Das erste Problem beim Flug in den Orbit, ist der Flug aus der Atmosphäre heraus. So schön es ist ein atembares Gas zu haben, für eine Rakete ist Luft meistens doch eher störend. Das fängt schon mit dem Luftdruck an.
Die Luft drückt hier unten in der Atmosphäre auf Meereshöhe mit etwa 10 Tonnen pro Quadratmeter gegen die Öffnung der Raketendüse. Gegen diesen Druck muss das Triebwerk ständig angehen, weshalb man für den Start der Rakete meistens eine recht kleine Düse verwendet. Zumal die Luft zu Verwirbelungen führt, die zu Vibrationen führen würden und eine zu große Düse zerstören würden. Und dann ist da noch das alte Problem, dass jedes Ding das sich schnell durch die Luft bewegt, die Luft zur Seite drücken muss. Und aller Aerodynamischen Künste zum Trotz wird auch dafür wieder Kraft gebraucht.
Gut wäre es also, schon vor dem Raketenstart wenigstens einen Teil der Atmosphäre hinter sich zu lassen. Eine Idee wäre es, den Teleskopen zu folgen und einen Weltraumbahnhof auf den Gipfel eines möglichst hohen Berges zu bauen. Der sollte möglichst nahe am Äquator liegen. Dann braucht man weniger weniger Treibstoff um die Bahnneigung zu korrigieren und die Erdrotation hilft beim Start auch noch mit. Man kommt damit nicht sehr hoch hinaus. Aber auf etwas mehr als 5km Höhe lässt man immerhin die Hälfte der Atmosphäre hinter sich.
Dabei haben Berge einen gewichtigen Nachteil. Sie befinden sich im Inland und meistens in einer bewohnten Gegend. Aller Fortschritte der Raketentechnik zum Trotz tut man noch immer gut daran, eine Rakete möglichst nicht über bewohntes Gebiet fliegen zulassen. Selbst wenn die Zuverlässigkeit einmal das Sicherheitsproblem lösen sollte, bleibt immernoch die Lärmbelästigung. Standorte gäbe es. Zum Beispiel auf den Andengipfeln von Equador, wo man allerdings in Richtung des brasilianischen Regenwaldes starten würde. Und dem Mt. Kenia, der allerdings ein Naturschutzpark ist. Von den Problemen mit der fehlenden Infrastruktur ganz zu schweigen.
Die ersten Starts vom Flugzeug
Man muss aber nicht von einem Berg aus starten, wenn man ein Flugzeug dafür hat. Flugzeuge erreichen viel größere Höhen und können noch dazu selbst eine Geschwindigkeit von ein paar hundert Metern pro Sekunde für den Raketenstart beitragen. Diese Idee hat nicht nur eine Reihe von Leuten inspiriert, man hat sie auch schon durchgeführt. Die X-15 war ein bemanntes Testgefährt mit Raketenantrieb, das von einem Flugzeug aus in der Luft gestartet wurde und große Höhen erreichte. Ganz ähnlich wie SpaceShipOne. (Ob es nun ein Flugzeug oder ein Raumschiff ist, sei dahingestellt.) Und die Pegasus Rakete wird bis heute mit dieser Methode gestartet.
Aber die Pegasus zeigt auch schon das Problem. Am Anfang, 1990, benutzte man noch einen B-52 Bomber der NASA, 1994 kaufte man ein eigenes Flugzeug. Die “Stargazer”, mit dem sie nun gestartet wird, musste extra für den Zweck angeschafft und umgebaut werden. Das ist nicht billig und die Kosten müssen mit jedem weiteren Start abbezahlt werden. Die Rakete selbst ist ziemlich klein. Die XL Variante wiegt 23 Tonnen und hat eine Nutzlast von etwa 0,44 Tonnen. Während ein Flug 1990 noch für 6mio Dollar angeboten wurde (Inflationsbereinigt etwa $11mio), sind es heute $30mio und die Flüge finden kaum noch statt. Für die sehr niedrige Nutzlast ist der Preis einfach viel zu hoch.
Trotz dieser Erfahrung ist die Idee noch nicht verschwunden. Milliardäre wie Microsofts Paul Allen oder Virgins Richard Branson finanzieren Projekte mit denen wieder Raketen von Flugzeugen Satelliten starten sollen.
