Wenn man heute von Spekulations- oder Finanzblasen redet, dann ist das nichts neues. Schon der Begriff der Blase hat heute eine fast 300 Jahre alte Geschichte. Er entstand Anfang des 18. Jahrhunderts in England. Ähnliche Phänomene gab es natürlich schon lange davor, aber es brauchte schon etwas sehr ungewöhnliches um den Begriff für so lange Zeit zu prägen.

Der spanische Erbfolgekrieg war eine teure Angelegenheit für alle europäischen Länder und alle mussten damit irgendwie umgehen. Nicht nur für Frankreich, über dessen “Lösung” ihrer Finanzprobleme ich schon geschrieben habe, sondern auch für England. (Während des Krieges, im Jahr 1707, vereinigten sich England und Schottland übrigens zum Vereinigten Königreich, wie wir es heute kennen. Der Folgende Wirtschaftsaufschwung in Schottland führte zur schottischen Aufklärung.)

Die englische Staatskasse hatte im Krieg jedenfalls zusätzliche Schulden in Höhe der stattlichen Summe von 10mio Pfund aufgehäuft. Wobei sich Jahresgehälter für die meisten Menschen im Rahmen von einigen Pfund bewegten. Eine Familie brauchte im Jahr etwa 40 Pfund, ab 100 gehörte man zur Mittelklasse. Wobei man damals wenigstens 4 Kinder brauchte um später mit einiger Gewissheit zwei Kinder im Erwachsenenalter zu haben. Das vereinigte Königreich hatte damals eine Bevölkerung von 7mio Menschen.

Jedenfalls suchte man nach Wegen, diese Schulden zu finanzieren. Denn die Kreditwürdigkeit der Regierung hat im Krieg stark gelitten. Dabei fanden sich einige Geschäftsleute, die ein Unternehmen gründeten, das die Schulden aufnehmen würde. Im Gegenzug verlangten sie 6% Zinsen. Um die Zinsen zu zahlen wurden Zölle auf Wein, Essig, indische Waren, Seide, Tabak, Walflossen und einiges anderes erhoben. Außerdem bekam das Unternehmen das Privileg für den Handel in der Südsee, namentlich dem Südamerikanischen Kontinent. Der gehört aber größtenteils zum spanischen Reich mit dem man gerade Krieg geführt hat und entsprechend wenig enthusiastisch den Briten gegenüber stand.

Die Regierung hatte nun jedenfalls allen Grund die betroffenen Geschäftsbereiche zu fördern um die Zinsen zu bezahlen. Gleichzeitig wusste jeder, dass das so sein würde. Entsprechend traten nun jede Menge Geschäftsleute auf den Plan, die sagten, sie könnten unter solchen Bedingungen mit ihrem Unternehmen gute Geschäfte machen, es fehle ihnen nur am nötigen Startkapital. Gesetze zur Förderung einzelner Geschäftsbereiche, die Vergabe von staatlichen Patenten (die damals z.B. auch auf den Salzhandel und ähnliches ausgegeben wurden) heizten die Stimmung noch an. Dazu kamen dann unvermeidlich auch Gerüchte, dass bald das eine oder andere Gesetz erlassen würde, was dem einen oder anderen Geschäft Vorteile verschaffen würde.

Unternehmen schossen wie Pilze aus dem Boden, oder besser gesagt, wie Blasen. Manche dieser Unternehmen existierten nur Wochen, einige nur Tage, dann platzten sie und waren Geschichte. Alle waren auf der Suche nach Geld für ihr Geschäft, ob nun redlich oder nicht. Zu einiger Berühmtheit gelangte der sagte, er brauche das Geld “For carrying on an undertaking of great advantage, but nobody to know what it is.” Er versprach für eine Einlage von 2 Pfund eine Auszahlung von 100 Pfund. Innerhalb eines Tages konnte er so etwa 2000 Pfund einsammeln. Er verschwand am nächsten Tag in Richtung Festlandeuropa und wart nie mehr gesehen. Ein Unternehmen wollte 2 Millionen Pfund Kapital einsammeln um ein Perpetuum Mobile zu konstruieren. Ein weiteres zur Transmutation von Quecksilber.

Natürlich gab es auch durchaus redliche Geschäfte zur Stahlerzeugeng, Salzabbau, diverse Versicherungen und so weiter. Aber letztlich war allen klar, dass man es mit jener “irrational exhuberance” zu tun hatte (um Alan Greenspan nochmal die Ehre zu geben), wie wir sie auch zu genüge kennen.

Die größte Blase von allen entstand aber um die Firma, die seinerzeit die Kriegsschulden übernommen hatte. Sie gab Aktien aus um Geld in ihre eigenen Geschäfte investieren zu können, den Handel in der Südsee. Man versprach Kolonien in Südamerika aufzubauen und die Reichtümer des Kontinents nach England zu bringen. Diese Firma nannte sich “South Sea Company”. Ihre illustre Geschichte, und die Geschichte der Blasen die in ihrem Umfeld entstanden, kann man im ersten Band von David MacKays “Extraordinary Popular Delusions and the Madness of the Crowds” nachlesen. Inklusive einer Auflistung von 86 mehr-oder-weniger wahnsinniger Geschäftsideen der Zeit und diverser Petitionen die damals an die Regierung gingen, mit denen man hoffte das Monopol auf ein Geschäft zu bekommen.

Jedenfalls sollte diese Geschichte jedem klar machen, dass Spekulationen mit Finanzen, Krediten und Unternehmensanteilen nichts neues sind. Sie haben eine lange Tradition. Man wird ihnen immer wieder begegnen und man muss mit ihnen umgehen. Zum Ende des Kapitalismus haben übrigens noch nie geführt.

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Kommentare (5)

  1. #1 BreitSide
    Beim Deich
    3. August 2015

    War nicht die https://de.wikipedia.org/wiki/Tulpenmanie 70 Jahre früher? Oder passt die nicht zum Wort “Blase”? Immerhin spricht man von einem “Börsenkrach”.

    Wiki sagt “Die Tulpenmanie wird als die erste relativ gut dokumentierte Spekulationsblase der Wirtschaftsgeschichte angesehen.”

    Oder geht es darum, dass bei Deinem Beispiel verschiedene Industriezweige betroffen waren?

  2. #2 wasgeht
    3. August 2015

    Wie schon im ersten Absatz gesagt: Der Begriff ist 300 Jahre alt, aber ähnliche Phänomene gab es schon lange davor. Und an die Tulpenmanie habe ich dabei vor allem gedacht. (Allein schon deswegen, weil es das nächste Kapitel in dem Buch ist. ;) )

    • #3 BreitSide
      Beim Deich
      3. August 2015

      Autsch, Spoiler-Alarm?

  3. #4 DH
    3. August 2015

    Dasselbe Dampfgeplaudere wie während der dot.com-Blase.Welche ist die nächste?

  4. #5 Henning
    3. August 2015

    Ah, ich bin bereit. Ich sehe, dass ein Gespräch über das BGE am Horizont dräut.