Ohne Raketentriebwerk in den Orbit zu kommen wird so schnell noch nicht gelingen. Aber es gibt einen neuen Vorschlag, wie man zumindest auf das Verbrennen von Treibstoff verzichten könnte. Im Podcast bin ich am Wochenende schon darauf eingangen und hier gibt es das ganze nochmal zum nachlesen.
Ein normales Wasserstofftriebwerk funktioniert so, dass Wasserstoff in einer Brennkammer gepumpt wird und dort zusammen mit Sauerstoff verbrannt wird. Danach hat man ein heißes Gas, das aus dem Triebwerk heraus strömt und für den Schub verantwortlich ist. Tatsächlich pumpt man schon in solche Triebwerke ungefähr 50-70% mehr Wasserstoff als man mit dem Sauerstoff jemals verbrennen könnte. Vielmehr gibt man sich damit zufrieden, den restlichen Wasserstoff aufzuheizen.
Das hat einen guten Grund. Ein Gas ist eine sehr egalitäre Sache. Jedes Molekül einem Gas mit einer bestimmten Temperatur hat die gleiche Chance, eine bestimmte Menge Energie zu haben. Und zwar egal wie leicht oder schwer das Molekül ist. Ein leichteres Molekül wird sich mit der gleichen Energiemenge aber viel schneller bewegen als ein schwereres. Die Bewegungsgeschwindigkeit der Moleküle bestimmt, wie effizient ein Raketentriebwerk ist.
Wasserstoff ist das leichteste Gas überhaupt. Es hat nur ein neuntel des Gewichts eines Wassermoleküls. Bei der gleichen Temperatur bewegen sich Wasserstoffmoleküle also 3 mal so schnell wie Wassermoleküle. (Tatsächlich sogar noch schneller, weil Wasser mehr Möglichkeiten hat Energie durch Rotationen zu absorbieren, die nichts zur Bewegungsgeschwindigkeit beitragen.) Deswegen versucht man mehr Wasserstoff in ein Wasserstofftriebwerk zu pumpen, als man verbrennen kann. Bis zu einem gewissen Punkt wird es effizienter.
Das führt nun zu einer anderen Idee. Was, wenn man den Wasserstoff überhaupt nicht verbrennt, sondern anders aufheizt? Dann wäre Wasserstoff der ideale Treibstoff. Denn ohne den Sauerstoff aus der Verbrennung hat man ein viel leichteres Gas als Antrieb. Schon mit viel niedrigeren Temperaturen von etwa 2000 Grad käme man auf viel größere Ausströmgeschwindigkeiten als bei einer normalen Brennkammer, mit Temperaturen weit über 3000 Grad. Man kommt so schon auf einen spezifischen Impuls von etwa 750s, anstatt der üblichen 450s – zumindest im Vakuum. Beim Start am Boden fallen die Werte jeweils um 20-25% schlechter aus.
Eine Firma in den USA will genau das tun. Die Energie zum Heizen soll von außen kommen, genau genommen von Mikrowellen mit einer Frequenz von 92 GHz. Das ist weit jenseits der 2,45 GHz der Mikrowellen zum kochen. Ist auch logisch, die Mikrowellen sollen nicht vom Wasser in der Atmosphäre absorbiert werden, sondern von einem Absorber an der Außenwand des Raumschiffs. Der Absorber wird von zuerst flüssigem, dass gasförmigen Wasserstoff durchflossen. (Im Inneren ist eine Turbopumpe, die von etwas weniger heißem Wasserstoffgas angetrieben wird, und den Wasserstoff durch die Röhren und in das Triebwerk hinein pumpt.)
Ihr erstes Raumschiff soll eine Nutzlast von maximal 200kg haben und selbst nur etwa 800kg wiegen. Dabei soll es etwa 3,5 Tonnen Wasserstoff mitführen.
