Die Anfänge der Raumfahrt auf der ganzen Welt gehen auf Deutschland und die Entwicklungen deutscher Ingenieure in den USA, Russland und anderswo zurück. Das änderte sich aber schnell, als die Ingenieure selbst das Handwerk erlernten und die Entwicklung in eigene Richtungen trieben. Durch die Spaltung im kalten Krieg kam es zu unterschiedlichen Entwicklungen, die erst mit dem Zerfall der Sowjetunion wieder aufeinander trafen.
Eine dieser Entwicklungen war das RD-171 Triebwerk, das auch die Zenit Rakete von SeaLaunch antrieb. Es ist nach westlichen Maßstäben ein besonderes Triebwerk, für das es hier noch kein vergleichbares gibt. Es ist ein Kerosin-Sauerstoff Triebwerk, das über 750 Tonnen Schub liefert. Der spezifische Impuls liegt bei 309s am Boden und 338s im Vakuum. Die gebräuchlichen Feststoffbooster kommen auf Werte von 260s am Boden und knapp 280s im Vakuum. In der Raumfahrt sind das Welten. Bei vergleichbarer Treibstoffmenge würden sie 20% weniger Geschwindigkeit liefern, aber tatsächlich sind leere Feststoffbooster etwa 1,5 mal so schwer wie eine erste Stufe mit Kerosinantrieb.
Nur Wasserstofftriebwerke haben einen besseren spezifischen Impuls, liefern aber bei vergleichbarem Aufwand weniger Schub und müssen mit dem äußerst großen Volumen und extrem niedrigen Temperaturen des flüssigen Wasserstoffs klar kommen. Auf diese Weise versucht man im Westen diesen Mangel an Effizienz in der ersten Stufe auszugleichen, indem man teurere Wasserstofftriebwerke im Rest der Rakete verwendet. Die eigenen Kerosintriebwerke waren deutlich ineffizienter. Selbst das Merlin Triebwerk von SpaceX liegt noch 10% hinter den Leistungen des RD-170 zurück.
Wie machen die Russen das?
Sie benutzen das Abgas der Treibstoffpumpen ebenso als Brennstoff im Triebwerk. Die Details habe ich früher schon einmal hier im Blog erklärt. Um das zu schaffen musste man viel experimentieren, damit das Triebwerk sich nicht selbst zerstört und der Trick ist nicht einfach zu meistern. Man muss dazu eine große Menge Sauerstoff mit einer kleinen Menge Kerosin verbrennen, so dass ein heißes, Sauerstoffreiches Gas entsteht. Damit wird eine Turbine angetrieben, die die Treibstoffpumpen antreiben. Die Pumpen bringen flüssigen Sauerstoff und Kerosin in die Brennkammer und das sauerstoffreiche Abgas ebenso. Ein kerosinreiches Abgas kann man nicht verwenden, denn das würde die dünnen Treibstoffkanäle mit Ruß verstopfen.
Heißes Gas mit viel Sauerstoff unter hohem Druck ist aber ein Alptraum für jedes Metall. Es ist extrem korrosiv und bis vor kurzem waren nur die Russen in der Lage, solche Triebwerk zu bauen. In den USA schätzte man, dass der Nachbau wenigstens eine Milliarde US-Dollar kosten würde und verzichtete darauf. Es fand sich kein Investor der es bezahlen wollte. Nur in China hat man mit dem YF-100 eine vergleichbare Technologie entwickelt, Indien ist mit dem SCE-200 dabei etwas ähnliches zu entwickeln.
Warum hat man in den USA auf die Entwicklung verzichtet? Weil man mit Russland Ende der 90er Jahre einen Vertrag abgeschlossen hat über die Lieferung solcher Triebwerke. Dabei war den Amerikanern der Schub des RD-170 zu groß und so bestellte man eine Variante, das RD-180, mit halben Schub. Damit wurde zunächst die Atlas III Rakete ausgestattet. Das war im wesentlichen eine Atlas II Rakete mit ausgetauschtem Triebwerk. Das RD-180 war mit dieser Rakete immer noch unterfordert. Deswegen entwickelte man eine neue Rakete, die das Triebwerk ausnutzen konnte, die Atlas V.
Mit dem neuen Triebwerk wurde die Atlas V sofort zur beliebtesten Rakete in der US-Raumfahrt, die auch wesentlich billiger war als die Delta IV. Dabei half es sicherlich, dass das Triebwerk anfangs für nur $10mio pro Stück geliefert wurde. Das war während des Ausverkaufs von Russland in der Jelzin Ära. Inzwischen kostet das Triebwerk $25mio und die Atlas V ist trotzdem noch mit Abstand billiger als die Delta IV.
Das Problem ist nur, dass die USA jetzt abhängig von dem Triebwerk sind und gleichzeitig ihre militärischen Satelliten mit der Rakete starten. Spätestens seit der Krim Krise ist man nun in der Zwickmühle. Die Regierung hat angewiesen, die Benutzung der Atlas V möglichst bald einzustellen. Man ist aber auch nicht bereit noch länger die sehr teure Delta IV dafür zu benutzen, oder sich allein auf die Falcon 9 zu verlassen.
Jetzt rächt sich, dass man keinerlei Geld in die Entwicklung dieser Technologie gesteckt hat. Man rechnet frühestens 2019 mit einer amerikanischen Alternative. Die soll nun mit dem BE-4 Triebwerk von Blue Origins kommen, die mit Sauerstoff und dem weniger rußenden Methan funktionieren wird. Ob die Entwicklung tatsächlich bis dahin funktioniert, kann noch niemand sagen.
Aber die Sache wird noch interessanter. OrbitalATK, der Betreiber der Antares Rakete, war seit letztem Jahr auf der Suche nach einem Ersatz für das sowjetische NK-33 Triebwerk, das auf der gleichen Technik basierte. Und man fand Ersatz mit dem RD-181 Triebwerk, ein modifiziertes RD-191 das eine Weiterentwicklung des RD-170 ist. (Die Typenbezeichnungen sind reichlich verwirrend.) Nachdem die US-Regierung den Import des RD-180 verboten hat, darf Orbital ATK nun das RD-181 aus Russland importieren.
Vielleicht sollten die Amerikaner ihr Mandarin etwas aufpolieren und eine entspannte Unterhaltung mit ein paar Chinesen führen.
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