Gelegentlich verfolge ich immernoch die Entwicklung von Waffensystemen. Das kommt daher, dass sie mich als Kind fasziniert haben – und die Faszination ist geblieben. Auch wenn sie im Laufe der Zeit immer mehr ergänzt wurde durch die Einsicht, was der Einsatz von Waffen für die Menschen bedeutet. Dass es gleichzeitig kaum einen spannenderen, aber auch kaum einen grausameren Wettbewerb gibt, als den der Entwicklung neuer Waffen. Das gilt für die ferne Geschichte genauso wie für die Gegenwart.
Am Ende ist es egal ob man von spanischen Galleonen und englischen Fregatten, oder von modernen Kampfflugzeugen spricht. Aber der Schrecken des einen ist aktuell, der des anderen graue Geschichte – und daher auch die lange Vorrede. Mir ist sehr bewusst, wofür sie dienen, auch wenn die Faszination aus einer Zeit stammt, als ich dieses Bewusstsein noch nicht hatte.
Jedenfalls soll die F-35 das neue Standardflugzeug der diversen konkurrierenden Gattungen der US Streitkräfte werden. Es soll dabei alle möglichen Rollen erfüllen und so wurde es zu einem politischen Kompromiss mit Düsentriebwerk und Flügeln. Die Kritik ist nicht zuletzt deshalb groß, weil die Anschaffungskosten inzwischen etwa doppelt so hoch wie geplant sind. Dazu kommen die Kompromisse die beim Entwurf des Flugzeugs gemacht werden mussten.
Heraus gekommen ist ein Flugzeug das über Stealth Eigenschaften verfügen soll, aber damit hauptsächlich der Vorderteil des Flugzeugs gemeint ist. Von hinten lässt es sich deutlich leichter per Radar erfassen, wieviel leichter, ist Staatsgeheimnis. Das gleiche gilt für die Wärmesignatur. Die Wärme eines Triebwerks mit 10-20 Tonnen Schub lässt sich nicht mal eben verbergen. Die Effektivität der Stealth Eigenschaften wird also angezweifelt, und der Abschuss einer F-117 Nighthawk durch leicht modifizierte russische Radartechnik in Jugoslawien, macht diese Kritik durchaus glaubhaft.
Dabei führt die Forderung nach Stealth Eigenschaften auch zu schlechterer Aerodynamik. Denn die Waffen müssen im Inneren des Flugzeuges aufbewahrt werden, was den Querschnitt des Rumpfes um so größer macht. Das führt zu einer sehr niedrigen Höchstgeschwindigkeit von nur Mach 1,6 – während die meisten Abfangjäger deutlich über Mach 2 kommen, die Mig-31 sogar auf etwa Mach 2,8. Selbst dafür musste man der F-35 sehr kleine Flügel geben, was zu weniger Auftrieb und schlechten Eigenschaften im Kurvenflug führt. Daraus entstand dann der Spruch “Can’t climb, can’t turn, can’t run”.
Die Vehemenz, mit der das vorgetragen wurde, machte mich stutzig. Denn meistens ist das eher ein Anzeichen politische Kampagnen. Aber das hat sich letzte Woche geändert, als nacheinander ein Bericht von einem Testflug und ein Dementi des Herstellers kamen. In dem Bericht trat eine F-16D mit Außentanks an den Flügeln in einem simulierten Kurvenkampf gegen eine F-35 ohne jede Anbauten (“clean”) an. Dabei war die F-16 trotz der Behinderung durch die Tanks zuverlässig in der Lage, die F-35 auszumanövieren.
Zu dem Bericht wurde gesagt, dass er wohl von einem bekannten Skeptiker der F-35 kommt, und deshalb mit Vorsicht zu betrachten sei. Das hatte ich mir auch zu Herzen genommen, bis es ein Dementi des Herstellers gab oder zumindest einen Text in dem der Hersteller immer wieder sagt, dass der Bericht dem Flugzeug unangemessen wäre. Darüber wird hier berichtet. Aber letztlich bestätigt der Hersteller die Ergebnisse und zeigt das eigentliche Problem auf:
“While the dogfighting scenario was successful in showing the ability of the F-35 to manoeuvre to the edge of its limits without exceeding them and handle in a positive and predictable manner, the interpretation of the scenario results could be misleading. The F-35’s technology is designed to engage, shoot, and kill its enemy from long distances, not necessarily in visual ‘dogfighting’ situations.”
Das Flugzeug wurde von Anfang an mit der Annahme gebaut, dass es nicht aufgespürt werden würde. Der Gegner würde immer im Nachteil sein und immer von der F-35 abgeschossen werden, bevor er sich ihr überhaupt nähern kann. Wenn man aus der Entwicklung der Waffentechnik eines lernen kann, dann dass solche Annahmen immer irgendwann falsch sind.
Man fragt sich auch, wie das funktionieren soll. Denn um einen Gegner auf große Distanz aufzuspüren, braucht die F-35 aktives Radar. Das ist so, als würde man Nachts mit einer Taschenlampe herum schleichen und glauben, man würde nicht gesehen werden. In der Realität ist es so, dass die F-35 selbst im Dunkeln tappen muss um nicht entdeckt zu werden und der Pilot nur hoffen kann, dass niemand über sein Flugzeug stolpert oder die IR-Signatur seines Triebwerks sieht. Falls es doch passiert, kann der Gegner sehr schnell aufschließen und die F-35 in einen Nahkampf verwickeln. Die Annäherungsgeschwindigkeit bewegt sich dabei im Rahmen von einem Kilometer in 3 bis 5 Sekunden (je nach Verfolgerflugzeug), wenn die F-35 mit Höchstgeschwindigkeit von Mach 1,6 flieht. In allen anderen Fällen geht es sogar noch viel schneller.
Schlimmstenfalls kann man die F-35 auch durch eine einfache Materialschlacht besiegen. Man schickt große Zahlen relativ billiger Drohnen und einige bemannte Flugzeuge gegen sie los und wartet, bis den F-35 die Luftkampfwaffen ausgehen. Dann fällt man mit konventionellen und viel billigeren Jägern über sie her. Das funktioniert, denn letztlich ist die Zahl der Waffen an Bord einer F-35 begrenzt. Schon weil die Waffen allesamt im Rumpf untergebracht werden müssen. In den meisten Fällen werden diese Waffen auch Bomben sein und nur wenige Luftkampfwaffen, denn das Flugzeug soll ja auch per Dekret gar nicht aufgespürt werden können.
Aber die Tarneigenschaften, die von Anfang an nur teilweise ausgeprägt sind, verlieren sich vollständig, sobald das Flugzeug entweder das Radar einschaltet oder die Klappen öffnet um die Waffen einzusetzen. Denn die offene Waffenbucht bietet jede Menge Reflektionsfläche für ein Radar – und irgendwann wird sie geöffnet werden müssen.
Wie gesagt. Wer glaubt, dass der Eurofighter das einzige Kampfflugzeug mit ernsthaften Problemen sei, der irrt sich gewaltig. Allerdings offenbart die F-35 auch etwas über die Perspektive, die das US-Militär auf die Welt hat. Denn die F-35 kann durchaus ein sehr effektives Kampfflugzeug sein, allerdings nur unter zwei Bedingungen:
Die Gegner müssen immer in Zahl und Technik weit unterlegen sein.
In den letzten Jahrzehnten war das auch tatsächlich der Fall.
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