Die Ursache für den Fehlstart der Falcon 9 beim letzten Flug ist wohl gefunden, SpaceX hat inzwischen auch ein offizielles Pressestatement veröffentlicht. Über den Flug hatte ich hier recht ausführlich berichtet. Wer ihn nochmal sehen will, kann das hier tun:

Um 21 Uhr gab Elon Musk eine Pressekonferenz per Telefon um die Fachpresse zu informieren, die seine Aussagen fleißig vertwitterten.

Die Untersuchung gestaltete sich recht schwierig, da nur wenig Daten vorhanden waren. Es waren nur 891 Millisekunden vom ersten Anzeichen einer Fehlfunktion, bis zum Verlust der Telemetriedaten. Die zeigten erst ein Absinken des Heliumdrucks und dann einen schnellen Anstieg. Schließlich lieferte eine Auswertung von Beschleunigungssensoren einen Hinweis, für den bislang nur eine mögliche Ursache eine Erklärung geliefert hat.

Die Ursache war wahrscheinlich eine gebrochene Halterung für einen Heliumdruckbehälter im Sauerstofftank. Die werden im Tank aufgehangen. Genau genommen, die Schraube die die Halterung befestigt. Auf den Videos vom Inneren des Sauerstofftanks kann man sie rechts und links unten im Bild etwa zur Hälfte sehen. Die Tanks bestehen aus Kohlenstofffaser und sind entsprechend schwarz:

Die müssen aufgehangen werden, allerdings nicht damit sie nicht nach unten fallen, sondern damit sie nicht aufsteigen. Denn die Dichte des Behälters ist viel kleiner als die des flüssigen Sauerstoffs, in dem er sich befindet. Die Auftriebskraft steigt um so mehr, um so größer die Beschleunigungskräfte sind. Bei einer Beschleunigung von 3,2g brach eine der Aufhängungen, bei einer Belastung die wohl nur 1/5 der Spezifikation betrug.

Wahrscheinlich wurde dabei die Leitung zum Heliumverteiler umgeknickt und “verstopft”. Dadurch sank zunächst der Druck im Sauerstofftank, bis schließlich die Leitung ganz abriss und der Druck im Tank anstieg bis er versagte Heliumsystem und stieg wieder an, sobald es verstopft war. In der Zwischenzeit stieg der Druck genug an, um die den Tank zum Bersten zu bringen. (Dieser Absatz wurde geändert, nachdem ich die Orginalaussage angehört habe. Die Aussagen die bis dahin im Netz umher schwirrten waren etwas verwirrend.)

Die Halterungen wurden nicht von SpaceX selbst gebaut, sondern kam von einem Zulieferer. Die Halterungen waren nach anfänglichen Tests nicht mehr im Fokus der Untersuchungen, weil einige zwar tatsächlich nicht die Spezifikation erreichten, aber nicht näherungsweise so dramatisch wie es für den Fehlstart nötig gewesen wäre.

Erst als man in den letzten Wochen eine große Zahl solcher Halterungen untersucht und getestet hat, mehrere hundert oder tausend, fand man schließlich welche die genauso schwach waren. Es war wohl nur Zufall, dass es nicht eher oder später passiert. Es muss wohl ein Materialfehler gewesen sein, denn die Halterung war äußerlich makellos und wies auch auf den Photos von der Fertigstellung der Raketenstufe keine Fehler auf. Der Zulieferer wurde aus Höflichkeit nicht genannt, wird aber gewechselt. Künftig will man alle Teile selbst auf Einhaltung der Spezifikation testen und sich nicht mehr auf Spezifikationen des Herstellers verlassen, die zusätzlichen Kosten dafür seien minimal. Der Verlust an Umsatz durch die Verzögerungen bewegt sich offenbar im Bereich von einigen hundert Millionen US-Dollar.

Musk merkte auch an, dass der letzte Fehlschlag – damals mit der Falcon 1 – sieben Jahre her ist. Darüber habe ich im Mai noch geschrieben. Seit dem stieg die Zahl der Beschäftigtenvon 500 auf etwa 4000. Die meisten von ihnen haben noch keinen Fehlschlag erlebt und wahrscheinlich litt darunter auch die Gründlichkeit der Untersuchungen.

Der nächste Flug einer Falcon 9 wird nicht vor September stattfinden und der erste Start der Falcon Heavy wurde (wieder einmal) verschoben auf nächstes Jahr. Vor dem Start der nächsten Rakete will man sich natürlich mit den Kunden in Verbindung setzen und nach deren Meinung fragen.

