Vor einigen Jahren habe ich einen Film gesehen, der mich ziemlich verwirrt zurück ließ. Das einzige Kriterium nachdem ich suchte, war dass es ein Chinesischer Actionfilm sein sollte. Nun will ich nicht über die cineastischen Qualitäten von “The Warlords” (2007 mit Jet Li) schreiben, sondern über die Hintergrundgeschichte.
Die war für mich einfach nur verwirrend. Es geht um einen Haufen Rebellen der in Armeen durch China marodiert und gegen die Regierung der Qing kämpft. Sie kämpfen zu Fuß und zu Pferd mit Schwerten, Piken, Pfeil und Bogen. So weit so gut. Bis dann die ersten europäischen Musketen und Kanonen auftauchen, was sämtlichen Genre-Konventionen widerspricht und eine ungeheuerliche Unverschämtheit ist! Dazu kam dann noch eine kurze Szene, in der eine Frau ein christliches Kreuz als Anhänger trägt und darüber gesprochen wird, dass es für sie soetwas wie ein Glücksbringer sei.
Nichts davon passte in das Bild, das ich zu dieser Zeit von China hatte. (Und schon gar nicht in das von chinesischen Action Filmen.) Alles was mir blieb, war im Internet nachzustöbern, auf wessen Mist diese Geschichte gewachsen ist. Wie sich herausstellte, war es kein Produkt der blühenden Phantasie eines mehr-oder-weniger begabten Drehbuchschreibers. Die Geschichte hat einen historischen Hintergrund, die Taiping Rebellion.
Dabei ist der Hintergrund der Taiping Rebellion teilweise noch viel wahnwitziger, als er im Film dargestellt wird. Im Film gibt es eine Figur, die immer nur mit 大哥 “Da-Ge” also großer (ältester) Bruder bezeichnet wird. Im echten Leben hörte der auf den Namen Hong Xiuquan und er war überzeugt davon, dass er der ältere Bruder von Jesus Christus war. Und ja, natürlich gibt es solche Spinner immer wieder mal. Aber kaum einer hat es mit seiner Spinnerei so weit gebracht wie Hong Xiuquan.
Im Jahr 1850 begründete er das Taiping Tianguo 太平天囯, das Himmelsreich (天囯Tianguo) des höchsten Friedens (太平 Tai Ping). Wie man aufgrund des Namens (und wohl auch des Films) schon erahnt, war dieses Reich am Ende weder himmlisch noch friedlich. Zur Hochzeit 1854 kontrollierten die Rebellen mehrere Provinzen südlich ihrer Hauptstadt Nanjing. (“Nanjing” heißt südliche Hauptstadt. Die Rebellen nannten sie in Tianjing um – Himmlische Hauptstadt.) Dabei sollte man nicht vergessen, dass diese “Provinzen” in China der Größe und Bevölkerung großer europäischer Staaten wie Deutschland, Frankreich, Spanien oder Polen gleichkommen.
Erst 1864 wurde die Regierung des Himmelsreichs gestürzt und selbst dann gab es noch tausende Rebellen, die den Kampf fortsetzten. Der Name Taiping Rebellion vermittelt dabei den völlig falschen Eindruck. Der deutsche Begriff “Taiping Aufstand” ist noch viel schlechter. Es war ein Bürgerkrieg und allen Beteiligten war klar, dass es um den Bestand des Landes ging. Denn Hong Xiuquan wurde immerhin von Jesus Christus selbst gesagt, dass er die Regierung der Qing Dynastie stürzen sollte.
Das ist wohl auch der Grund, weshalb die Hintergrundgeschichte im Film recht nebulös bleibt. Denn die Taiping Rebellion diente schon Mao Tse Tung als Vorbild zum Sturz der Regierung. Eine zu explizite Darstellung wäre wohl aufgrund der politischen Umstände in China zur Zeit schwierig.
Vor allem waren auch nicht einfach nur ein paar Rebellen, die den Krieg führten. Die gesamte Bevölkerung kämpfte mit und die gesamte Bevölkerung musste von den regierungstreuen Truppen bekämpft werden, um den “Aufstand” niederzuschlagen. Ein wichtiger Teil dieses Kampfes war auch die Unterstützung und Stabilisierung der Qing Regierung durch die Europäer. Die Ewig-Siegreiche-Armee gruppierte so zuerst um europäische Söldner und Offiziere und wurde mit moderner europäischer Waffentechnik ausgestattet. Im Laufe des Krieges wurden immer wieder ganze Städte belagert und die Bevölkerung ausgehungert. Hong Xiuquan starb 1864 bei einer solchen Belagerung in Nanjing, als er vom Hunger geplagt wilde Pflanzen aß und sich dabei selbst vergiftete.
Die Zahl der Toten am Ende des Krieges wird je nach Quelle unterschiedlich angegeben. Aber fast alle nennen Zahlen von mindestens 20 Millionen. Noch vor Ende der Taiping Rebellion gab es im Nordwesten Chinas die Dungan Revolte, deren Niederschlagung am Ende “nur” etwa 10 Millionen Menschenleben kostete. Die Panthay Rebellion in der Provinz Yunnan im Südwesten forderte etwa zur selben Zeit eine Million Menschenleben.
Das alles geschah in einem Land, China, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Aber woran erinnert man sich? An den Boxeraufstand, als die Kaiserin Witwe und agierende Regentin Cixi (gesprochen “Ze-chi”) den Kolonialmächten den Krieg erklärte. Mit “nur” 100.000 Toten eher eine Randnotiz im großen Ganzen der Geschicht. Aber auch eine, die uns als Europäer betraf, schließlich erklärte uns China den Krieg! Wie konnten sie es wagen!
50 Jahre später starben im ersten Weltkrieg etwa 15 Millionen Soldaten und Zivilisten in Europa.
In diesem Sinne. Noch nie etwas von einigen der größten und schlimmsten Kriege der Welt gehört zu haben, auch das geht.
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