Nach einer dringend nötigen Verschnaufpause geht es wieder weiter im Blog.
Raumfahrt ist immernoch schwer. Bislang wird jede Rakete vor dem Start komplett neu zusammengebaut und muss dann funktionieren. Fast jede Raketenbaureihe hatte deswegen Fehlstarts zu verkraften. Mit 18 weitgehend erfolgreichen Flügen in Folge steht die Falcon 9 im Vergleich auch gar nicht schlecht da. Die europäischen Ariane Raketen galten immer als sehr zuverlässig. Da lohnt sich ein Blick in deren Vergangenheit.
Die Ariane Raketen bestehen im wesentlichen aus zwei Familien. Einmal die Ariane 1-4 und die Ariane 5. Die Triebwerke der Ariane 1 wurden weiterentwickelt und leistungsfähiger. Mit mehr Schub konnte man die Treibstofftanks verlängern, man ermöglichte die Benutzung von Boosterraketen. Schrittweise wurde so aus der Ariane 1 die Ariane 4 Rakete. Das ist eine typische Entwicklung, die ich auch schon einmal beschrieben habe. Die Liste der Flüge der Ariane Raketen kann man auf der Wikipedia nach Jahrzehnten geordnet anschauen.
Die Ariane 1 hatte den ersten Fehlstarts bei Flug 2. Ein Viking Triebwerk der ersten Stufe versagte durch instabile Verbrennung in der Brennkammer. Es war bei knapp 1000 eingesetzten Viking Triebwerken die einzige Fehlfunktion, die jemals bei dem Triebwerk aufgetreten ist.
Ganz anders beim einzigen anderen Triebwerk der Ariane Rakete, dem HM7 Triebwerk, das die dritte Stufe antreibt. Es basierte nicht auf erprobter Militärtechnologie, wie das Viking Triebwerk, sondern wurde für die Stufe neu entwickelt und auch in viel kleineren Stückzahlen gebaut. Entsprechend gab es dort Kinderkrankeiten.
Die Treibstoffmischung des Viking, aus Hydrazin-Derivaten und Distickstofftetroxid, wurde für das Militär entwickelt. Sie bleibt über große Temperaturbereiche hinweg jederzeit flüssig . Sie kann deswegen unter allen Bedingungen direkt in der Rakete gelagert werden, so dass die Rakete immer startbereit sein kann. Ganz anders als bei flüssigem Sauerstoff oder gar Wasserstoff.
Eine Turbopumpe des HM-7 Triebwerks versagte beim fünften Flug der Ariane 1 und die Mission scheiterte. Die Ariane 3 flog noch vor der Ariane 2. Beide Raketen hatten aber das gleiche, verbesserte, HM-7B Triebwerk. Es wollte beim fünften Flug der Ariane 3 nicht zünden und bei Erstflug der Ariane 2 auch nicht. Daraufhin hat man stärkere Zünder in das Triebwerk eingebaut und der Fehler war behoben.
Die Ariane 4 war zwar bekannt als sehr zuverlässige Rakete, aber auch sie hatte ihre Momente.
Für den ersten, im Februar 1990, konnte die Technik aber nichts. In einer Wasserleitung zu einem Viking Triebwerk fand man in den Trümmern der Rakete ein Stück Stoff mit zwei Knoten, das dort nicht zufällig hin gelangte. (Das Wasser diente dazu, den Gasgenerator zu kühlen. Andere Raketen machen das, indem sie einfach “zu viel” Treibstoff verwenden.) Zwei weitere Fehlstarts der Ariane 4 gab es dann 1994 als einmal die Turbopumpe und einmal der Gasgenerator der 3. Stufe versagte.
Die Ariane 5 war 1996 eine fast völlige Neuentwicklung. Zunächst wurde kein Stück Antriebstechnik aus der Ariane 4 übernommen. Trotzdem schäumte die ESA über vor Selbstvertrauen und so wurden gleich beim ersten Start Satelliten im Wert von $370mio transportiert. (Heute etwa $565 mio.)
