Aber dieses und andere Argumente beruhten nicht auf Fakten. Sie waren durch Misstrauen motiviert und das merkte man ihnen auch an. Eine der erfolgreichsten und am meisten respektierten Raketen der 90er Jahre war die Ariane 4. Sie verband Zuverlässigkeit mit niedrigen Kosten und verdrängte so die US Trägerraketen vollständig vom kommerziellen Satellitenmarkt. Die am meisten verwendete Variante der Rakete war dabei die Ariane 44L. Mit 4 Viking Triebwerken in der ersten Stufe und 4 Boosterraketen mit je einem Viking Triebwerk. Die zweite Stufe besaß ein weiters Viking Triebwerk, einzig die dritte Stufe nutzte das gleiche HM7B Triebwerk, das auch die Ariane 5 noch bis heute hat. Dennoch beharrte mindestens ein bekennender Fan der Ariane 4 darauf, dass die Falcon 9 wegen ihrer 9 Triebwerke notwendigerweise unzuverlässig sein und schon beim ersten Start explodieren würde. (Ich respektiere ihn sehr und werde seinen Namen hier nicht nennen. Aber wer ihn kennt, weiß wen ich meine.)
Dazu kam die nicht sehr offene Informationspolitik und einige Eigenheiten, die SpaceX schlicht von anderen Herstellern von Trägerraketen unterschied. So lief das Merlin 1C Triebwerk in der Falcon 1 nicht mit voller Leistung. Wenn man auf dieser Grundlage die Leistung der Falcon 9 berechnen wollte, kam man auf ein falsches Ergebnis. Denn die Rakete war mit 9 Triebwerken 10 mal so schwer. Man glaubte den offiziellen Angaben für den Schub nicht und hielt sie für Betrug.
Um die Falcon 9 möglichst zuverlässig zu machen, plante man auch von Anfang an ein, dass sie den Ausfall eines Triebwerks im Flug kompensieren können sollte. Natürlich ist die Rakete dann nicht mehr so effizient und braucht zusätzliche Treibstoffreserven, die man in anderen Raketen so nicht hätte. SpaceX traf nun die Entscheidung, die maximale Nutzlast ihrer Rakete entsprechend des Standards in der Industrie anzugeben, also für den Fall, dass diese Reserven komplett aufgebraucht und für zusätzliche Nutzlast verwendet werden. Gleichzeitig verwendete man natürlich die Reserven bei den ersten Flüge. Auch hinter der Diskrepanz zwischen diesen beiden Werten, der offiziellen Nutzlastangabe und der tatsächlichen Nutzlast, witterte man Betrug.
Der ersten Flüge
Der erste Flug der Falcon 9 fand nun im Sommer 2010 statt und die Rakete schaffte es in den Orbit. Mit viel Glück. Schon beim Start drehte sich die Rakete kurz nach dem Abheben um 90 Grad, bevor die Steuerung der Rakete das zusätzliche Drehmoment ausgeglichen hatte. Es wurde durch die Anordnung der Auslässe der 9 Gasgeneratoren der Triebwerke verursacht und war offenbar falsch voraus berechnet. Der Rest des Fluges der ersten Stufe verlief wie geplant, allen Unkenrufen wegen der vielen Triebwerke zum Trotz. Auch die Stufentrennung war problemlos, aber der Flug der zweiten Stufe war es nicht.
Wie schon bei der Falcon 1 gab es ein Problem, das man ohne einen Test in der Vakuumkammer nur schwer voraussehen konnte. Diesmal war es nicht der Restschub des Triebwerks nach der Abschaltung, sondern die Erwärmung der Steuerelektronik durch die Strahlungshitze des Triebwerks. Bei Tests am Boden bestand ein gewisser Luftzug, der dort die Elektronik vor Überhitzung bewahrt hatte. Beim Flug im Vakuum war das nicht mehr der Fall und die Elektronik fiel aus.
Die Elektronik war für die Steuerung der Auslassdüse des Gasgenerators zuständig. Bei der ersten Version der Falcon 9 nutzte man die, um die Rollachse der zweiten Stufe kontrollieren zu können. Man sieht die kleine Düse im Video sehr gut beim Flug der zweiten Stufe. Für die Steuerung bewegt sie sich nach rechts und links und an einem Punkt weist der Kommentator auch darauf hin und sagt, dass das völlig normal ist.
Allerdings sagt er das kurz nach dem Zeitpunkt, an dem sich genau diese Düse für den ganzen Rest des Fluges zum letzten Mal bewegt hat. Die Rollkontrolle fiel aus und die Stufe fing langsam an zu taumeln. Diesmal aber nicht so stark wie noch beim zweiten Flug der Falcon 1. Das Triebwerk lief weiter und die Stufe erreichte taumelnd einen niedrigen Erdorbit. Freilich entsprach der nicht den Erwartungen an die Präzission, aber immerhin hat sie einen Orbit erreicht und ist nicht abgestürzt. Ein zusätzlicher Hitzeschutz für die Elektronik löste das Problem bei den nächsten Flügen.
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