Was zur Reserve eines Stoffs gehört, ist also sehr variabel. Vor allem kostet es viel Geld alles das ganz genau zu bestimmen. Wenn man jetzt der Chef einer Bergbaufirma ist und genau weiß: Da hinten in dem Berg, ist noch jede Menge Triluptan. Aber in dem Bergwerk das wir gerade betreiben ist noch genug für die nächsten 30 Jahre. Dann wird man keinen größeren Ehrgeiz entwickeln, jetzt schon ganz exakte Pläne zu machen wie man das Triluptan in dem Berg fördern wird. Wer weiß schon, wie sich die Preise, die Löhne und die Technik entwickeln? Außerdem kosten die Probebohrungen viel Geld, das aus dem laufenden Geschäft oder mit Krediten finanziert werden muss. Und das würde zu diesem Zeitpunkt noch niemand tun – erst wenn es so weit ist, oder wenn die Marktpreise und die Nachfrage so hoch sind, dass die Banken jederzeit günstige Kredite dafür gewähren.
Alles was nicht ganz so genau bekannt ist, aber ganz gut abschätzbar ist, gehört zur Reservenbasis. Dazu gehört auch alles, was bei der angenommenen Preis- und Technologieentwicklung später profitabel abbaubar sein wird.
Um einmal ein echtes Beispiel zu nennen: Die Kohlevorkommen im Ruhrgebiet werden nicht mehr abgebaut. Sie gehören auch nicht zur Reserve, weil der Abbau zu teuer ist. Ganz ähnliches gilt für die Kohle in Nordostengland. Tatsächlich sind sie nur ein kleiner Teil von Kohlevorkommen, die dort nur zufällig recht nahe an der Erdoberfläche liegen. Unter der Nordsee, Deutschland und den Niederlanden befinden sich auf riesigen Gebieten mächige Kohleschichten in mehreren Kilometern Tiefe, die weit über alles hinaus gehen, das bisher abgebaut wurde. Sie waren einmal die Quelle für die Erdöl- und Erdgasvorkommen, die wir derzeit dort abbauen.
Aber obwohl die Kohlevorkommen gut bekannt sind, werden sie in absehbarer Zeit niemals als Reserve oder echtes Kohlevorkommen gehandelt werden. Sie sind einfach zu tief um sie direkt abzubauen. (Es gibt aber Pläne, Wasser in die Kohleschichten einzupumpen, das sich dann vor Ort in CO2 und Methan verwandeln würde.)
So ähnlich sieht es mit praktisch allen Stoffen aus. Die genaue Bestimmung der Reserven findet nie viel schneller statt, als der Abbau selbst. Deswegen werden sich die Reserven der meisten Stoffe immer nur im Rahmen von einigen Jahrzehnten bewegen. Mehr als das ist für die Bergbauunternehmen einfach nicht nötig um Planen zu können.
Dazu kommen noch ganz andere Zusammenhänge. Viele Stoffe werden nicht abgebaut, sondern sind einfach nur ein Abfallprodukt beim Abbau eines anderen Stoffs. Man weiß, dass bestimmte Erze einen gewissen Anteil an Osmium oder Rhodium haben, aber man sucht nicht nach Osmium oder Rhodium Erzen. Ganz ähnliches gilt für einige der seltenen Erden. Eine direkte Suche war noch nie interessant. Man fängt erst an nach einem bestimmten Stoff zu suchen, wenn er interessant ist. Uran war typisch dafür. Wozu sollte man im 19. und frühen 20. Jahrhundert nach Uran suchen, wo man es doch nur in kleinen Mengen für die Gewinnung von Radium und einiger Glasuren von Keramik brauchte?
Man hat nicht danach gesucht und so waren in den 1940er Jahren auch nur wenige Vorkommen bekannt. Man glaubte, Uran wäre ein knapper Stoff und war sich sicher, dass er ohne den Einsatz von schnellen Brütern sehr schnell ausgehen würde. Aber er blieb nicht lange knapp. Uran ist heute, im Vergleich zum Verbrauch, billig und reichlich vorhanden. Es kostet etwa $100 pro kg und die Reserven bewegen sich im Rahmen von einigen Millionen Tonnen. Aber noch bevor der Preis $1000 pro kg erreicht, wird man Uran aus Meerwasser wirtschaftlich gewinnen können. An dem Punkt werden die Reserven sprungartig um 3-4 Milliarden Tonnen ansteigen.
Aus dem gleichen Grund stiegen auch die Erdölreserven und die Erdölförderung genau zu dem Zeitpunkt an, als der Peakoil angekündigt wurde und scheinbar absehbar war. Die Preise stiegen so weit, bis man altbekannte Vorkommen lohnenswert abbauen konnte. Davor gehörten sie nur nicht zur Reserve, weil das Öl zu billig war.
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