Damit man auf brauchbare Temperaturen und ausreichende Mengen heißen Wasserstoffs für das Triebwerk kommt, will man beim Start auf eine Heizleistung von etwa 200MW kommen. Dazu braucht man eine Mikrowellenleistung von 400MW, weil schon auf kurze Entfernung etwa die Hälfte der Energie verloren geht. Am Ende des Fluges gehen etwa 90% der Energie auf dem Weg vom Boden verloren. Um aber die 400MW Mikrowellenleistung zu erreichen, braucht man 800MW elektrische Leistung. Denn Hochleistungsmikrowellenemitter sind nicht sonderlich effizient. Die nötige Energie will man vor Ort speichern und nicht direkt aus dem Netz beziehen. Schon für das kleine Raumschiff braucht man ein etwa 1km großes Feld von Parabolantennen, um die Mikrowellen über die Distanz zum Raumschiff zu senden.
Und genau deswegen glaube ich nicht, dass diese Idee auch nur im Ansatz eine Chance auf wirtschaftliche Umsetzung hat. Die Nutzlasten sind winzig und werden nicht viel Umsatz bringen. Gleichzeitig setzt man schon für den Bau des Energiespeichers einige zig Millionen an. Ansonsten schweigt man sich über die Kosten ganz aus. Zum Beispiel die Kosten des Mikrowellenemitterfeldes. Wohl schon deswegen, weil man noch bei der Entwicklung erster, kleinerer Prototypen ist.
Dann kommen noch die Kosten des Raumschiffs dazu, das wiederverwendbar sein soll – es soll benutzt werden “wie ein Flugzeug”. Dazu sagt man nichts. Man sagt auch nichts dazu, wie es den Wiedereintritt überstehen wird. (Wobei der Mikrowellenabsorber sicherlich einiges an Hitze aushält.) Die Technologie ist jedenfalls völlig neu und die ersten Prototypen haben Spielzeuggröße. Es ist auch keinerlei Umsatz zu erwarten, der auch nur im Ansatz den nötigen Investitionen gerecht wird. Denn ein größeres Raumschiff, das mehr Umsatz bringen könnte, braucht noch viel mehr und viel größere Emitter und Energiespeicher.
Selbst ein Raumschiff der zehnfachen Größe hätte nur eine Nutzlast von 1-2 Tonnen im niedrigen Erdorbit. Immernoch deutlich weniger als die kleine Vega Rakete. Aber allein der Energiespeicher dafür bräuchte Investitionen von einigen hundert Millionen Dollar. Warum rede ich von diesem Preis? Weil es der einzige ist, zu dem es ernsthafte Angaben gibt. Man bräuchte auch ein 3km großes Feld an Antennen. In einer Welt, in der schon das Square Kilometer Array in ernsthaften finanzierungsnöten ist, müsste man ein fast 10 mal so großes Feld aufbauen und mit Hochleistungsemittern ausstatten.
Und dann kommt noch das Raumschiff. Das bräuchte die zehnfache Fläche als Absorber, um die Energie absorbieren zu können. Beim zehnfachen Volumen des Treibstoffs, steigt die Fläche des Raumschiffs aber um weniger als das 5-fache. Das ohnehin schon flache Raumschiff müsste noch flacher werden. Damit wird es aber auch schwerer, denn man weicht immer mehr von der optimalen Form eines Tanks ab und der Luftwiderstand steigt auch weit mehr als üblich. Auch hier sind Entwicklungs- und Baukosten reine Spekulation.
Man behauptet jedenfalls, mit dieser Technik irgendwann Startkosten von $150/kg zu erreichen und sagt gleichzeitig, chemische Verbrennung würde die Startkosten fundamental auf den Bereich von $5000-$50.000/kg begrenzen. Dabei kostet die Falcon 9 schon ohne jede Wiederverwendung unter $4000/kg Nutzlast. (Nutzlast bis zu 17 Tonnen in niedrigen Erdorbit, bei $61mio Startkosten.) So fundamental scheint die Grenze also nicht zu sein. Und das Ende der Fahnenstange ist bei herkömmlicher Raketentechnik noch lange nicht erreicht.
Selbst wenn die Firma mit ihrem kleinen Raumschiff $50.000/kg Nutzlast verlangen würde, käme sie pro Flug nur auf einen Umsatz von etwa $5mio. Das alles bei einem Projekt mit sehr viel aufwändigerer Infrastruktur und damit höheren Personal- und Kapitalkosten als alle Konkurrenten.
Also kurz: Vergessen wir das.
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