Ich musste mich entschließen, diesen Artikel zu schreiben. Ich habe lange gezweifelt, ob ich ihn schreiben sollte. Das allein zeigt das Problem. Ja, ich schreibe mit der Schere im Kopf und ich habe keine Lust mehr dazu.
(Eins vorweg: Wer die Kommentare der letzten Tage nicht gelesen hat, braucht diesen Artikel nicht zu lesen.)
Seit Wochen schiebe ich nun schon jede konkrete Diskussion von Kernreaktoren und Kernkraftwerken vor mir her. Um die Entwicklung nuklearer Raketentriebwerke habe ich mich herum gedrückt und sie nur für Insider verständlich verklausuliert angedeutet. Kein konkreter Satz steht irgendwo über eine ganze Reihe von Kernreaktoren die für den Einsatz in Raumsonden und Satelliten entwickelt wurde, um nur nicht die immer gleichen Diskussionen los zu treten.
Die Unsäglichkeit des Missbrauchs der Landwirtschaft zur Brennstofferzeugung habe ich nicht angetastet, weil die Aneinanderreihung der Buzzwörter “nachwachsende erneuerbare Rohstoffe” jede Rücksicht auf Schäden vergessen lässt und die Folgen für die Nahrungsmittelherstellung von Lobbygruppen weitflächig geleugnet werden.
Ich habe nichts über Windkraft geschrieben, weil es dabei unvermeidlich ist hinzuweisen, dass besonders in Ostdeutschland die Grenze des akzeptablen teilweise weit überschritten wurde. Was auch an völlig fehlender Einbeziehung der Bevölkerung liegt. Die hat man schon deswegen nicht gefragt, weil ihr die Windkraftanlagen nicht gehören – die Investoren kommen von außerhalb, in Ostdeutschland gibt es kaum Menschen mit dem nötigen Kapital. Die Bevölkerung lehnt weitere Windkraftanlagen ab, weil sie keinen Nutzen davon hat, aber den Schaden tragen muss. Dazu kommen höhere Strompreise, weil der Netzausbau per Gesetz nicht von den auswärtigen Profiteuren des EEG, sondern von lokalen Netzanbietern geleistet werden muss. Die Ablehnung hat also gute Gründe, aber ich wollte den Artikel nicht schreiben, weil die Diskussion von längst vorgefertigten Meinungen dominiert wird.
Nun habe ich einen Artikel geschrieben, in dem ich sagte, dass die Bevölkerung keine Solarkraftwerke akzeptieren wird, die hunderte Quadratkilometer bedecken. Ich habe auch die offensichtliche Erkenntnis zum Ausdruck gebracht, dass solche Anlagen einen ökologischen Schaden darstellen (man beachte die sorgsame Aussparung der Landebahn):
Ökologische Schäden wurden nun vehement bestritten und behauptet, das wäre sogar positiv für die Natur. Andere waren der Meinung, dass die Bedeckung Deutschlands mit solchen Anlagen in der Größenordung ganzer Bundesländer vertretbar oder gar die “einzige Alternative” wäre (also keine Alternative). Nun, ich bin strikt gegen eine solche Zukunft und damit nicht im Ansatz allein. Um so mehr solche Anlagen gebaut werden, um so mehr wird der Widerstand wachsen, auch wenn er jetzt noch von Aktivisten und PR-Agenturen mit Hilfe der Presse lächerlich gemacht wird.
Das gleiche gab es schonmal mit der Kernkraft. Kritik wurde unterdrückt und lächerlich gemacht, bis das Pendel in die Gegenrichtung ausschlug. Die “Energiewende” ist längst am äußersten Rand angekommen.
