Bei allem was man tun kann, gibt es ein Problem. Man kann nicht alles zur selben Zeit machen. Man muss sich zu jedem Zeitpunkt entscheiden, was man tun will. Das ist gleichzeitig aber auch noch eine andere Entscheidung: Man muss entscheiden, was man lassen muss.

Wenn man einen irgendwie VWL oder BWL-Angehauchten Studiengang besucht, dann bekommt man es früher oder später mit diesem Problem zu tun. Es ist einer der Punkte, an denen jeder den Wirtschaftswissenschaftern zu gute halten sollte, dass sie sich wenigstens ab und an auch mit sinnvollen Problemen beschäftigen. Ob die Lösung nun sinnvoll ist, mag man selbst beurteilen, aber das Problem ist relevant. Jedenfalls geht man dort dieses Problem mit dem Begriff der Kosten an, der Opportunitätskosten. Das Konzept ist simpel genug: Wenn ich etwas nicht tun kann, dann ist es verloren. Wenn etwas verloren ist, dann verursacht es Kosten.

Wenn es etwas gibt, das jetzt im Moment viel wichtiger und besser wäre, als das was ich tue, dann sind die Opportunitätskosten höher als der Gewinn meiner derzeitigen Tätigkeit. Allerdings kann man Opportunitätskosten selten wirklich ausrechnen, weshalb sie auch eher ein Schattendasein fristen. Ich würde sogar soweit gehen, niemandem zu vertrauen, der Opportunitätskosten auf Euro und Cent ausrechnet. (Außer in trivialen Fällen und exemplarischen Beispielen.)

Nun ist es eigentlich egal was man tut. Man findet fast immer andere Möglichkeiten, die besser wären, als das was man gerade tut. Aber es gibt ein Problem – das Wechseln an sich ist fast immer mit Kosten verbunden. Deswegen kann es leicht passieren, dass man etwas tut das offensichtlich nicht das beste ist. Aber wegen der Kosten beim Wechseln tut man es nicht.

Es kommt noch schlimmer. Die Möglichkeiten die man prinizipiell hätte, ändern sich ständig. Genauso oft müsste man eigentlich überprüfen, ob das was man gerade tut auch das richtige ist. Also, ob es nicht auch bessere Möglichkeiten gibt. Die Opportunitätskosten ändern sich also ständig. Auch die Kosten für das wechseln zu anderen Möglichkeiten ändern sich. Nur sollte man sich trotz allem nicht davon überwältigen lassen. Denn das Überprüfen, ob es nicht doch noch bessere Möglichkeiten gibt, hat an sich Opportunitätskosten. Während man noch hadert und zögert, könnte man auch einfach irgendetwas tun und es wäre besser!

Tatsächlich sind das zentrale Fragen, wenn man fragt “Was Geht?”. Es gibt unglaublich viele Möglichkeiten Dinge zu tun und in vielen Bereichen tut man stattdessen nichts, oder etwas das weit von der besten Möglichkeit entfernt ist.

Hier im Blog sind das meistens Fragen der Technik, aber Fragen der Politik und Gesellschaft gehören am Ende ganz genauso dazu. Denn ob Entscheidungen von der Gesellschaft getragen werden, und wie lange sie noch von der Gesellschaft getragen werden, ist eine wichtige Frage. Weil sich so vieles so leicht ändern kann, suche ich nach Dingen, die wahrscheinlich stabil sind. Ich suche da mein Heil in absoluten Grundlagen, aber auch das ist nicht ohne Tücken.

Manche Dinge werden sich nie ändern. Egal was man tut, die Luftreibung wird immer mit dem Quadrat der Geschwindigkeit wachsen. Die maximale Energieausbeute aus einem Stoff wird immer von der Bildungsenthalpie der Verbrennungsprodukte abhängen und so weiter. Aber man muss auf die Relevanz achten. Bei Raketen sind unter den heutigen Bedingungen beispielsweise fast alle Parameter der Leistung und Effizienz egal. Es zählt am Ende nur der Preis. Eine Rakete die beim Start doppelt so schwer ist, aber die gleiche Nutzlast zum halben Preis befördert, ist besser. Sie mag hässlicher und primitiver sein, aber sie ist besser. Das gilt zumindest so lange, wie nur einige Duzend Raketen pro Jahr fliegen. Wären es hunderte, tausende oder noch mehr, wäre die Effizienz ernsthaft relevant. Denn irgendwann schlägt der Ressourcenverbrauch ernsthaft zu Buche.

Genauso kann man davon ausgehen, dass man unter bestimmten Bedingungen den politischen Rückhalt für bestimmte Entscheidungen verlieren wird. Die Förderpolitik des EEG ist zum Beispiel an den steigenden Umlagen und damit verbundenen Stromkosten gescheitert.

Es ist also immer abhängig von der gesamten Situation, ob etwas lohnenswert ist oder nicht, gerade wenn es auch lohnenswert für einige Politiker sein muss. Auf diese Weise können sich leider die Rahmenbedingungen oft schneller ändern, als sich die Einschätzung der Lage bei den entscheidendenen Leuten überhaupt ändern könnte. Je nach dem um welche Frage es geht und wer für die Entscheidung etwas zu tun verantwortlich ist.

Laptopklassen sind ein Beispiel dafür.

Wenn vor etwa 15 Jahren ein Politiker in die Presse kommen wollte, oder sich zumindest ein modernes Image geben wollte, dann schlug er vor, die Schüle von Schulklassen mit Laptops auszurüsten. Nun war das in den seltensten Fällen wirklich ernst gemeint und ging nie über einzelne Klassen hinaus. Das war auch unvermeidlich. Es war die Zeit, als Laptops noch im allgemeinen (umgerechnet) 2000 Euro kosteten. Das war beruhigend für alle Beteiligten.

