Der erste Reaktor der Welt war nicht so kompakt. “Chicago Pile One” CP-1 Er brauchte knapp 40 Tonnen Uran und knapp 4000 Tonnen Graphit. (Die Zeichnung stammt aus der Wikipedia und ist zum Beispiel auch in “The first reactor” zu finden. Es gibt viele englischsprachige Quellen dazu, im deutschen habe ich keine Ahnung. Die einschlägigen Wikipedia Artikel und eine Suche auf “Google Scholar” liefern fast alles denkbare.)
Der Reaktor diente nur zu Testzwecken um zu sehen, ob die Kettenreaktion wie geplant erreicht werden würde. Man ging sehr vorsichtig bei der Konstruktion vor. Nach jeder weiteren Schicht aus Uran und Graphitblöcken wurden die Kontrollstäbe gezogen und gemessen, wie weit man sich der kritischen Masse genähert hat, dem Punkt mit k=1.
Vor diesem Punkt fungiert der Reaktor nur als Neutronenverstärker. Mit k=0,5 würden aus 100 Neutronen, die spontan im Reaktor entstehen, 200 Neutronen werden. Mit k=0,9 würden es 1000 Neutronen werden. Mit k=0,99 würden es 10.000 Neutronen werden und so weiter. Wobei bekannt war, dass ein Teil der Neutronen immer mit einer gewissen Verzögerung entsteht. Man kann sich also langsam dem Wert k=1 nähern und ihn auch überschreiten, ohne katastrophale Auswirkungen. Als es soweit war, hatte Enrico Fermi genug Zeit die Instrumente zu beobachten und mit dem Rechenschieber nachzurechnen, ob der Anstieg der Neutronenzahl auch wirklich exponentiell war.
Man hat die Leistung des Reaktors nie höher als 200 Watt steigen lassen. Aufgrund der Strahlungsmessung im Betrieb hat man beschlossen, ihn anderswo mit passendem Strahlungsschild neu aufzubauen. Die Strahlung war nun nicht übermäßig groß. Aber wenn man vor hat, über Monate oder Jahre direkt an und auf dem Reaktor bei einer Leistung von einigen Kilowatt zu arbeiten, muss man andere Sicherheitsvorkehrungen treffen. Der Reaktor stand zu diesem Zeitpunkt in einer Basketball Halle in Chicago und da das Projekt geheim bleiben sollte, war der Schritt ohnehin unvermeidlich. Wegen der geringen Leistung war das Material des Reaktors nicht radioaktiver als zuvor, womit der Umzug keine Probleme bereitete.
Nachdem die Tests mit diesem Reaktor zufriedenstellend waren, wurde der nächste Reaktor gebaut, der X-10. Ein Luftgekühlter 10MW Reaktor, nicht völlig unähnlich dem Reaktor, der in Sellafield 15 Jahre später traurige Berühmtheit erlangte. Die Luftkühlung war notwendig. Trotz der 4000 Tonnen Masse litt der erste Reaktor unter Überhitzungsproblemen und das obwohl seine Leistung kaum größer als die eines herkömmlichen Wasserkochers war.
Keiner dieser Reaktoren hatte den Zweck, Energie nutzbar zu machen. Die Wärme die bei der Kettenreaktion entstand, war vielmehr ein lästiges Nebenprodukt. Das Ziel war die Untersuchung der Eigenschaften von Uran und Plutonium (und auch einiger Proben Thorium), sowie der Eigenschaften des Reaktors selbst und der darin stattfindenden Kettenreaktion. Letztendlich dienten die Ergebnisse zum Bau von zwei großen 250MW Reaktoren, in denen das Plutonium für den Bau der ersten Atombomben erbrütet wurde. (Man vergleiche die Leistung mit dem nordkoreanischen 20MW Reaktor in Yongbyon.)
An keiner Stelle dieser Entwicklung musste Uran angereichert werden, was heute so oft als Indikator für den Bau von Atomwaffen gilt. Tatsächlich stellte sich dieser Weg ganz ohne Anreicherung, der vom ersten Prototypen des Reaktors kaum mehr als drei Jahre brauchte, als der erfolgreichste für den Bau von Kernwaffen heraus. Man sollte diese Tatsache immer im Kopf behalten. Die Grundlage dieser Technik sind alt und inzwischen fast schon primitiv.
Innerhalb von 3 Jahren war es in den USA mit großem Aufwand möglich, nicht nur die ersten Atombomben zu bauen. Man musste nebenbei auch alle wissenschaftlichen Grundlagen dafür zu entwickeln und wusste am Anfang nicht, auf welchem Weg man zum Ziel kommen würde oder ob das Ziel des Baus einer Atombombe überhaupt realistisch war. Das Manhattenprojekt umfasste eine ganze Reihe von Möglichkeiten die gleichzeitig verfolgt wurden.
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