Ich weiß nicht viel über China. Aber ich habe festgestellt, dass man mehr über China lernen kann, wenn man etwas über seine Geschichte lernt. Es hört dabei auch auf so fremd zu sein, wie es uns heute vorkommt. Auch von der Geschichte weiß ich nicht viel, aber ich kenne immerhin den groben Ablauf. Das hat mir in den letzten Jahren immerhin geholfen nicht sofort alles zu vergessen, dass ich neues über die Geschichte gelernt haben. Es ist wie ein Gerüst, das allein im Sturm umfallen würde, aber dabei hilft die Steine aufzubauen, die am Ende das ganze Gebäude aumachen. Über diesen groben Ablauf möchte ich schreiben.

Die Geschichte Chinas orientiert sich bekanntlich an den Dynastien, die am Anfang alle zu einem einzigen Brei verschwimmen, zumal die Namen äußerst Chinesisch sind. Aber das ist alles nur eine Frage der Gewohnheit.

Die Anfänge der Chinesischen Geschichte gehen zurück bis in die Bronzezeit. Es ist wenig konkretes bekannt, denn die chinesische Schrift wurde erst später in die universelle Sprache verwandelt, die wir heute kennen. Die ersten Aufzeichnungen über die Geschichte Chinas stammen aus der Zhou Dynastie. (Ausgesprochen: “Dschou”)

Von den Zhou habe ich zum ersten Mal in dem chinesischen Action Film “Hero” gehört und von ihrer Bedeutung keine Ahnung gehabt. Der Film handelt von einer Gruppe die uns als Helden vorgestellt wird, die den König von Qin töten sollen. (Ausgesprochen: Tchin mit weichem ch) Sie wurden von den Zhou geschickt. Nun ist jedem Chinesen klar, wer die Zhou sind, nur uns leider nicht. Die Zhou sind die Kaiserfamilie. Sie hatten zumindest den formalen Anspruch ganz China zu regieren.

Aber das Kaisertum der Zhou war eher vergleichbar mit dem des Kaisers des heiligen Römischen Reichs deutscher Nationen. Die Kaiser verliehen den Fürsten die Macht über ihr Land zu regieren. Die Fürsten waren aber ansonsten frei zu regieren wie sie wollten. Nur ging dabei offensichtlich etwas schief. Denn die Fürsten fingen irgendwann an, sich Könige zu nennen und gegen die anderen Könige und Fürsten Krieg zu führen.

Aber trotz allem waren sie auf den Kaiser angewiesen, denn nur der hat das Mandat des Himmels. Mit dem Mandat des Himmels begründeten die Zhou von Anfang an ihre Macht. Der Himmel ist die Bezeichnung einer überweltlichen Götterwelt, in die Menschen keinen richtigen Einblick haben. Aber diese Welt kann sich darauf einigen, einem Menschen ihr vertrauen auszusprechen und ihm so die Macht zu geben, über alle unter dem Himmel zu regieren.

Dazu muss sich der Herrscher aber als würdig erweisen. Ist er unwürdig, muss kann der Himmel ihm sein Mandat entziehen und es jemand anderem geben. Wenn der Herrscher das Mandat nicht mehr hat, wird man das schnell merken, denn es äußert sich in Aufständen, Erdbeben, Hungersnöten, Kometen am Himmel, zweiköpfigen Schafen und dergleichen mehr.

Solche Zeichen leiteten den Untergang der Vorgänger der Zhou ein. Denn die Zhou waren nicht die ersten, die diesen Teil der Welt regierten. Vor ihnen kamen die Shang. Die Shang lebten zu der Zeit, in der auch das Neue Königreich in Ägypten regierte. Ein gewisser Tutanchamun wurde in der Mitte dieser Zeit als junger Pharao begraben und deswegen berühmt, weil sein Grab erst im 19. Jahrhundert von Briten öffentlich geplündert wurde. Es war die Blüte der Bronzezeit in Europa genauso wie in China. Zumindest bis zum 11. Jahrhundert vor unserer Zeit, als die untrüglichen Zeichen erschienen, die das Ende der Shang einleuteten. Das Mandat des Himmels, mit dessen Hilfe die Shang die Chinesen bislang so gut regierten, wurde den Shang entzogen und auf die Zhou übertragen. Das war auch ganz offensichtlich. Denn nur mit dem Mandat des Himmels kann man China regieren und siehe da, die Zhou haben gewonnen und regierten China. Zumindest war das die Geschichte die die Zhou jedem erzählten, der wissen wollte, warum sie herrschen und niemand sonst.