Interessant zu hören war auch, dass der Dragon tatsächlich Telemetrie funkte, so lange die Funksignale (wegen der Erdkrümmung) noch die Bodenstation erreichen konnte. Mit einer dafür ausgelegten Software hätte man noch die Fallschirme öffnen und ihn landen können. Beim nächsten Flug wird es einen entsprechenden Programmteil für Notfälle geben.

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Kommentare (15)

  1. #1 wasgeht
    21. Juli 2015

    Ich habe den Artikel jetzt mehrfach leicht geändert und einzelne Informationen hinzugefügt, weil ich erst nach dem schrebien des Artikels die gesamte Pressekonferenz gefunden und selbst angehört habe.

    Nur, falls sich jemand wundert, dass nicht mehr das da steht, was man (zurecht) zu lesen geglaubt hatte.

  2. #2 rolak
    21. Juli 2015

    Die verschiedenen TextVarianten habe ich zum Glück verschlafen, das ist im Moment des Erlebens tatsächlich leicht irritierend…

    Erstaunlich bis erschreckend, wie groß die Produktionsvarianz und wie schlecht die Kontrolle solch wesentlicher Teile sein muß, um derart krasse Ausreißer zu ermöglichen bzw durchzulassen. Unabhängig davon, wer nun letztendlich dafür zuständig ist – das Prinzip ‘wenn man nicht alles selber macht’ ist imho ab einem gewissen Umfang nicht mehr tragbar und eigentlich auch sinnleer, da ‘verteilte Fähigkeiten’ deutlich ‘natürlicher’ sein dürfte, flexibler und effizienter zu sein verspricht

    • #3 wasgeht
      21. Juli 2015

      Ich steck da nicht drin. Aber wenn der Hersteller seine Teile nicht in flüssigem Sauerstoff getestet hat, dann kann es sehr leicht zu ungewöhnlichen Dingen kommen die niemandem auffallen.

      Die physische Varianz des Produkts bei Auslieferung könnte minimal sein und nur die Auswirkung eben in manchen Fällen sehr viel größer.

      In dem Fall ist selber testen wohl die richtige Maßnahme. Die Befestigung ist ohnehin für mehr als die doppelte Kraft ausgelegt, so dass man ohne Angst vor Beschädigungen beim Testen selbst die Tests durchführen kann.

  3. #4 rolak
    21. Juli 2015

    physische Varianz

    Wie auch immer man es nennen mag, das Ziel ist die ‘Vorgabe±Toleranz. Die Produktion liefert unausweichlich EinzelErgebnisse jenseits des Zielbereiches, die durch Tests aussortiert werden müssen. Stichproben gegen systematische Fehler, 100%Proben bei solch schlecht im Nachhinein mal eben schnell auswechselbaren Teilen wie im post beschrieben. Auch eine Bastelkiste wie zB die der Apollomissionen, die sich nicht nur bei 13 so positiv auswirkte, kann nur für im Betrieb Ersetzbares funktionieren.

    Es geht doch nicht an, daß alle xundneunzig Kunden eines Herstellers die Testumgebungen aufbauen, wenn eine 1malAufstellung alles abdecken kann, selbst bei xundneunzig=1. Und selbstverständlich wird für Kritisches bei einer (xfach±1)-Auslegung unter (xfach-1)-Last getestet, alles andere ist idiotisch.
    Trotzdem kann selbstverständlich eine Änderung bis Ausweitung der TeileTests nötig werden, wenn sich die Belastungen als anders oder vielfältiger als gedacht herausstellen – das geht allerdings erst nach LiveTests.

    in flüssigem Sauerstoff

    Ja selbstverständlich nicht in Eiswasser – sonst hat der Test keine Relevanz und ist in etwa so aussagekräftig wie ‘Schokolade ist für Menschen giftig’ wg einer Studie mit Katzen. LOX gibts ja schon im Baumarkt, als SchweißZutat.

    • #5 wasgeht
      21. Juli 2015

      Wenn ein Fehler bei einem von 1000 Teilen auftritt, kann es leicht passieren, dass der Hersteller hunderte von Teilen untersucht hat und keinerlei Anlass zur Sorge gefunden hat. Das ist Pech.

      Abgesehen davon bin ich selbst immer erst einmal mehr daran interessiert zu wissen, wie etwas passiert ist und nicht daran, wer jetzt der Buhmann ist.

  4. #6 Mechaniker
    Bern
    21. Juli 2015

    @rolak

    Hast du dich schon mal mit den praktischen Aspekten der zerstörungsfreien Bauteilprüfung von CFK- Elementen auseinadergesetzt? Diese Geschichte ist nur in der Theorie einfach. Da können Boeing und Airbus ein Lied davon singen.

