Gestern war der letzte Spieltag der Bundesliga des Deutschen Go Bundes. Ich kenne solche Details einer derartigen Randsportart natürlich nur deshalb, weil ich dieses Spiel selbst spiele. Tatsächlich spiele ich auch in einer Mannschaft in der 4. Liga. (Klassenerhalt geschafft! Juhuu!)
Grund genug jedenfalls das Spiel hier einmal vorzustellen. Ja, man kann auch heute noch ein 4000 Jahre altes Spiel spielen und dabei Spaß haben. Es ist eines dieser simplen Konzepte, die am Ende doch komplexer werden, als man erst einmal vermutet hätte. Viel detaillierter, sowohl in den Regeln als auch in den Hintergründen, ist der Wikipedia Eintrag zu dem Spiel. Sehr lesenswert, wenn auch deutlich länger. (Die Diagramme hier stammen aus dem englischen Artikel.)
Steine schlagen
Die erste wichtige Regel ist, dass man Steine vom Brett nehmen kann, die nur noch eine Freiheit haben. Dazu spielt man selbst einen Stein dort, wo die letzte Freiheit ist. Weiß könnte im Diagramm D mit einem weiteren Stein auf den Punkt 1 den schwarzen Stein fangen. Gefangene Steine bringen am Ende des Spiels einen zusätzlichen Punkt.
Man kann auch ganze Gruppen fangen, wenn sie nur noch eine Freiheit haben. Gruppen sind Steine, die entlang der Linien miteinander verbunden sind. Man darf seine Steine überall auf dem Brett setzen, wenn dabei keine Stellung wiederholt wird. Außerdem muss der Stein nach dem Setzen noch wenigstens eine Freiheit haben (oder beim Setzen wenigstens einen Stein schlagen, womit er dann eine Freiheit bekommt).
Weiß könnte in dem Diagramm unten zum Beispiel keinen Stein auf das Feld unter dem C oder rechts von dem C setzen. Aber was ist das Ziel?
Gebiet Umstellen
Das Ziel ist ganz einfach. Man versucht möglichst viele Punkt zu bekommen, indem man mit seinen Steinen ein möglichst großes Gebiet umstellt. Wenn ein Spieler keinen Zug mehr spielen kann oder spielen will, muss er passen. Wenn beide gepasst haben, wird gezählt. Jeder gefangene Stein bringt einen Punkt, jedes umstellte Feld ebenso. Das reguläre Spielbrett hat 19×19 Felder, aber die Größen 13×13 und 9×9 sind für Anfänger absolut üblich. Mehr Regeln gibt es nicht. Diskutieren muss man nur noch die Konsequenzen der Regeln.
Zählen
Weiß hätte im Gebiet B zum Beispiel 14 Punkte, genauso wie Schwarz in Gebiet A. Das Gebiet F ist neutral und bringt niemandem Punkte. (Genauso wie der Punkt zwischen Schwarz und Weiß am unteren Rand.) Schwarz hat mit der Gruppe C noch zwei Punkte umstellt.
Aber es ist die weiße Gruppe bei D, die das Spiel interessant macht. Denn die weißen Steine sind tot und können gefangen werden. (Es gehört zu den Paradoxien der Sprache, dass Steine die noch auf dem Brett sind manchmal “tot” genannt werden und nachdem sie vom Brett genommen werden “Gefangene” heißen.)
Leben und Tod
Tatsächlich ist das für erfahrene Spieler so offensichtlich, dass beide an diesem Punkt passen und zum Zählen übergehen würden und Weiß mit knirschenden Zähnen die weißen Steine an Schwarz übergeben würde. Der Grund ist, dass eine lebende Gruppe zwei getrennte “Augen” braucht. Die Gruppe C ist eine lebende Gruppe, weil der weiße Spieler keinen Stein mehr auf die Felder unter und rechts von dem C spielen darf. Deswegen kann die Gruppe C nicht mehr geschlagen werden.
