Damit man ein sicheres Containment für einen Kernreaktor bauen kann, muss man wissen, was im Inneren des Containments passieren kann. Dabei kann man sich auf theoretische Daten verlassen, chemische und physikalische Gesetzmäßigkeiten. Das reicht meistens zumindest um einen guten Eindruck zu bekommen. Aber es reicht nicht aus, um sich über das detaillierte Verhalten eines Kernreaktors unter extremen Bedingungen sicher zu sein.

Dieses Problem war in den 70er und 80er Jahren noch viel größer als heute. Denn heute haben wir sowohl viel mehr Erfahrung im Umgang mit Kernreaktoren als auch Computermodelle die viel komplexere Zusammenhänge berechnen können. Aber auch heute noch verlässt man sich nicht auf Computermodelle, sondern gleicht sie immer mit realen Experimentaldaten ab. Solche Experimentaldaten müssen irgendwie gewonnen werden.

Eine dieser Fragen ist, was passiert, wenn einem Kernreaktor das Kühlmittel ausgeht. Eine Möglichkeit dafür sind Modelle, in denen Brennstäbe durch elektrische Heizstäbe ersetzt werden. Die Heizstäbe werden dann so beheizt, dass sie das vorhergesagte Verhalten des Reaktors simulieren. Diese zeigen die meisten Charakteristika gut auf und liefern Daten für den Bau von Notfallkühlsystemen.

Aber letztlich würde man derartiges doch gern mit einem echten Kernreaktor testen. Dort sind die Materialien die echten und das Verhalten beim Heizen muss nicht simuliert werden. Tatsächlich hat man in den 70er Jahren einen solchen Testreaktor fertiggestellt. Die Anlage nannte sich LOFT – Loss of Fluid Test (Facility). Eine Beschreibung der Anlage gibt es hier.

Dabei handelte es sich um einen 50MW Reaktor, in dem die Bedingungen eines regulären Druckwasserreaktors hergestellt werden konnten. Man stattete ihn mit den regulären Sicherheits- und Notfallsystemen aus, sowie einer Reihe zusätzlicher Messgeräte. Allerdings auch mit der Möglichkeit die Sicherheitssysteme kontrolliert ausfallen zu lassen, genauso wie der Möglichkeit Kühlleitungen zu öffnen um einen Bruch zu simulieren. Die Brennstäbe entsprachen im Aufbau den kommerziellen Brennstäben, auch wenn die Anreicherung mit 6% etwas höher sein musste, um in dem kleineren Reaktor vergleichbare Bedingungen herzustellen. (Aus kleinen Reaktoren entkommen etwas mehr Neutronen.)

In dem Reaktor wurde über 10 Jahre eine Batterie von Tests durchgeführt um verschieden Szenarien des Ausbleibens von Kühlung zu simulieren und durchzumessen. Die Ergebnisse konnten dann mit den damaligen Computermodellen und Modellversuchen verglichen werden. Wobei man nochmal daran erinnern sollte, dass die Rechenkapazität meines 4 Jahre alten Laptops ohne weiteres mit einigen der weltweit schnellsten Supercomputern dieser Zeit vergleichbar war. Die Modelle waren entsprechend stark vereinfacht und konnten manchen Phänomene nicht adequat darstellen.

Dazu gehörte zum Beispiel die Abkühlung der Brennstäbe in dem Moment, wenn sich Überdruckventile öffnen und große Mengen Wasser verdampfen. Man stellte auch fest, dass man die Hülle (“Cladding”) von echten Brennstäben viel leichter Kühlen kann als die Hülle einiger damals benutzter elektrischer Ersatzheizstäbe. Das lag an der viel geringeren Wärmeleitfähigkeit der keramischen Brennelemente im Vergleich zu den metallischen Heizelementen. Die Wärme in den Brennelementen bleibt zunächst wo sie ist und wird nur langsam nach außen abgegeben. Wenn es darum geht nach einem Kühlwasserverlust möglichst schnell die Hülle der Brennstäbe wieder abzukühlen, hat das große Vorteile. Daraufhin wurden bessere Heizstäbe für die Modelle entwickelt und mit dem realen Reaktor abgeglichen.

Einige der wichtigsten Tests waren sicherlich die “Auslegungsfälle” oder “Design Basis Accidents”. Die Details unterscheiden sich dabei von Land zu Land (es wurde nach Standards mehrere Länder getestet), aber allgemein gesprochen geht es darum, dass die größte Kühlwasserleitung vollständig abbricht und die Notkühlsysteme ausreichend kühlen können müssen, um Schäden an den Brennstäben zu verhindern. Dazu wurden die Notkühlsysteme von Druckwasserreaktoren für LOFT nachgebaut und entsprechend in den Reaktor eingebunden.

Den Abschluss bildeten am 9. Juli 1985 ein Experiment, bei dem das zentrale Brennstabbündel bis zum Versagen erhitzt werden sollte. Man wollte dabei vor allem das Verhalten der Brennstäbe in so einer Situation unter realen, gut instrumentierten Bedingungen messen und die Verteilung der freigesetzten radioaktiven Spaltprodukte im ganzen System bestimmen. Dabei wurde das Experiment aber abgebrochen bevor die Brennstäbe vollständig schmelzen, um die Dekontaminierung des Systems nicht unnötig zu erschweren. Undicht werden sie schon lange davor, wodurch insbesondere die gasförmigen Bestandteile vollständig entweichen. Dazu gehören bei den hohen Temperaturen nicht nur Edelgase und Iod, sondern auch Caesium.

Wichtig war bei der Untersuchung auch das Verhalten von Zirkonium bei hohen Temperaturen im Reaktor genau zu charakterisieren. Insbesondere gab es die Behauptung, dass das Limit von 1200 Grad nicht angemessen sei und sich schon bei dieser Temperatur die Reaktion bereits selbst katalysiert. Diese Behauptung konnte widerlegt werden.