht um günstigen Strom, günstige Kraftwerke. Effiziente Kraftwerke. Alles was so berichtet wird, sind 50 Jahre alte Reaktoren. Nur läßt man das gerne weg, oder hat eben irgendwas hinzugefügt, damit alte Probleme nicht auftauchen. Das sind nur Spielereien. Das ist natürlich menschlich, dass es eben doch geht, einen Kugelhaufenreaktor… .

    So, wie sieht es aus, wenn man jetzt einen kurzstrahlenden Reaktor bauen möchte. Und eben das Prinzip Thorium – Uran verselbstständigen möchte und so gut wie keinen langstrahlenden Müll haben will?

    Also kein Gewinnmaximum, aber natürlich Gewinn machen und mal einen tatsächlich ‘neuen’ Reaktor? Also sowas wie ein Thorium-Uran Mobile. Wäre das möglich und hätte das mülltechnisch dann auch richtig Vorteile? Thorium ist billig – eigentlich ist Thorium an sich schon Müll – also ein Abfallprodukt.

    Kann man was vernünftiges draus machen? Mal angenommen, man schmeißt das Geld so hinterher wie bei den allmächtigen Sonnenreaktoren.

    Danke.