Nun hat Schwarz mit dem Stein auf E verhindert, dass Weiß die gleiche Form in der Ecke oben links aufbauen kann. Schwarz könnte die weißen Steine mit weiteren Zügen komplett umstellen, bis sie nur noch eine Freiheit haben und dann schlagen. Aber das wird Schwarz nur tun, wenn Weiß auch noch Steine auf das Brett legt. Denn jeder Stein der im eigenen Gebiet gespielt wird, kostet einen Punkt. Jeder Stein, der im Gebiet des Gegners gespielt und gefangen wird, bringt dem Gegner einen Punkt.
Deshalb spielen etwas erfahrenere Spieler hier nicht weiter. Beide wissen wie es endet und passen.
Sieg oder höfliche Aufgabe?
Am Ende des Spiels werden die 5 toten weißen Steine vom Brett genommen, so dass in der Ecke oben links insgesamt 8 freie Felder Territorium für schwarz entstehen. Dazu kommen für den Spieler noch die 5 Punkte von den gefangenen Steinen. Zusammen ist die Ecke damit 13 Punkte wert. Weil die Gebiete von A und B gleich groß sind und das Gebiet C nochmal 2 Punkte für Schwarz bringt, gewinnt Schwarz mit 15 Punkten. (Wobei ich annehme, dass kein Spieler im Lauf des Spiels davor weitere Steine gefangen hat.)
Wenn zwei gleichstarke Spieler gegeneinander spielen einigt man sich meistens darauf, dass der Spieler der nicht anfangen darf einige Punkte Bonus (“Komi”) bekommt, weil er einen Nachteil hat. (Beim Go fängt immer Schwarz an!) In der Bundesliga sind das genau 7 Punkte, womit es da auch (ziemlich selten) zu einem Unentschieden kommen kann. Meistens nimmt man 6,5 Punkte, so dass das Spiel immer entschieden ist.
Wenn ein Spieler absehen kann, dass er weniger Punkte haben wird als der Gegner und keine Chance mehr haben wird den Rückstand aufzuholen, so sollte er aufgeben. Es gilt als äußerst unhöflich eine einseitige, längst entschiedene, Partie noch bis zum bitteren Ende fortzusetzen und auf Patzer des Gegners zu hoffen. Man sollte in so einer Situation die entscheidende Stelle spielen, an der der Gegner einen Fehler machen müsste, damit man selbst noch gewinnen kann. Macht er den Fehler nicht und die Situation ist entgültig entschieden, gibt man auf. Man spricht dann auch davon “einen Punkt zum Aufgeben zu suchen”. Ohne diese Gepflogenheiten wird so manche Partie schlicht unerträglich und die meisten Spieler halten sich auch weitgehend daran.
Computer Go
Interessant ist, dass noch kein Computer die besten Spieler der Welt ohne Handicap geschlagen hat. Ganz anders als im Schach. Das Spiel hat sich als zu komplex heraus gestellt, als dass man durch das abspielen aller möglichen Zugfolgen oder anderer algorithmischer Suchen gute Erfolge gegen menschliche Spieler hätte. Ein typischer Vertreter für solche Programme ist GNU Go, das für bestenfalls mittelstarke Amateuren wie mich keine Herausforderung mehr darstellt.
Als besser haben sich Abwandlungen von Monte-Carlo Algorithmen herausgestellt, die tausende Spiele mit komplett zufälligen Zugfolgen bis zum Ende spielen und dann den Zug spielen, nach dem die meisten dieser Zufallsspiele gewonnen wurden. Die meisten dieser Programme sind gut genug um mich zuverlässig zu besiegen. Allerdings ist das Spektrum der Spielstärken im Go äußerst breit. Profispieler haben dabei fast schon beängstigende Fähigkeiten erreicht, die zur Zeit noch weit jenseits der Stärke der Computerprogramme ist. Allerdings werden die Computerprogramme immer stärker, besonders seit der Entdeckung, dass Monte-Carlo Algorithmen viel besser geeignet sind. Ob sie auch weiterhin mit der steigenden Rechenleistung skalieren können, steht nicht fest und man wird abwarten müssen ob und wann es dazu kommt, dass sich auch beim Go die Profis den Rechnern geschlagen geben müssen.
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