Für 800 Jahre konnten die Zhou die Macht für sich beanspruchen. Etwa einhundert Jahre vor dem Ende der Zhou hat Plato in Griechenland seinen Schüler Aristoteles ausgebildet, dessen Schüler Alexander (der Große) das Persische Reich im Handstreich eroberte. In Italien begann das Wachstum einer Stadt am Tiber zu einem mächtigen Land, das bald darauf das einzig andere große Land des westlichen Mittelmeers, Karthago, zum Kampf auf Leben und Tod herausforderte. Das war die Zeit des Untergangs der Zhou.

Die Blütezeit der Zhou war im 8. bis 5. Jahrhundert vor unserer Zeit, die “Frühling und Herbst” Periode. Benannt nach dem Titel der Annalen des Königreichs Lu über diese Zeit. Einer der Klassiker die Konfuzius zugeschrieben werden.

Die letzten zwei Jahrhunderte der Zhou nennt man die Zeit der streitenden Reiche. Aber man nennt sie auch die Zeit der hundert Schulen, als die klassische chinesische Philosophie ihren Höhepunkt erreichte – ganz ähnlich wie auch in der griechischen Antike. Konfuzius, Laotze und Mengzius und viele andere lebten zu dieser Zeit. Etwa zur gleichen Zeit soll auch der Buddha gelebt haben. So viele Ideen dieser Zeit sind bis heute erhalten geblieben, dass der Historiker Karl Jaspers zogar von einer “Achsenzeit” sprach. Die Zeit als die Ideen sich wie von der Achse eines Rades nach außen hin ausbreiteten.

Während Laotze den Daoismus begründete, beschäftigte sich Konfuzius hauptsächlich damit, wie ein Staat beschaffen sein sollte. Welche Rituale eingehalten werden sollten, welche Beziehungen Menschen untereinander haben sollten und so weiter. Er sagte, dass die Beamten des Staates eine rigerosen Prüfung unterzogen werden sollten, in denen sie nachweisen müssen, dass sie für den Staatsdienst geeignet sind. Das und noch viel mehr ist Kern des Konfuzianismus und noch heute in der chinesischen Kultur verankert. Allerdings nicht deshalb, weil Konfuzius ein erfolgreicher Staatsmann gewesen wäre. Ganz im Gegenteil. Seine Ideen wurden erst lange nach seinem Tod, nach dem Untergang der Zhou und nach dem Untergang der Nachfolger der Zhou zur Realität.

Und das bringt mich zurück zu dem Film “Hero”. Warum schickt der Kaiser der Zhou Mörder los, um einen der Könige, den König von Qin, zu töten? Weil er zu mächtig wurde. Das Königreich Qin, ganz im Westen des Reichs, schaffte es durch Landreformen reicher und mächtiger zu werden als alle anderen. Im ewigen Kampf der Reiche gegeneinander ist das Königreich der Qin als Sieger hervor gegangen. Deswegen will der Kaiser der Zhou im Film den König von Qin töten lassen, denn die Zhou mussten selbst ihren Untergang fürchten. Es gab Aufstände, Erdbeben, Hungersnöte, Kometen am Himmel und sicherlich auch ein paar zweiköpfige Schafe irgendwo.

Wir erinnern uns, das Mandat des Himmels war den Zhou offensichtlich abhanden gekommen. Und niemand anderes als der König von Qin konnte es haben. Der Herrschaftsanspruch der Zhou wandte sich nun gegen sie selbst. Denn der Erfolg des Königreichs Qin konnte nur bedeuten, dass der König von Qin das Mandat des Himmels hat und damit das Recht über ganz China zu regieren. Auch wenn Qin ein brutaler Herrscher war und die Eroberung Chinas viele Tote zurück lies. Das Ende des Films ist damit jedenfalls kein Stück überraschend. Natürlich erkennt der Held der Geschichte, wer hier das Mandat des Himmels eigentlich wirklich hat und tötet den König von Qin nicht – und das obwohl der König Qin ihm sein eigenes Schwert dafür gibt!

Von Qin kommt auch der Name – Qin-a … verballhornt zu China. Als der Held nun im Film auf den König zu springt (Technik: “Tod auf Zehn Schritt”) und ihn nicht tötet, gibt er ihm noch eines eines mit auf den Weg: “Die Toten flehen euch an, vergesst nicht die höchste Ebene [der Kriegskunst]” Was ist im Film die höchste Ebene der Kriegskunst? Das Schwert nicht nur aus der Hand zu legen, sondern auch das Schwert im Herzen aufzugeben.

