Im Jahr 2011 machte sich ein Sturm namens Irene aus der Karibik auf den Weg nach Norden. Das ist nichts ungewöhnliches. Warme Luft fließt ständig von der Äquatorregion in Richtung der Pole, so dass sich praktisch jeder tropische Sturm früher oder später nach Norden oder Süden verzieht. Wegen der Erdrotation zieht sie die Corioliskraft auf dem Weg aber tendenziell in östliche Richtung.
Nun leben wir in einer Zeit, zu der man solche Stürme mit Satelliten beobachten kann und mit Hilfe von Wetterdaten und Rechenmodellen ausrechnen kann, wohin er wohl ungefähr ziehen wird. Es war deswegen schon einige Tage klar, dass der Sturm wegen der Großwetterlage nur ein wenig nach Westen hin abgelenkt werden würde. Er zog die Ostküste der USA entlang nach Norden. Als starker Hurricane hatte Irene schon in der Karibik für Todesopfer gesorgt und geriet nun auf dem Weg nach Norden mehrfach kurz auf das Festland der USA, und verstärkte sich dann über dem Wasser wieder. Stark abgeschwächt (70km/h, in Spitzen bis knapp über 100km/h) kam Irene schließlich in New York an.
Das ist nun an sich keine Seltenheit. Auf der Wikipedia findet man eine Darstellung bekannter der Hurricanes, die auf New York trafen. Diese Darstellung stammt aus dem Jahr 2009, vor Irene und Sandy.
Um so merkwürdiger war das Medienschauspiel, dass sich in diesen Tagen ereignete. Denn dabei wurde immer wieder die Einzigartigkeit eines solchen Sturms betont. Man bezeichnete Irene als “Monstersturm” und “Killersturm”, der Bürgermeister New Yorks ließ Teile New Yorks zwangsevakuieren. Tatsächlich gab es Tote. Im Hinterland durch Überschwemmungen, durch Menschen die bei Sturm durch Wälder gefahren sind oder gar gezeltet haben und von Bäumen erschlagen wurden. Gefahren, die es in den zwangsevakuierten Gebieten nicht gab.
Als sich im Oktober/November 2012 der Sturm Sandy auf New York zubewegte, wiederholte sich das Schauspiel. Das schließt auch die Bezeichnungen “Killersturm” und “Monstersturm” ein, denn noch höher kann man in der Superlativkiste gar nicht greifen. Dabei war Sandy in der Tat ein wenig stärker als Irene, aber auch bei Sandy reichten die Windgeschwindigkeiten an Land nie auf das Niveau eines Hurricanes (min. 119km/h). Die mit Sandy einhergehende Sturmflut sorgte aber für einen Stromausfall in Manhatten. Bis auf die Downtown war alles dunkel, dort residieren die Finanzkonzerne, die ihre Gebäude mit eigener Stromversorgung ausgestattet haben. Ein Vorort auf einer Sanddüne wurde durch die Sturmflut schwer beschädigt, da hatte sich die Evakuierung gelohnt.
Aber es stellte sich mir in der Zeit immer wieder eine Frage, auf die ich damals nur über einen hämischen Kommentar im Internet gekommen bin. Jemand verwies 2011, noch im Vorfeld von Irene, auf eine Video von Fox News, das in Sachen Panikmache tatsächlich die Berichterstattung von CNN weit übertraf. Allerdings musste man Fox News in diesem Fall zugestehen, dass sie im Gegensatz zu allen anderen Nachrichtensendern ihre Hausaufgaben gemacht hatten. (Auch wenn sie das dann zu unlauteren Zwecken benutzten.)
Sie zeigten Bilder von einem Sturm, der New York im Jahr 1938 traf und behaupteten, es könne genauso schlimm werden (das war absolut nicht der Fall und kein Meteorologe hat das gesagt). Der Sturm wurde damals bekannt als der New England Express oder New England Hurricane, geriet aber offensichtlich in Vergessenheit. Ohne Fox News hätte ich nie davon gehört. Die Windgeschwindigkeiten dieses Sturms erreichten in New York 120 Meilen pro Stunde, also über 190km/h. Er war damit nur ein wenig schwächer als Hurricane Katrina vor New Orleans (mit 125 Meilen pro Stunde oder 200km/h).
Die Frage die sich mir stellte war “Was wollen diese Leute noch sagen, wenn nochmal so ein Sturm kommt?” Dass es eines Tages dazu kommen wird, ist ziemlich unausweichlich. Es ist aus historischer Erfahrung Teil des Wetters, das man in New York zu erwarten hat. Aber wie soll man vor so einem Sturm warnen, wenn er in dieser Saison auf New York zu käme? Begriffe wie “Monstersturm” und “Killersturm” fallen aus. Auch “diesmal ist es wirklich ernst” verkommt schnell zu einer hohlen Phrase. Wieviele Menschen, die diese Überreaktion der letzten beiden Stürme noch im Kopf haben, würden wohl den offiziellen Beteuerungen der Behörden nicht folge leisten, obwohl es doch diesmal ganz wirklich und echt ein gefählicher Sturm ist?
Um den Bau von Schutzdeichen um New York führt kaum ein Weg herum. Sie müssen gebaut werden, weil es das Wetter in New York so erfordert. Die Liste von Hurricanes, die in der Geschichte die Gegend New Yorks erreichten ist da ganz unzweideutig. Genauso wie die Hamburger Sturmflut 1962 die Erfordernisse in Hamburg aufgezeigt hat, hätte es in New York schon der Hurricane von 1938 sein müssen oder einer der vielen zuvor. Bisher hatte man aber nichts dergleichen und stand nun schon bei dem vergleichsweise schwachen Sturm Sandy schutzlos, mit heruntergelassenen Hosen da. In der Debatte spricht man aber nicht von einer längst überfälligen Maßnahme. Denn in so einer Debatte würde jeder Politiker sein Gesicht verlieren. Viel lieber schiebt man die Verantwortung auf andere ab und nichts kommt da gelegener als der Klimawandel. Anstatt auf viel stärkere, vergangene Hurricanes zu verweisen, verweist man auf zukünftige.
Ein neuer New England Hurricane hätte zur Zeit jedenfalls verheerende Folgen. Die Zeit drängt. Ein solcher Sturm kann tatsächlich jederzeit kommen. Denn dazu braucht es keinen Klimawandel, es braucht nur das Klima, wie wir es schon seit Jahrhunderten kennen.
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