Was man aber von der Ariane 4 übernahm, war die Software. Dabei übersah man eine Variable für die Steuererung der Düsen, die die Querkräfte angab, die sie auszugleichen hatten. Die Kräfte waren bei der großen Ariane 5 so viel größer als bei der Ariane 4, dass die Messgröße den Definitionsbereich der Variable überschritt. Als der Wert 32768 überschritt, wurde als nächstes nicht wie erwartet 32769 gemeldt, sondern Minus 32767. Die Düsen folgten dem Wert anstandslos, schwenkten voll in die entgegengesetzte Richtung um, und die Rakete musste gesprengt werden.
Der zweite Flug erreichte nicht die geplante Höhe, weil die Düse des Vulcain Triebwerks (erste Stufe) ein gewisses Drehmoment versachte. Das Triebwerk wurde vorzeitig abgeschaltet. (Der Treibstoff wird durch die Rotation an die Seitenwände gedrängt und irgendwann kommt kein Treibstoff mehr im Triebwerk an.)
Beim zehnten Flug der Ariane 5 hatte die EPS Oberstufe wohl ein Treibstoffleck, so dass auch dort nicht der gewünschte Orbit erreicht wurde, sondern nur einer auf halber Höhe. Einer der beiden Satelliten konnte zwar dank eines Ionentriebwerks noch seinen Orbit erreichen, aber auch Ionentriebwerke sind keine Magie. Durch den Treibstoffverbraucht wurde die Lebensdauer des Satelliten entsprechend eingeschränkt.
Den vorerst letzten Fehlschlag hatte die Ariane 5 bei ihrem 14. Flug. Auf diesem Flug sollte eine runderneuerte Ariane 5 ECA fliegen. Sie hatte eine “neue” Oberstufe. Die benutzte das alte HM7B Triebwerk, wie schon die alten Ariane Raketen davor. Dazu kam ein neues Vulcain Triebwerk in der ersten Stufe, das Vulcain 2 und auch etwas verbesserte Feststoffbooster. Trotz der vielen neuen Fehlerquellen startete man sofort mit einer regulären Nutzlast aus Kommunikationssatelliten, im Wert von 630mio Euro.
Von den vielen neuen Fehlerquellen versagte das Vulcain 2. Die Kühlung der Düse war nicht ausreichend. Ein Teil schmolz dahin, wodurch das Triebwerk seinen Schub nicht mehr in gerader Richtung entwickelte. Die Rakete wich vom Kurs ab und musste, wie schon beim allerersten Flug der Ariane 5, beim Start gesprengt werden. Seit dem sind alle 65 weiteren Starts der Ariane 5 geglückt.
Raumfahrt ist schwer. Das gilt auch für Raketen, die heute als sehr zuverlässig gelten. Bei jeder dieser Raketen findet man in der Vergangenheit einzelne Fehlschläge. Die einzige Ausnahme ist bislang die Atlas V. Deren Centaur Oberstufe hat aber eine Geschichte die bis in die 60er Jahre zurück reicht. Nun kann man raten, wie deren erster Flug aussah, oder man schaut es sich einfach an:
Die Geschichte der ersten Stufe der Atlas V hat dagegen weder etwas mit der Atlas Rakete, noch mit der US-Raumfahrt zu tun. Ihr Triebwerk, das RD-180, stammt aus russischer Produktion, aus Technik deren Fehler und Unzulänglichkeiten über Jahrzehnte beseitigt wurden. Wobei man auch dort vorsichtig vor übertriebener Selbstsicherheit sein sollte. Das sehr ähnlich gebaute RD-171 hatte auch schon seine Fehlfunktionen.
Am Ende hilft nur Vorsicht, vor allem mit neuen Raketen, und Nachsicht für die Fehler die trotz aller Vorsicht gelegentlich auftreten. Meistens kann man aus ihnen lernen.
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