Virgin Galactic
Virgin Galactic von Richard Branson will sich hauptsächlich den bemannten suborbitalen Flügen widmen, die man schon vor 10 Jahren für viel Geld verkaufte. Die Firma hatte nun aber schon den zweiten tödlichen Unfall zu verkraften. 2007 starben drei Ingenieure bei einem Test des Raketentriebwerks am Boden und am 31. Oktober letztes Jahr starb ein Testpilot bei einem Flug des neuen SpaceShipTwo. Man plant mit dem eigens gebauten Trägerflugzeug WhiteKnightTwo, auch eine kleine Rakete namens LauncherOne zu starten. Ich komme nicht umhin zu sagen, dass man die Reihenfolge der Entwicklung wohl besser umgekehrt hätte angehen sollen.
Stratolaunch
Das Titelbild ist ein altes Bild und stammt von Paul Allens Firma “Stratolaunch”. Es stammt noch aus der Zeit vor 2012, als Stratolaunch eine Partnerschaft mit SpaceX hatte, die mit ihrer Technik eine passende Rakete bauen sollten. Die lehnten irgendwann dankend ab, als klar wurde, dass die Konstruktion zu stark von der herkömmlichen Falcon Rakete abweichen musste. Man konnte keine strukturell verstärkte Rakete für den Start vom Flugzeug bauen, ohne die Produktionsanlagen nur dafür völlig neu zu bauen. Daraufhin ging man weiter zu OrbitalATK, die auch schon die Pegasus Rakete im Angebot haben. Die Frage, ob man von dort wirklich eine innovative, billige Rakete erwarten darf, hat sich heute auch erledigt. Denn auch diese Partnerschaft wurde nun beendet, weil sich die Antwort offensichtlich als ein deutliches “NEIN” heraus stellte. Derweil hat Stratolaunch wohl ernsthafte Probleme bei der Konstruktion des Trägerflugzeuges, das unter anderem aus Bestandteilen von zwei Boeing 747 Jumbojets zusammengebaut wird.
Solch heroische Konstruktionen sind durchaus notwendig, wenn man mehr als nur die kleinsten Satelliten starten will. Selbst relativ kleine Raketen wie die Soyuz haben Startmassen von etwa 300 Tonnen. Selbst das größte Frachtflugzeug der Welt, die nur einmal gebaute An-225, hat nur eine Nutzlast von 200 Tonnen. (Auf dem Rumpf des Flugzeugs wurde des Sovietische SpaceShuttle Buran transportiert. Im Rumpf können auch bis zu 250 Tonnen aufgenommen werden.)
XCOR
XCOR ist der dritte im Bunde. Die Firma hat immerhin einen Gründer der Erfahrung im Bau von bemannten, raketenbetriebenen Flugzeugen hat. Man plante damit eine eigene Rennserie, die sich leider noch vor dem ersten Rennen in Luft aufgelöst hat. Jedenfalls erwarte ich von dort ein gründlicheres und sicherheitsbewussteres Vorgehen als von Virgin Galactic. Der Ansatz von XCOR ist auch ein deutlich anderer. Man will das bemannte Raketenflugzeug Lynx vom Boden aus starten lassen und von dort aus direkt die 100km-Grenze zum Weltraum überschreiten. Mit dem gleichen Flugzeug will man auch Forschungsflüge für die Höhenforschung unternehmen und später auch eine Rakete transportieren und in großer Höhe aussetzen. Der Lynx dient dann als erste Raketenstufe.
Völlig ausdiskutiert ist die Sache mit diesem ernüchternden Fazit aber noch nicht. Denn man kann nicht nur versuchen der Luft zu entgehen, man kann auch versuchen, die Luft zu benutzen. Je nach Brennstoff, besteht der Treibstoff einer Rakete zu etwa 60-85% aus Sauerstoff und den könnte man natürlich auch aus der Luft nehmen.
Tatsächlich gibt es dafür mehrere Ansätze. Aber das Internet ist voll und mein Goldfisch hat sich die Flosse gebrochen und braucht jetzt einen Gips vom Tierarzt. ;)
Update
Ich habe gerade etwas wunderbares gefunden. Der Kerl der hinter der Entwicklung der Pegasus-Rakete stand, hat im Nasaspaceflight Forum (das nichts mit der NASA zu tun hat) vor 9 Jahren extrem ausführlich Fragen beantwortet, darunter die Entstehungsgeschichte der Pegasus. (In der er nebenbei fallen ließ, dass die Vega Rakete schon 1988 in der Entwicklung war und nicht erst 1998 wie offiziell behauptet wird.)
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