    • #7 wasgeht
      21. Juli 2015

      Ja, aber hier geht es um mehr oder weniger einfachen Stahl. (Details wollte man nicht nennen.)

    • #8 rolak
      21. Juli 2015

      auseinadergesetzt?

      Jetzt schon länger nicht mehr, Mechaniker. Für wahrhaft Wesentliches gabs neben den üblichen nur-gucken-NDTs auch noch etwas dem bei Elektronik ‘Burn-In-Test’ genannten entsprechendes, ist ja eher ein ‘nur wenns gut geht NDT’.

  5. #9 schlappohr
    21. Juli 2015

    Bin nicht sicher, ob ich das richtig verstehe. Im Sauerstofftank befindet sich ein weiterer Tank mit Helium unter Druck, das wohl dazu dient, den Sauerstoff im Betrieb heraus zu pressen, richtig? Ok, nun reißt deine der Halterungen ab, der Heliumtank klappert im Sauerstofftank herum, dabei wird die Heliumleitung verdreht oder abgeknickt. Warum steigt jetzt der Druck im Heliumtank an? Vor dem Start auf der Rampe war das Helium auch in einem verschlossenen Tank, ohne das dieser geplatzt wäre. Ich hätte erwartet, dass der Druck im Sauerstoff absinkt und das Triebwerk im Wassersoff “absäuft”, weil zu wenig Sauerstaoff aus dem Tank kommt.

    • #10 wasgeht
      21. Juli 2015

      Es gibt mehr als einen Heliumtank in dem Heliumsystem. Ein Tank macht sich selbstständig, es gibt ein Leck im System, der Druck sinkt. Wenn das Leck im System kurzzeitig geschlossen wird, dann wird der normale Druck im Heliumsystem von den anderen Heliumtanks (die noch an Ort und Stelle sind) für eine kurze Zeit wieder hergestellt … bis einem der Rest der Rakete um die Ohren fliegt.

  6. #11 Draalo
    21. Juli 2015

    Hab mir das Video gerade extra nochmal angeschaut. Bei 0:36 sagt eine Stimme aus dem Off: “Vehicle is probably damaged”.
    Die Explosion ist bei 2:40 – also 2 Minuten später.
    “Es waren nur 891 Millisekunden vom ersten Anzeichen einer Fehlfunktion, bis zum Verlust der Telemetriedaten.”
    kann dann so nicht stimmen.

  7. #12 wasgeht
    21. Juli 2015

    Nein, der sagt “Vehicle is [….] downrange”.

    Die “Range” ist die Startplattform und mit “downrange” ist der Abstand der Rakete gemeint, den sie am Boden zur Startplattform hätte. Wie weit das hier ist, kann man aus dem Schipsel aber nicht verstehen.

  8. #13 dgbrt
    21. Juli 2015

    Wo hast du das mit den Schrauben aus Kohlenstofffaser her? In der Pressemitteilung lese ich nur etwas von Halterungen (engl.: struts). Da ist eine von gebrochen und hat damit die Integrität des Helium-Systems zerstört. Dabei ist dann Helium unter hohem Druck in den Sauerstofftank entwichen, welcher dann dem Druck nicht mehr standhalten konnte. Deswegen auch der kurze Druckabfall im Heliumtank. Das Ganze ist ja in weniger als einer Sekunde passiert.

    Und noch eine Frage: Gibt es noch mehr Raketen, bei denen im Inneren des Sauerstofftanks die Heliumtanks eingebaut werden? Oftmals kann man die schön erkennen. Bei dem Apollo-Servicemodul waren sie allerdings ganz in der Mitte, die anderen Tanks waren dann da drumherum angeordnet.

    • #14 wasgeht
      21. Juli 2015

      Mit “sie” waren in dem Satz die Tanks gemeint, nicht die Schrauben. Ich habe es im Text geändert. Ich habe jetzt keinen Überblick, in welchen Raketen die Heliumtanks wie genau verbaut sind.

  9. #15 Draalo
    21. Juli 2015

    “Nein, der sagt “Vehicle is [….] downrange”.”

    oh, danke. hab die entsprechende stelle mal mit halber Geschwindigkeit abgespielt, dann hört man deutlich den Unterschied.

    “Die “Range” ist die Startplattform und mit “downrange” ist der Abstand der Rakete gemeint, den sie am Boden zur Startplattform hätte.”

    Wieder was dazugelernt :)