“Was Geht” beschäftigt sich nicht nur mit dem, was technisch machbar ist. Es geht auch darum, an welcher Stelle Machbarkeit in Machbarkeitswahn umschlägt. Dieser Punkt ist hier längst überschritten. Man hätte es merken können, als die sonst so kapitalismuskritischen Grünen in der Debatte um die Kürzung der EEG-Umlage für PV auf zweistellige Renditen für die Käufer von PV-Anlagen bestanden. Reichen Investoren und wohlhabenden Hausbesitzen wurden wenigstens einhundert Milliarden Euro sicherer Profit garantiert, finanziert durch EEG Umlagen. Die Kosten tragen jene, die kein Kapital für die Investitionen hatten. Die bloßen Kosten für die EEG Umlage, die eigentlich kostenneutral hätte sein sollen, geht in die hunderten Milliarden. Kosten für Netzausbau, für stillgelegte, neu gebaute Kraftwerke, für Subventionen, Steuervergünstigungen, Anlegerbetrug, Konkursverschleppung und vieles andere nicht mitgerechnet.
Man hätte es merken können, als man 2010 einer Dürre in Russland und Australien, die zusammen etwa 18Mio Tonnen Weizen vernichtete, die Schuld an steigenden Lebensmittelpreisen auf der Welt gab. Während gleichzeitig allein in den USA 140mio Tonnen Mais zu Ethanol vergoren wurden. Man hätte es merken können, als die “Alternativen Energien” von einer zweiten Möglichkeit zur einzigen Alternative, zur einzigen Möglichkeit, wurden. Sie wurden zu genau dem, aus dessen Ablehnung sie entstanden.
Es ist ironisch, dass nun genau jene dem Machbarkeitswahn verfallen sind, die ihn so lange so sehr kritisiert haben.
Ich lege keine zweite Messlatte an, nur weil etwas als umweltgerecht bezeichnet wird. Es muss sich bewähren, nicht nur dem Namen nach. Ich lege die gleiche Messlatte für alle Formen der Energieerzeugung an. Dabei mögen mir Fehler unterlaufen. In Anbetracht der emotionalen Debatte ist das, aus Erfahrung, zur Zeit sehr viel wahrscheinlicher als sonst.
Ich diskutiere sie gerne. Aber ich diskutiere nicht auf einer Grundlage, bei der das Ergebnis schon vorher feststeht. Also alle Solar- oder Windkraftwerke gegen jede Kritik verteidigt werden müssen oder die Nutzung von Kernkraftwerken mit keinem Argument begründet werden darf. Das war zuletzt spätestens an der Stelle der Fall, als Solarkraftwerke zum wertvollen Ökosystem erklärt wurden und mein Argument, dass ein freies Ökosystem ohne Solarkraftwerk wohl offensichtlich besser wäre, als “ohne sachlichen Grund” abgelehnt wurde.
Es gibt keine Form der Energieerzeugung die ich hier genannt oder im Blog beschrieben habe, die ich generell ablehne. Aber es gibt Grenzen der Möglichkeiten und genau die will ich auch sinnvoll diskutieren können. Das kann ich nicht, wenn schon so offensichliches wie die Tatsache, dass großflächige Solaranlagen einen ökologischen Schaden hinterlassen, zu kleinlichen Streitereien ausarten.
Wer sich von den Aussagen in diesem Artikel angegriffen fühlt, dem rate ich, diesen Blog nicht weiter zu lesen.
Meine Gedanken bewegten sich zuletzt in einer Orwell’schen Wolke, in der ich mich immerzu gefragt habe, welche Gedanken denn nun für einen Artikel statthaft sind und welche nicht. Ob ich denn nun schreiben darf, dass 2+2=4 ist oder ob ich schreiben muss, dass 2+2=5 ist. Ich habe mich selbst zensiert.
Was ich schreibe wird von der Schere im Kopf immer schlechter und meine Laune noch viel mehr. Ich verliere dadurch mehr Leser als ich durch den ständigen Abgleich der Realität mit dem Orwell’sches Paralleluniversum einiger Kommentatoren hier behalte. Also erspart euch Erpressungsversuche vom Schlage eines “dann muss ich aber gehen” und geht einfach.
Ich rate des weiteren davon ab, mir Drogenprobleme zu unterstellen, Grüße aus dem Logikloch zu übersenden oder sonstwie beleidigende Kommentare zu schreiben.
Alle anderen: Danke für eure Leserschaft.
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