Das wieder aufgeschüttete Land und die Seen sind aber kein Ersatz für das Land das einst dort war. Am wenigsten für die Menschen, deren Heimat dort einmal stand oder das Land vor dem Tagebau kannten. Der Tagebau Profen wird demnächst auf Land ausgeweitet, das ich aus meiner Kindheit kenne und zu meiner Heimat rechne. Ich kenne dieses Gefühl.
Aber andererseits kenne ich auch die Tagebauseen.
Ich kenne das Land um den Mondsee, wie es sich über 20 Jahre von einem kargem Land mit dürren, frisch gepflanzten Bäumen ohne Schatten hin zu Wiesen und jungen Wäldern verändert hat. Für mich hat etwas anderes nie existiert. Die Landschaft vor dem Tagebau existiert in meinem Bewusstsein nur auf Karten und alten Photos. Die Landschaft jetzt, nach dem Tagebau, ist alles zu dem ich eine echte Verbindung habe. Es ist absehbar, dass die Leipziger Seen, die aus dem Braunkohleabbau entstanden, zu einem beliebten Naherholungsgebiet werden. Selbst Seen die noch nicht vollständig geflutet sind, ziehen an Wochenenden Besucher und Wanderer an, die die Uferpromenade füllen und in teilweise absurd großen Ausflugsschiffen die Seen befahren. Das ist auch nicht überraschend. Die Seen in der direkten Nachbarschaft von Leipzig und eine Abwechslung in der Landschaft. In Zwenkau wird ein ganzer Stadtteil am Seeufer neu gebaut. (Das künftige Hafenbecken am Neujahrstag. Ein paar Meter Wasser fehlen noch. Ich habe es zum ersten Mal 2013 gesehen, als es noch trocken lag.)
Das ist keine Rechtfertigung. Ich will nicht sagen, das Tagebaue nicht so schlimm wären und auch nicht behaupten, dass die neue Landschaft besser wäre als die alte. Sollte man mit Baggern riesige Seen graben um “die Landschaft zu verbessern”? Nein. Die ökologischen Auswirkungen sind schwerwiegend. Es wird mehr als einige Jahrzehnte brauchen, bis sich die Ökosysteme des Umlands eingespielt haben. Man kann auch kaum behaupten, dass ein See ein Ersatz für das verlorene Land ist. Es wird keine Landwirtschaft mehr darauf stattfinden. Und der Möglichkeit von schwimmenden Städten zum trotz, wird es wohl auch kein gleichwertiger Wohnraum mehr sein. Es wird dabei Menschen ihre Heimat und ein Teil ihrer Geschichte genommen.
Und trotzdem bleibt der Gesellschaft die Verantwortung, zu jedem Zeitpunkt das beste aus dem zu machen, was da ist. Dieser Verantwortung stellt man sich recht erfolgreich.
Die Zukunft der Braunkohle ist aber heute genauso absehbar wie ihre Vergangenheit. Durch die praktisch umgesetzte Politik der Energiewende wurden Alternativen zur Braunkohle zuerst abgeschafft. Kernkraftwerke wurden genauso abgeschaltet wie einige der effizientesten Gaskraftwerke. Anstatt Fracking als Chance zum Ersatz der Braunkohle zu begreifen, wurde es bekämpft. Obwohl die Auswirkungen noch im schlimmsten Fall wesentlich weniger schwerwiegend sind als die der Braunkohletagebaue. Obwohl man drei mal soviel Braunkohle wie Steinkohle fördern muss, um die gleiche Energiemenge zu erhalten, wurde beides in einen Topf geworfen und keine Rangfolge hergestellt. So wird wohl der Ausstieg aus der immernoch umweltfreundlicheren Steinkohle vor dem Ausstieg aus der Braunkohle erfolgen.
Aber selbst wo der Ausstieg aus der Braunkohle passiert, gibt es andere Probleme. Menschen leben von den Arbeitsplätzen, die Tagebaue mit sich bringen. Die Zukunftsängste dieser Menschen dürfen nicht abgetan werden. Es sind nicht die ewig gestrigen, dummen Menschen als die sie dargestellt werden. Es sind Menschen die nicht wissen, wovon sie in Zukunft leben sollen. Statt Alternativen und Perspektiven angeboten zu bekommen, schlagen ihnen herablassende und selbstgerechte Kommentare entgegen. Durchweg von Leuten die weit weg, gesellschaftlich gut integriert und in sicheren Arbeitsverhältnissen leben.
Die Deindustrialisierung, besonders in Ostdeutschland, hat diese industriell geprägten Gegenden ohnehin zu sozialen Brennpunkten gemacht. Die Rücksichtslosigkeit der Kommentare und der Forderungen an die Politik, ohne dass auch nur ein Wort über diese Menschen fallen würde, stellt eine große soziale Gefahr dar. Fehler dieser Art gab es in der Sozialpolitik der Nachwendezeit ohnehin immer wieder. Sie hat zu einem wachsenden Gefühl gesellschaftlicher Entfremdung beigetragen. Und wie wir zuletzt gesehen haben, beschränken sich die Resultate solcher Politik bei weitem nicht nur auf Abwanderung und Wahlbeteiligungen unter 50%.
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