Die Entwicklung von neuen Raketen ist ein schwieriges Geschäft. Die beste Rakete ist immer ein, die man nie entwickeln musste, sondern einfach nur baut. Nur desweges gibt es bis heute die Soyuz Rakete. Sie mag nicht sehr effizient sein, aber ihre Entwicklung ist abgeschlossen. Die Produktionsanlagen stehen und das Personal hat viel Erfahrung. Die Entwicklung einer neuen Rakete kann Milliarden kosten. Schon eine Milliarde umgelegt auf 100 Raketenstarts bedeutet aber Kosten von 10mio pro Start. Wo immer es geht, wird man versuchen solche Kosten zu reduzieren oder zu vermeiden.
Bei der Entwicklung von Raketen gibt es deswegen immer wieder einige typische Muster. Es ist zum Beispiel typisch, dass den Triebwerken am Anfang einer Baureihe nicht die maximale Leistung zugemutet wird. Erst später, mit mehr Erfahrung, tastet man sich an die Grenzen heran. Man mutet den Turbopumpen höhere Drehzahlen zu und den Brennkammern höhere Drücke und Verbrennungstemperaturen. Dann hat man eine Rakete mit stärkeren Triebwerken, mehr Schub und vielleicht auch etwas höherem spezifischen Impuls.
Nun bringt das allein schon einiges. Jede Sekunde die man durch höheren Schub beim vertikalen Start nach oben bis zum erreichen einer bestimmten Geschwindigkeit einsparen kann, bringt 10m/s mehr Geschwindigkeit. Aber man könnte nun mit dem gleichen Triebwerk auch eine größere Rakete betreiben. Und das ist genau das, was in der Situation meistens tut. Man verlängert die Treibstofftanks um ein größeres Volumen zu haben.
Bei der Ariane Rakete hat man genau das auch am Anfang getan. Die Ariane 1 wog beim Start noch 207 Tonnen, die Ariane 2 wog 217 Tonnen. Bei der Ariane 3 waren es 237 Tonnen und bei der Ariane 4 waren es mindestens 245 Tonnen. Wobei die Ariane 4 auf die Benutzung von Boosterraketen ausgelegt war und bei diesem Mindestgewicht die Treibstofftanks nur teilweise gefüllt waren. In Bernd Leitenberges Geschichte der Ariane Rakete sieht man das langsame Wachstum der Raketenversionen sehr gut:
Auch bei der Ariane 5 gab es im Lauf der Zeit eine gewisse Entwicklung. Aus den P238 Boostern wurden etwas leistungsfähigere P241 Booster. Das Vulcain Triebwerk der zentralen Stufe wurde durch das Vulcain II ausgetauscht, das mehr Schub entwickelte und eine andere Treibstoffmischung benutzte. Statt 170 Tonnen wog die Stufe nun 185 Tonnen.
Ein recht extremes Beispiel ist die amerikanische Atlas III Rakete. Dabei handelt es sich letztlich um eine Atlas II, bei der die ineffizienteren amerikanischen Triebwerke durch das russische RD-180 Triebwerk ersetzt wurde. Das Triebwerk war von dieser Rakete ernsthaft unterfordert. Denn die Rakete hatte nur ein Startgewicht von etwa 210 Tonnen und einen Startschub der mit 260 Tonnen angegeben wird. Das RD-180 simulierte dabei den Schub der alten Triebwerke um die möglichst gleichen Belastungen auf die Rakete wirken zu lassen. Es war Verschwendung des Potentials des Antriebs. Aber das Triebwerk kam billig aus dem bankrotten Russland, dessen Industrie von internationalen “Investoren” geplündert wurde und so hatte man einen kostengünstiger Weg um die Entwicklung einer neuen Rakete zumindest zu verschieben.
Die neue Rakete kam später mit dem gleichen Triebwerk und der Nachfolger der Atlas III wurde die Atlas V Rakete (fragt nicht). Mit einem Startgewicht von etwa 330 Tonnen (ohne Booster) wurde sie mit ihrem russischen RD-180 Triebwerk zum neuen Arbeitspferd der amerikanischen Raumfahrt. Eine Tatsache, die man ungern öffentlich diskutiert hat. Heute ist man deswegen in der Bredouille und versucht einen Ersatz zu finden.
Ganz ähnlich verlief auch die Entwicklung der Falcon 9 Rakete. Das Merlin 1C Triebwerk wurde weiter entwickelt zum Merlin 1D, das zunächst 50% mehr Schub hatte. Entsprechend hatte man die Wahl entweder die Falcon9 nur noch mit 6 Triebwerken zu betreiben oder eine größere Rakete zu bauen. Man entschied sich für letzteres. Die gesamte Produktion war aber auf Tanks eines bestimmten Bautyps mit eniem bestimmten Durchmesser festgelegt. Damit hatte man im weiteren keine Wahl. Mehr Treibstoff konnte man nur in längeren Tanks unter bringen, wodurch die neue Falcon 9 entsprechend auch etwa 50% größer ist.
Beim übernächsten Flug der Falcon 9 soll die Leistung der Triebwerke nochmal um 20% gesteigert werden, viel größer kann man die Tanks aber nicht mehr machen. Also greift man auf eine Methode zurück, die auch schon in Russland benutzt wurde: Man kühlt den Treibstoff weiter ab als üblich. Normalerweise wird flüssiger Sauerstoff nur gerade so flüssig gehalten. Er kocht in den Tanks und bis kurz vor dem Start wird immer wieder mehr Sauerstoff hinein gegeben, um den Verlust auszugleichen. Den Sauerstoff tiefer zu kühlen macht mehr Aufwand, bringt aber auch etwa 10% mehr Dichte und damit mehr Sauerstoff in der gleichen Rakete. Da der Aufwand für eine deutliche Änderung der Rakete viel größer wäre, hat man sich für diese Variante entschieden. (Man will nur das Volumen der zweiten Stufe um 10% vergrößern).
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