Das Angara Projekt entstand direkt nach dem Zerfall der Sowjetunion. Die Raumfahrt war bis dahin über die Republiken der gesamten Union verteilt. Baikonur ist kein Teil von Russland, sondern von Kasachstan. Wichtige Teile der Raumfahrtindustrie waren damals in der Ukraine und das waren sie auch noch bis vor kurzem.
Es sollte eine neue Rakete gebaut werden, um die russische Raumfahrt unabhängig von Baikonur werden. Dazu reicht es aber nicht einen neuen Weltraumbahnhof zu bauen, denn der ist zwangsläufig weiter nördlich als Baikonur. So ein Standort ist ungünstiger und wird die Nutzlast der Raketen beeinträchtigen. Man brauchte zur Umsetzung des Plans also auch leistungsfähigere Raketen. Die Entwicklung des Konzepts wurde ausgeschrieben und zwischen Entwürfen von Khrunichev und Energia ausgewählt. (Details zur Entwicklung gibt es in dem Artikel hier.)
Die Zerstörung der russischen Wirtschaft in den folgenden Jahren, unter der pseudoliberalen Regierung Boris Jelzins, verhinderte die Umsetzung des Projekts. Erst nach der Wiederverstaatlichung der zuvor privatisierten Rohstoffindustrie standen dem Staat wieder gewisse Finanzmittel zur Verfügung. (Die relative Beliebtheit Vladimir Putins entstand nicht durch seine übermäßig gute Politik, sondern durch die Beendung einer Wirtschaftskatastrophe, die durch eine übermäßig schlechte Politik verursacht wurde.)
Die ersten Entwürfe in den 90er Jahren wurden wegen technischer Schwierigkeiten und fehlender Finanzmittel im Jahr 1997 verworfen und das Projekt neu begonnen. Diese Schwierigkeiten brachten der Angara einen Ruf als Papiertiger ein, der niemals Realität werden würde. Aber das neue Konzept erwies sich 17 Jahre später immerhin als realisierbar. Letztes Jahr hatten die Angara 1.2 und die Angara 5 ihre ersten beiden Testflüge.
Das neue Konzept sah vor, ein neues Triebwerk aus dem äußerst leistungsstarken RD-171 zu entwickeln. Das RD-171 besteht aus vier Brennkammern. Es war (als RD-170) für die Booster der Energia Rakete vorgesehen, die auch den Buran in den Orbit brachte und auch das Haupttriebwerk der Zenit (als RD-171 in zwei Achsen steuerbar).
Man wollte nun mit der gleichen Technik ein kleineres Triebwerk mit nur einer Brennkammer bauen. Es wäre viel flexibler einsetzbar und darin besteht das Konzept der Angara. Man baute für sie ein RD-191 genanntes Triebwerk mit knapp 200 Tonnen Schub. Dazu kam ein 10 Tonnen schwerer Treibstofftank mit 132 Tonnen Treibstoff. Zusammen ergeben sie ein “universales Raketenmodul” oder URM-1. Je nach Konfiguration benutzt die Angara eine unterschiedliche Anzahl von URMs. Die Angara 1 benutzt ein einziges URM, die Angara 5 besteht aus fünf Modulen.
Auf diese Weise kann man die URMs in Massenfertigung herstellen und unterschiedliche Raketen damit zusammenstellen. Man braucht so nur noch eine Produktionsstätte, die damit viel besser ausgelastet ist als bei der Herstellung anderer Raketen. Die bemannte Angara 5P wird sogar aus nichts anderem als URMs bestehen. Das mittlere der fünf Module simuliert dort eine zweite Stufe, indem es kurz nach dem Start auf minimalen Schub (bis zu 27%) gedrosselt wird. Wenn die vier anderen Module ihren Treibstoff verbraucht haben und abgeworfen werden, hat die mittlere Stufe so noch etwa 2/3 des Treibstoffs. Mit 40 Tonnen weniger Leermasse wirkt das letzte URM als brauchbarer Ersatz für eine echte zweite Stufe. Das Vorgehen hat den Vorteil, dass alle Triebwerke kontrolliert am Boden gezündet und überprüft werden können. Das neue Raumschiff für die bemannte Angara 5P ist allerdings noch längst nicht fertig.
Die Angara 5 soll bis 2020 auch erst 5 mal fliegen, bevor die Startraten langsam gesteigert werden. Die Angara 5 soll dann endlich die unzuverlässige Proton Rakete ersetzten. Für Satellitenstarts verwendet man natürlich eine eigene Oberstufe. Dafür ist zunächst das gleiche RD-0124 Triebwerk vorgesehen, wie in der dritten Stufe der aktuellen Soyuz Rakete. Zunächst wollte man daraus ein URM-2 für alle Varianten der Angara bauen, entschied sich dann aber dafür einen schmaleren Tank für die Oberstufe der Angara 1 zu verwenden. Das große URM-2 wurde nur beim ersten Flug der Angara 1 benutzt, um das URM-2 vor dem ersten Flug mit der Angara 5 zu testen.
Um die Leistung der Angara 5 später noch weiter zu steigern, will man auch eine wasserstoffbetriebene Stufe anstelle des URM-2 entwickeln. Diese Angara 5V soll dann statt 5,4 Tonnen eine Nutzlast von 7,5 Tonnen in den geostationären Transferorbit bringen können. Die relativ schlechte Nutzlast ist aber nicht der Rakete geschuldet, sondern ihrem Startplatz. Würde die Angara 5V in Kourou starten, hätte sie eine größere Nutzlast als die Ariane 5 Rakete (etwa 11-12 Tonnen).
Ob die Angara die Hoffungen erfüllen wird, die in sie gesetzt wurden, muss sich noch zeigen. Mit den ersten Flügen 2014 wurde jedenfalls bewiesen, dass sie kein Papiertiger, sondern eine echte Rakete ist. Die nächste Frage ist, ob man die Kosten erreichen wird. Bisher ist darüber nicht viel bekannt. Nur eine Aussage nach der die Angara 1.2 billiger ist als die Vega Rakete bei besserer Leistung. Das ist durchaus glaubhaft.
Man exportierte aus Russland unter der Bezeichnung RD-181 eine modifizierte Variante des RD-191 Triebwerks um damit die neue Antares Rakete in den USA auszustatten. Das Geschäft kam nach dem Absturz der Antares letztes Jahr sehr kurzfristig zu stande. Man will damit die alten NK-33 ersetzen, den Preis dafür gibt man mit $16mio pro Triebwerk an. Man kann davon ausgehen, dass darin eine ordentliche Profitmarge enthalten ist. Das RD-191 ist aber das mit Abstand teuerste Teil der Angara 1.2. Man kann sich als sehr gut vorstellen, dass die Vega mit Stückkosten von 25mio Euro und Startkosten von 32mio Euro deutlich teurer sein wird. Der Preis der Angara 5 soll auch niedriger als der Preis der Proton Rakete sein.
Ob das so kommt werden wir am Anfang der 2020er Jahren wissen.
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