Als die Eroberung 221 vor unserer Zeit abgeschlossen war, nannte sich der König fortan “Qin Shi Huangdi”, Qin der erste Kaiser. Wobei sich die Bezeichnung für Kaiser “Huangdi” auf den Polarstern bezieht, um den sich alles dreht. Die Sache mit dem Personenkult ist keine Erfindung der Neuzeit. Qin Shi Huangdi war ein furchtbarer Herrscher, aber seine Herrschaft währte nicht lang. Auf der ständigen Suche nach Elexieren die ihn unsterblich machen sollten, vergiftete er sich elf Jahre später selbst. Sein ältester Sohn bekam nicht die Macht, sondern wurde in einer Verschwörung des Chefeunuchen Zhaogao ermordet. Der jüngere Sohn wurde mit 21 Jahren zum Kaiser Qin Er Huangdi (Qin zweiter Kaiser) gekrönt, was er nur 4 weitere Jahre überlebte. Das tödliche Intrigantenstadl der Qin Dynastie, die ganz China regierte, währte nur 15 Jahre.

Abgelöst wurde sie durch die Han Dynastie. Bis heute nennen sich die ethnischen Chinesen, die keiner der Minderheiten angehören auch “Han Chinesen”.  Es ist die erste großen Dynastien, der nächsten 2000 Jahre, die auch zum ersten Mal die Ideen den Konfuzius verfolgte. Über die Han Dynastie, die Tang und die Song wird noch zu reden sein. Ebenso von den Yuan, den Ming und den Qing.

Die Han machten China groß, bis zu einem Bürgerkrieg. Die Tang verbreiteten Chinas Kultur, bis zu einem Bürgerkrieg. Die Song brachten Wirtschaft und Technik zur Blüte – aber verloren die Hälfte des Reichs an die Mandschuren. Dann kamen die Mongolen, besiegten beide und gingen als die Yuan in die Geschichte ein. Die chinesischen Ming eroberten China von den Mongolen zurück, schickten die berühmte Schatzflotte aus und verbrannten sie dann. Sie regierten fast drei Jahrhunderte, bis sie in Bauernaufständen höchster Not die Mandschuren um Hilfe baten. Doch selbst die kamen zu spät. Der Kaiser war tot und die Mandschuren eroberten diesmal ganz China und nannten sich die Qing.

Die Herrschaft der Qing endete in einer Katastrophe, die China vom reichsten zum verarmtesten Land der Welt machen würde. Die Republik China wurde im Feuer geboren und fiel den japanischen Machtansprüchen zum Opfer, bis nach dem Ende des Krieges die Kommunisten die Oberhand gewonnen und in der Kulturrevolution aller Geschichte ein Ende machen wollten. Die heutige Regierung sieht das aber ganz anders.

Kommentare (8)

  1. #1 Lutz Donnerhacke
    3. Juni 2015

    Danke. Das war sehr verkürzt, aber immerhin ein brauchbarer Anschein eines Gerippes.

    • #2 wasgeht
      3. Juni 2015

      Ja. Es ist ein Blog und kein Geschichtsbuch. Und wenn es ein Buch ist, dann am ehesten eines zum selbst ausmalen. :)

      Außerdem, es war nur der Anfang. Die letzten drei Absätze waren nur eine kurze Andeutung dessen, was noch kommt.

  2. #3 Jörg
    4. Juni 2015

    wow, ich lese schon lange hier auf scienceblogs, aber das ist das erste Mal, dass mich ein Artikel so begeistert, dass ich einen Kommentar schreiben muss :) Das liegt vielleicht an meinem Interesse an China, dessen Kultur, Geschichte, Sprache und eben allem

    Also bitte weitere Teile! Aber nur, wenn es dir nicht zu viel Aufwand macht (<–Höflichkeit. ich habe schon zu lange mit Chinesen zu tun, haha bzw. 哈哈)

    kleine Korrektur nur: "qin" spricht man eher "tchin"

    • #4 wasgeht
      4. Juni 2015

      Ich wollte die Aussprache von “qin” von der Aussprache von “jin” abgrenzen (sowohl dem Nachfolgestaat den Han, als auch der Manchu-Dynastie während der Song)

      … es treibt einen in den Wahnsinn. :)

  3. #5 Jörg
    4. Juni 2015

    na “jin” wird doch aber tatsächlich “dchin” gesprochen. Also qin–>tchin
    jin–>dchin

    naja, chinesische Aussprache ist eine Geschichte voller Missverständnisse ^^

    • #6 wasgeht
      4. Juni 2015

      Das erklärt sehr viel Verwirrung meinerseits.

  4. #7 Stefan
    6. Juni 2015

    Die chinesische Geschichte ist sicher unter anderem deshalb schon sehr interessant, weil sie hierzulande kaum jemandem geläufig ist.
    Wie in Ihrem Artikel “Weltgeschichte Unterrichten” bereits dargelegt, wird in den hiesigen Schulen sehr eurozentrisch unterrichtet.

    Ich freue mich auf jeden Fall mehr darüber zu lesen. :)

  5. #8 Michael
    6. Juni 2015

    Ich würde diesen Artikel gerne auf Twitter verlinken, aber mit dem Apostroph in der Überschrift ist mir das doch zu peinlich. :)