Die Schulen in denen es eingeführt wurde, hatten ein Distinktionsmerkmal für ihre meist gehobene Schülerklientel. Die Kritiker konnten auf die zu hohen Kosten verweisen und die noch kaum entwickelte Software. Nur hat sich inzwischen alles geändert, nur die Diskussion nicht. Heute dagegen kostet es eine Schulklasse mit Laptops/Netbooks auszurüsten so viel, wie früher ein Klassenzimmer mit einem (verstaubten, fast nie gebrauchte) Computer auszustatten. Aber die Diskussion ist noch immer festgefahren in den alten Argumenten.

Die Rahmenbedingungen haben sich geändert. Was früher nicht ging, wäre heute leicht möglich. Aber die Einschätzung der Situation hat sich nicht geändert. Hauptsächlich deshalb, weil die Motivation weggefallen ist. Die Motivation bestand im Imagegewinn von Politikern während der Dotcom Boomphase. Die ist längst vergangen, mit Computern kann man längst nicht mehr so viel Ansehen gewinnen und so gerieten die Pläne in Vergessenheit.

Und so verlor die Frage, “Was geht?”, dort vollkommen an Bedeutung.

PS:

Dieser Artikel lag jetzt seit 4 Wochen in den Entwürfen. Und er ist leider ungefähr genauso verworren wie meine Gedanken dazu. Aber nennen wir ihn doch einfach authentisch. :)

Kommentare (8)

  1. #1 Sonntagssoziologe
    Bielefeld
    18. Juni 2015

    Also erst als Naturwissenschaftler die Methoden effektiver Komplexitätsreduktionen wie Religionen und Ideologien ablehnen und dann sich über eine Überfülle an Komplexität beklagen? Das geht nun wirklich nicht ;-P

    • #2 wasgeht
      18. Juni 2015

      Ja also hör mal, ich kann doch nicht alles auf einmal schreiben! ;)

  2. #3 CM
    18. Juni 2015

    Und dennoch entstehen im “Laptopklassenbeispiel” weitere Opportunitätskosten. Und zwar nicht unerheblich: Der Wechsel muß didaktisch unterfüttert sein. Das Kostet Zeit und Geld. Der pädagogische Nutzen ist schwer messbar. Das Messen des Mehrwehrt durch andere Inhalte ist ideologisch gestört.
    Also ist es schwer auf der Kostenbasis für oder gegen die Einführung zu argumentieren – was natürlich niemanden hindert wird es dennoch zu tun.

    Die Arbeitswelt insgesamt ist von diesen – wirklich wichtiggen Überlegungen, die viel zu selten in der Praxis angestellt werden – betroffen: Die Klagen durch Überlastung (von Arbeitnehmern) kommen nicht von ungefähr. Oft ist der Hintergrund eine Vielzahl von Aufgaben ähnlicher Priorität. Das Resultat sind häufige Wechsel und mangelhafte Konzentration auf einzelne Aufgaben. Die Opportunitätskosten können im Einzelfall immens sein.

    Danke für das wirklich interessante Thema – gerne mehr davon. Als Leser profitiert man vielleicht für die nächste Diskussion im nächsten Meeting. ;-)

    • #4 wasgeht
      18. Juni 2015

      Natürlich muss der Wechsel pädagogisch unterfüttert sein. Aber der Punkt ist, dass mehr als absehbar ist, dass Computer etwas mehr als nur eine momentane Mode sind.

      Kinder nicht schon in der Schule auf den alltäglichen Umgang damit vorzubereiten, wäre ein großes Versäumnis. Ganz abgesehen davon, dass einem die Möglichkeit entgeht jederzeit auf alles mögliche Lehr- und Informationsmaterial zurück zu greifen.

      Vielleicht findet sich sogar der eine oder andere Blog, der im Unterricht bei manchen Themen hilfreich wäre.

  3. #5 bruno
    19. Juni 2015

    hm, ja.
    ich habe den Artikel jetzt bereits mehrfach gelesen … aber vielleicht kann der Autor uns noch einen Artikel nachreichen, in welchem er uns erklärt, was er mit diesem Artikel (eigentlich) sagen wollte… ;)

    also die Quintessenz zu extrapolieren fällt mir – bei diesem Artikel – extrem schwer… aber vielleciht liegts an mir ;)

  4. #6 bruno
    19. Juni 2015

    Lieber Frank!

    Könntest du – als Systemkritiker – mal einen (generellen) Artikel verfassen, der sich mit generellen (formalen) Fehlern unserer Technikwelt beschäftigt…?

    Also, das man mal ein Instrument zur Hand hat, um …”Unsinnige” widerlegen zu können!

    Also etwa abzuarbeiten, warum Atomkraft nicht nur schlecht ist, Wasser/ Wiindkraft nicht nur gut ist, Elektro/ Hybrid-Autos nicht die beste (technische) Alternative sind…. du schreibtst doch ständig darüber … vielleicht kannst du mal einen Artikel verfassen, den man als “General-Argument” benutzen kann… o.ä.

    Florian hat so viele Artikel, die man fest als Referenz verwenden kann ….
    Mach doch auch mal “Referenz.Artikel”!!
    Dein Stil, deine Meinung, deine Haltung – der ScienceBlog… erfordern das doch nachgerade!!

    fette greets!!
    bruno!

    • #7 wasgeht
      19. Juni 2015

      Irgendwann, wenn ich mir davon mal systematisch ein Bild gemacht habe. Zur Zeit bin ich nicht so weit. Tut mir leid.

  5. #8 bruno
    20. Juni 2015

    alsklar!!